24. Januar 2017
Vorratsdatenspeicherung EuGH
Datenschutzrecht

Erneute Absage des EuGH gegenüber der Vorratsdatenspeicherung

Der EuGH stärkt durch ein weiteres Urteil zur Vorratsdatenspeicherung Datenschutzrechte von EU-Bürgern.

Der EuGH hat sich am 21. Dezember 2016 (C 203/15 und C‑698/15) erneut mit den Anforderungen an die Zulässigkeit einer Vorratsdatenspeicherung, also der systematischen und anlasslosen Speicherung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen, befasst und dieser enge Grenzen gesetzt.

Mit seinem Urteil stellt der EuGH nationale Gesetzgeber erneut vor die Herausforderung, die Anforderungen an Regelungen über eine Vorratsdatenspeicherung europarechtskonform umzusetzen. Der EuGH führt hierzu aus, dass Mitgliedstaaten Anbieter elektronischer Kommunikationsdienstleistungen nicht allgemein zu einer Vorratsdatenspeicherung verpflichten dürften.

Neues Urteil – neue Anforderungen an Vorratsdatenspeicherung

Bereits am 8. April 2014 hatte der EuGH (Az. C-293/12 und C-594/12) die ePrivacy-Richtlinie 2006/24/EG, die eine allgemeine Verpflichtung zur Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten vorsah, für rechtswidrig erklärt. Die Richter nahmen insbesondere Verstöße gegen die Rechte auf Achtung des Privatlebens sowie das Recht auf Schutz personenbezogener Daten (Art. 7 und 8 der EU-Grundrechtecharta) an.

Zunächst stellt der EuGH in dem neuen Urteil fest, dass nationale Regelungen betreffend eine Vorratsdatenspeicherung in den Anwendungsbereich der ePrivacy-Richtlinie 2006/24/EG fallen.

Weiterhin setzt der EuGH den Anforderungen an eine Vorratsdatenspeicherung durch das neue Urteil enge Grenzen. Denn nach Auffassung des EuGH verbiete das Unionsrecht eine „allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung“ von Verkehrs- und Standortdaten.

Den Mitgliedstaaten sei es jedoch möglich, eine gezielte Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten zum Zweck der Bekämpfung schwerer Straftaten vorzusehen. Vorausgesetzt werde, dass eine solche Speicherung hinsichtlich der Kategorien der zu speichernden Daten, der erfassten Kommunikationsmittel, der betroffenen Personen und der vorgesehenen Dauer der Speicherung auf das absolut Notwendige beschränkt sei.

Darüber hinaus entschied der EuGH, dass der Zugang nationaler Behörden zu den im Rahmen einer Vorratsdatenspeicherung gespeicherten Daten durch weitere Voraussetzungen beschränkt werden müsse. Hierzu sei vor allem eine vorherige Kontrolle z.B. durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle erforderlich. Ferner müsste das Gesetz vorsehen, dass diese Daten auf dem Gebiet der EU zu speichern sind.

Die Zukunft der deutschen Vorratsdatenspeicherung

Vorrangig werden zunächst die beiden vorlegenden Gerichte aus Großbritannien und Schweden ihren Entscheidungen die Vorgaben des EuGH zugrunde legen. Daneben sind jedoch auch die jeweiligen Gesetzgeber gehalten, entsprechende Änderungen ihrer Regelungen zu erarbeiten.

Zwar bezieht sich das Urteil des EuGH direkt nur auf die britischen bzw. schwedischen Regelungen. Angesichts seiner allgemeinen Ausführungen an die Anforderungen einer Vorratsdatenspeicherung ist das Urteil des EuGH jedoch auch von den übrigen Mitgliedstaaten von Bedeutung. So begrüßen auch deutsche Datenschützer wie Peter Schaar die neue Entscheidung des EuGH als Stärkung der Datenschutzrechte.

In Deutschland ist die Vorratsdatenspeicherung erst vor Kurzem im Jahre 2015 wieder eingeführt worden, nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 2. März 2010 die vorherigen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung in ihrer konkreten Ausgestaltung insbesondere wegen Verletzung des Telekommunikationsgeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG) für verfassungswidrig erklärt hatte (1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08).

Die Zukunft der im Vorfeld ohnehin umstrittenen deutschen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung (vgl. hierzu etwa bereits unsere Blogbeiträge aus März bzw. April 2015) ist im Lichte der jüngsten EuGH-Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung unklar.

Das neue Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung ist zwar infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus 2010 bereits in vielfacher Hinsicht moderater als die von ihm als verfassungswidrig aufgehobenen Regelungen. Gleichwohl knüpft auch die neue Version die Speicherung nicht an die Zwecke der Verbrechensbekämpfung bzw. an eine besondere Gefährdungslage an wie von dem EuGH nunmehr gefordert, sondern regelt eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung. Im Streitfalle müsste das Bundesverfassungsgericht damit erneut über die Verfassungsmäßigkeit eines deutschen Gesetzes über eine Vorratsdatenspeicherung entscheiden.

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