BMF veröffentlicht zweites Schreiben mit Verfahrensvereinfachungen für Fälle extraterritorialer Rechteüberlassung bzw. Rechteveräußerung mit Abkommensschutz.
Wiederholt reagiert das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Schreiben vom 11. Februar 2021 auf die derzeit unsichere Rechtspraxis zur Besteuerung von in inländischen Registern eingetragenen Rechten nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f) und Nr. 6 EStG.
Das Anwendungsschreiben sieht in allen noch offenen Fällen befristete Verfahrensvereinfachungen vor, und zwar dergestalt, dass
- in Fällen der extraterritorialen IP-Rechteüberlassung mit Abkommensschutz für bis zum 30. September 2021 zugeflossene Vergütungen keine Abgabe von Steueranmeldungen und kein Steuerabzug erforderlich sind sowie
- in Fällen der extraterritorialen IP-Rechteveräußerung mit Abkommensschutz sog. Null-Steuererklärungen (in Papierform) ohne Ermittlung der inländischen Einkünfte ausreichend sind.
Insoweit reagiert das BMF auf das jüngst initiierte Gesetzgebungsverfahren zum AbzStEntModG, das (anders als noch im Referentenentwurf vom 19. November 2020) keine ersatzlose Streichung der tatbestandlichen Anknüpfung an die inländische Registereintragung für inländische Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f) und Nr. 6 EStG mehr vorsieht. Es ergänzt das Schreiben vom 6. November 2020.
Aussagen des BMF in Fällen der extraterritorialen Rechteüberlassung
Das BMF positioniert sich zu den Fragen der Verpflichtung zur/m Steueranmeldung, -abführung und -abzug bei befristeter extraterritorialen Rechteüberlassung wie nachfolgend dargestellt.
Vereinfachtes Verfahren in Fällen mit „Abkommensschutz″ für Vergütungen bis zum 30. September 2021
Die Vereinfachung sieht vor, von dem gesetzlichen zweistufigen Verfahren abzusehen. Demgemäß soll die (derzeit noch normativ gebotene) erste Verfahrensstufe, auf der der Vergütungsschuldner den Steuerabzug für Rechnung des Vergütungsgläubigers vornimmt und dementsprechend Steuern an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) meldet und abführt und die zweite Verfahrensstufe, auf der der entlastungsberechtigte Vergütungsgläubiger die Erstattung abgeführter Steuern verlangen kann, durch ein einstufiges, vereinfachtes Verfahren ersetzt werden.
Diese Verfahrensvereinfachung ist dabei dem sog. Freistellungsbescheinigungs-Verfahren angenähert, soll aber hiervon abweichend zugleich Rückwirkung entfalten und sämtliche Vergütungen, die dem Vergütungsgläubiger bereits zugeflossen sind oder noch bis einschließlich 30. September 2021 zufließen, betreffen.
Um in den Anwendungsbereich des vereinfachten Verwaltungsverfahrens zu kommen, sind die folgenden Voraussetzungen kumulativ zu erfüllen:
„Materiell-rechtliche Voraussetzungen″: Bei Zufluss der Vergütung ist
- der Vergütungsschuldner nicht in Deutschland steuerlich ansässig (kein Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt, Geschäftsleitung oder Sitz) und
- der Vergütungsgläubiger (i) in einem Staat ansässig, mit dem Deutschland ein zu diesem Zeitpunkt anwendbares Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen hat, (ii) nach dem einschlägigen DBA abkommensberechtigt sowie unter Berücksichtigung von § 50d Abs. 1 Satz 11 und Abs. 3 EStG entlastungsberechtigt (wobei es bei steuerlich transparenten Personengesellschaften auf die Ansässigkeit sowie Abkommens- und Entlastungsberechtigung der Beteiligten ankommt).
„Formell-rechtliche Voraussetzungen″: Der Vergütungsgläubiger oder der von ihm bevollmächtigte Vergütungsschuldner muss
- beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) bis zum 31. Dezember 2021 einen Antrag auf Freistellung vom Steuerabzug analog § 50d Absatz 2 Satz 1 EStG stellen;
- die Vertragsverhältnisse in Bezug auf die Vergütung, für die ein Freistellungsantrag gestellt wird, gegenüber dem BZSt offenlegen;
- zusätzlich auch die in deutsche Sprache übersetzten wesentlichen Passagen (Rechteüberlassung, Rechteinhaberschaft und Zahlungsbestimmungen in Bezug auf die Vergütung) der maßgeblichen Vertragsverhältnisse vorlegen;
- bei Anträgen für Vergütungen, die bis zum 31. Dezember 2013 zugeflossen sind, eine Kopie des Antrags an die örtlich zuständige Finanzbehörde übersenden.
Vereinfachend wird in diesem Zusammenhang möglich sein, dass auch ein nicht-bevollmächtigter Vergütungsschuldner den entsprechenden Antrag stellt, allerdings nur, wenn das Vertragsverhältnis zum Vergütungsgläubiger nicht mehr besteht und er darlegen kann, dass der Vergütungsgläubiger daran gehindert ist, einen Antrag zu stellen oder dazu nicht bereit ist. Aus praktischer Sicht ist fraglich, ob sich diese gut gemeinte Erleichterung auch tatsächlich auswirkt. Zum einen ist auf dem Antragformular für die Freistellungsbescheinigung eine Bestätigung über die steuerliche Ansässigkeit des Vergütungsgläubigers von der für ihn zuständigen ausländischen Steuerbehörde erforderlich (§ 50d Abs. 4 EStG). Zum anderen ist bei erstmaliger Antragstellung die unmittelbare und mittelbare Gesellschafterstruktur des Vergütungsgläubigers offenzulegen. Daneben beinhaltet der Fragebogen zu § 50d Absatz 3 EStG weiterführende Angaben über die Wirtschaftstätigkeit des Vergütungsgläubigers und die vorhandene Substanz. Es mag bezweifelt werden, dass der Vergütungsgläubiger gewillt ist, diese Informationen ggü. dem Vergütungsschuldner Preis zu geben. Ferner kann eine Offenlegung ohne Einwilligung des Vergütungsgläubigers gegen eine vertragliche Geheimhaltungspflicht verstoßen.
Eine weitere Erleichterung wird sein, dass bei einem Vergütungsgläubiger mit stets gleichem Vergütungsschuldner aber mehreren Verträgen ein zusammengefasster Antrag gestellt werden kann.
Erschwerend hingegen wird bei konzerninternen Sachverhalten erforderlich sein, dass Vereinbarungen in Bezug auf weitere, dieses Recht betreffende, Überlassungen an nahestehende Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 Außensteuergesetz (AStG) ebenfalls dem BZSt offengelegt werden müssen. Diese Regelung kann sich nach dem Wortlaut sowohl auf parallele Lizenzvereinbarungen desselben Lizenzgebers mit anderen Konzerngesellschaften als auch Unterlizenzierungen durch den Lizenznehmers beziehen. Eine Rechtfertigung für die – im Vergleich zu Vertragsbeziehungen mit Dritten – erhöhten Anforderungen gibt das BMF nicht.
Die noch in der Entwurfsfassung vorgesehene Möglichkeit zum Nachreichen der Unterlagen bis zum 31. Dezember 2021 ist in dem finalen BMF-Schreiben nicht mehr vorgesehen. Ob ein erst nachträgliches Einreichen von Unterlagen daher zur Ablehnung (aufgrund des dem BZSt eingeräumten Ermessensspielraums) des o.g. Antrags auf Freistellung führen kann, bleibt unklar.
Kein vereinfachtes Verfahren in Fällen mit „Zweifeln″
Das eben genannte vereinfachte Verwaltungsverfahren soll in Fällen der extraterritorialen IP-Rechteüberlassung jedoch nicht möglich sein, wenn die DBA-Berechtigung des Vergütungsgläubigers oder die Entlastungsberechtigung nach dem DBA oder nach § 50d EStG „zweifelhaft″ ist, bspw. weil
- die Voraussetzungen einer abkommensrechtlichen Bestimmung zur Beschränkung von Abkommensvergünstigungen erfüllt sind; oder
- sonstige Zweifel an der Berechtigung bestehen, Abkommensvorteile in Anspruch zu nehmen, was insbesondere bei Anhaltspunkten für hybride oder doppelt ansässige Gesellschaften oder für sonstige Qualifikationskonflikten der Fall sein soll.
Pflicht zur/zum Steueranmeldungen -abführung und -abzug bei Ablehnung des Antrags bzw. für nach dem 30. September 2021 zugeflossene Vergütungen
Für den Fall, dass der (o.g.) Antrag auf Freistellung abgelehnt wird, hat der Vergütungsschuldner innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe des ablehnenden Verwaltungsakts Steueranmeldungen für die entsprechenden Vergütungen beim BZSt (bzw. für Vergütungen, die bis zum 31. Dezember 2013 zugeflossen sind, bei der örtlichen Finanzbehörde) einzureichen und die entsprechenden Steuerabzugsbeträge abzuführen. Dies gilt auch dann, wenn gegen Ablehnung des Antrags Einspruch eingelegt wurde. Im Hinblick auf diese äußerst kurze Frist empfiehlt sich bei etwaigen Zweifeln bereits im Vorfeld eine entsprechende Aufbereitung der Datenlage.
Im Übrigen bleibt es für Vergütungen, die dem Vergütungsgläubiger nach dem 30. September 2021 zufließen, bei der bisherigen Pflicht zur/zum Steueranmeldung, -abführung und -abzug.
Ermittlung der Bemessungsgrundlage: Top-Down-Ansatz als sachgerechter Aufteilungsmaßstab
Das BMF-Schreiben enthält gleichfalls Ausführungen zu der bislang streitigen Rechtsfrage der Ermittlung der Bemessungsgrundlage:
- Sofern möglich, ist die Vergütung anhand der jeweiligen vertraglichen Bestimmungen zu ermitteln. So etwa bei einer vertraglich vereinbarten umsatzbasierten Lizenzvergütung, wenn die überlassenen Rechte gleichermaßen im Inland und Ausland registriert sind und der vereinbarte Lizenzsatz auf den auf Deutschland entfallenden Umsatzanteil angewandt werden kann. In der Praxis wird eine derartige klare Zuordnung jedoch der Ausnahmefall sein.
- In den praxisrelevanten übrigen Fällen, in denen die Lizenzvereinbarung eine konkrete Bezifferung des Vergütungsanteils für die im Inland registrierten Rechte nicht zulässt, bspw. bei Lizenzbündeln mit einer Vielzahl von registrierten und nicht-registrierten Rechten und unterschiedlicher Nutzung in mehreren Staaten, ist die gezahlte Vergütung sachgerecht aufzuteilen. Hier erachtete das BMF die tatsächlich geleistete Gesamtvergütung als Ausgangspunkt für eine sachgerechte Aufteilung nach dem Veranlassungsprinzip (sog. Top-Down-Ansatz ähnlich den revenue based sourcing rules von Pillar One). Maßgeblich ist demgemäß, wie hoch die gesamten Einnahmen des Vergütungsgläubigers sind, die er durch die Überlassung der im Inland registrierten Rechte erzielt hat. Folgerichtig erkennt das BMF den rein kostenbasierten Bewertungsansatz (ggf. zzgl. Gewinnaufschlag) sowie Bottom-Up-Ansätze mit einem (fiktiven) Prozentsatz vom Umsatz oder Gewinn nicht als sachgerechten Aufteilungsmaßstab an.
Auch weist das BMF in seinem Schreiben auf die Schätzungsmöglichkeit bei unzureichender Mitwirkung des Vergütungsgläubigers bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage hin. Schätzungsgrundlage soll ein sog. Einnahme basierter Ansatz sein (vergleichbar den britischen Aufteilungsregelungen für sog. Offshore Receipts in respect of Intangible Property – ORIP), wonach die in Deutschland erzielten Umsätze zu den Umsätzen in den Gebieten (Territorien) ins Verhältnis gesetzt werden, die von der (ggf. weltweiten) Rechteüberlassung umfasst sind.
Aussagen des BMF in Fällen der extraterritorialen Rechteveräußerung
Hinsichtlich der Besteuerung extraterritorialer Rechteveräußerungen stellt das BMF zunächst nochmals klar, dass (i) die Veräußerung von Rechten, die in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind, zur beschränkten Steuerpflicht in Deutschland führen und (ii) demgemäß Steuererklärungspflichten, unabhängig davon, ob Deutschland aufgrund von DBA das Besteuerungsrecht zugewiesen wird oder nicht, resultieren.
Verfahrenserleichternd kann der beschränkt Steuerpflichtige jedoch eine Steuererklärung mit Null Euro in Papierform (es sei denn er wird ausdrücklich zur Datenfernübertragung aufgefordert) und ohne Ermittlung der erzielten steuerbaren deutschen Einkünfte aus der Veräußerung bei der örtlich zuständigen Finanzbehörde einreichen. Diese Vereinfachung greift jedoch nur unter den nachfolgenden Voraussetzungen:
- der beschränkt Steuerpflichtige ist (i) in einem Staat ansässig ist, mit dem Deutschland ein für den Veranlagungszeitraum, in dem die Einkünfte aus der Veräußerung zu erfassen sind, anwendbares DBA abgeschlossen hat, und (ii) nach diesem DBA abkommensberechtigt;
- dem beschränkt Steuerpflichtigen sind die Einkünfte nach den Vorschriften des DBA zuzurechnen und das DBA weist dem Ansässigkeitsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht für diese Einkünfte zu;
- Offenlegung der Veräußerungsvorgänge, nebst entsprechenden Unterlagen, ggü. der örtlich zuständigen Finanzbehörde (zusätzlich auch die in deutscher Sprache übersetzten wesentlichen Passagen (s.o.).
Wie geht es weiter bei der extraterritorialen IP-Besteuerung?
Die in dem BMF-Schreiben vom 11. Februar 2021 adressierten Verwaltungsvereinfachungen sind zwar ein wichtiger Schritt, um unnötigen weiteren Verwaltungsaufwand auf Seiten der Steuerpflichtigen (bzw. deren Berater) und der Finanzbehörden zu vermeiden und daher grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings stellt man sich weiterhin die berechtigte Frage, ob in der bloßen Anknüpfung der Besteuerung an inländische Register i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f) und Nr. 6 EStG überhaupt ein hinreichend besteuerungswürdiger inländischer Nexus gesehen werden kann. Dies scheint zumindest mit Blick auf einen (sachlich zu fordernden) substanziellen Inlandsbezug z.B. im Sinne einer inländischen Nutzung, zweifelhaft.
Lösungsorientiert wäre auch gewesen, die praktischen Erfahrungen anderer Länder aufzugreifen und bspw. eine unbefristete pauschale Ausnahmeregelung für in bestimmten DBA-Staaten ansässige Körperschaften, wie sie derzeit etwa in Großbritannien im Zusammenhang mit ORIP diskutiert wird, vorzusehen. Hinsichtlich drohender etwaiger steuerlicher Nebenleistungen aufgrund nicht bzw. verspätet abgegebener Steuererklärungen/-anmeldungen wären zudem weitere Erleichterungen des BMF hilfreich gewesen. Im Übrigen ist zu bemängeln, dass nur eine gesetzliche Regelung zu Rechtssicherheit führen kann, hingegen keine Verwaltungsvorschrift contra legem mit Ermessensausübung des BZSt.
Rechtzeitige Antragstellung empfohlen
Bei fehlender Freistellungsbescheinigung empfiehlt sich eine rechtzeitige Antragsstellung nicht nur für zurückliegende Zeiträume mit Verfahrenserleichterungen, sondern speziell auch für Zeiträume ab dem 1. Oktober 2021 ohne Verfahrenserleichterungen. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der geplanten Neuerungen durch das AbzStEntModG zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Freistellungsbescheinigung, da diese künftig nicht mehr rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Antragstellung, sondern nur noch ab dem Zeitpunkt der Erteilung Wirkung entfalten soll. Insoweit sollten auch etwaige längere Bearbeitungszeiten des BZSt aufgrund der zu erwarteten Flut von Anträgen eingeplant werden.
Daneben sollten ausländische Lizenznehmer und -geber bei der befristeten Überlassung von in Deutschland registrierten Rechten – nicht nur in Konzernsachverhalten – bei der künftigen Vertragsgestaltung entsprechende Regelungen vorsehen und bestehende Vereinbarungen soweit erforderlich anpassen.