21. Juli 2015
Ersatzbemessungsgrundlage
Steuerrecht

Grunderwerbsteuer – Regelung über Ersatzbemessungsgrundlage verfassungswidrig 

Bisherige Berechnung der Ersatzbemessungsgrundlage nicht mit Grundgesetz Grunderwerbsteuersteuerpflichtige Share Deals könnten teurer werden.

Anteilsübertragungen und Gesellschafterwechsel können, wenn sie Gesellschaften mit deutschem Grundbesitz direkt oder indirekt betreffen, Grunderwerbsteuer auslösen. Die Grunderwerbsteuer wird in diesen Fällen nicht, wie man vielleicht denken könnte, aus dem Anteilskaufpreis ermittelt, sondern auf Grundlage einer gesetzlich normierten Bewertungsmethode. Der danach ermittelte Wert wird als „Bedarfswert″ oder als „Ersatzbemessungsgrundlage″ bezeichnet. Er wird für Zwecke der Grunderwerbsteuer auch in solchen Fällen zugrunde gelegt, bei denen eine Gegenleistung (Kaufpreis) nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist. Ein Beispiel hierfür bildet die grunderwerbsteuerpflichtige Abtretung der Rechte aus einem Grundstückskaufangebot.

Verfassungsmäßigkeit der Ersatzbemessungsgrundlage lange umstritten

Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Ersatzbemessungsgrundlage war seit Jahren aufgrund der häufig vom Marktwert der Immobilie erheblich abweichenden Ergebnisse dieser Bewertungsmethode umstritten. Selbiges Bewertungsverfahren wurde bereits für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer als nicht grundgesetzkonform eingestuft, woraufhin der Gesetzgeber tätig wurde und für diese Steuerart ein abweichendes Bewertungsverfahren eingeführt hat.

Die Möglichkeit, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) auch für Zwecke der Grunderwerbsteuer zu diesem Ergebnis kommen könnte, erschien daher als naheliegend. Vor einigen Jahren legte nun  der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 2. März 2011 (BFH, Vorlagebeschluss vom 02. März 2011 – II R 23/10 –, BFHE 232, 358, BStBl. II 2011, 932) die Frage der Verfassungsmäßigkeit für Zwecke der Grunderwerbsteuer dem BVerfG zur Entscheidung vor.

Die Finanzverwaltung hat daraufhin ihrerseits die Bescheide über die Feststellung der Ersatzbemessungsgrundlage hinsichtlich einer etwaigen Verfassungswidrigkeit der festgestellten Grundbesitzwerte mit einem entsprechenden Vorläufigkeitsvermerk versehen, welcher grundsätzlich zu einer Änderbarkeit des Bescheids in Abhängigkeit vom Ausgang des Verfahrens führt.  Aufgrund des Vorläufigkeitsvermerks oder auch aufgrund eines rechtzeitig eingelegten Rechtsbehelfs gegen den Bescheid über den gesondert festgestellten Grundbesitzwert konnte der Grunderwerbsteuerzahler die Hoffnung haben, im Falle einer Verfassungswidrigkeit der Norm zu profitieren und unter Umständen die bereits bezahlte Grunderwerbsteuer zurück zu erlangen.

Ersatzbemessungsgrundlage nicht mit Gleichheitssatz vereinbar

Das BVerfG hat am 23. Juni 2015 in der Sache entschieden und die Ersatzbemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 2 GrEStG) als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar eingestuft (Az.: 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11). Es hat ferner entschieden, dass die Norm für Besteuerungstatbestände, die nach dem 31. Dezember 2008 (!) verwirklicht werden, nicht mehr anwendbar ist.

Jedoch hat das BVerfG den Gesetzgeber dazu verpflichtet, die Regelung rückwirkend ab dem 1. Januar 2009 verfassungsgemäß auszugestalten. Hierfür hat der Gesetzgeber bis zum 30. Juni 2016 Zeit. Es ist demzufolge nicht mit einer Regelungslücke zu rechnen.

Grunderwerbsteuersteuerpflichtige Share Deals könnten teurer werden

Was folgt:

  • Die durch den Gesetzgeber neu zu schaffende Regelung wird sich näher am Marktwert der Immobilie orientieren müssen und damit regelmäßig zu höheren grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlagen führen, als dies bislang der Fall war. Es spricht vieles dafür, dass zukünftig die Bewertungsregeln, wie sie heute bereits für die Erbschaft- und Schenkungsteuer gelten, auch für die Grunderwerbsteuer für anwendbar erklärt werden.
  • Die optimistische Hoffnung an den Ausgang des Verfahrens war, dass das BVerfG die Norm rückwirkend als nicht anwendbar erklären könnte und es hierdurch zu einer Besteuerungslücke kommt. Diese Hoffnung hat sich aufgrund der Verpflichtung des Gesetzgebers zur rückwirkenden Gesetzesanpassung nicht erfüllt. Die Grunderwerbsteuerzahler werden also damit rechnen müssen, weiterhin zur Grunderwerbsteuer herangezogen zu werden bzw. herangezogen zu bleiben.
  • Für denjenigen Grunderwerbsteuerzahler, der heute noch keinen Bescheid für einen bereits verwirklichten Besteuerungstatbestand erhalten hat, dürfte es mit der zu erwartenden Neuregelung regelmäßig teurer werden. Selbstverständlich sind hiervon nur solche Fälle betroffen, welche auf Basis der Ersatzbemessungsgrundlage zu besteuern sind.
  • Für denjenigen Grunderwerbsteuerzahler, der ab dem 1. Januar 2009 einen entsprechenden grunderwerbsteuerpflichtigen Tatbestand verwirklicht und auf Basis der Ersatzbemessungsgrundlage Grunderwerbsteuer entrichtet hat, stellt sich die Frage, ob eine Änderung der Festsetzung zu seinen Lasten erfolgen kann. Dem sollte jedoch § 176 Abgabenordnung grundsätzlich entgegenstehen. Die Feststellung der Nichtigkeit eines Gesetzes bzw. einzelner Regelungen eines Gesetzes durch das BVerfG darf danach nicht bei Änderungen von Bescheiden zulasten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden. Im Rechtsbehelfsverfahren gelten insoweit allerdings Besonderheiten, die es ggf. zu berücksichtigen gilt.
  • Für denjenigen, der aktuell in grunderwerbsteuerrelevante Transaktionen involviert ist, die auf Basis der Ersatzbemessungsgrundlage besteuert werden, sollte eine Anpassung des Gesetzes und damit im Regelfall eine erhöhte Steuerbelastung einkalkuliert werden.

Für die weit überwiegende Mehrzahl der betroffenen (künftigen) Grundstückstransaktionen ist somit als Folge der BVerfG-Entscheidung zur Regelung der Ersatzbemessungsgrundlage vom 23. Juni 2015 mit einer höheren Bewertung und damit mit einer höheren Grunderwerbsteuerbelastung zu rechnen.

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