Als Dashcam bezeichnet man eine Videokamera, die an der Windschutzscheibe eines Fahrzeugs oder an dessen Armaturenbrett (engl.: dash board) befestigt und zur Dokumentation von Verkehrsvorgängen genutzt wird. Es war bislang ungeklärt, ob die Verwendung von Dashcams rechtlich zulässig ist. Nun liegen erstmals aktuelle Gerichtsentscheidungen hierzu vor.
Aktuelle Entscheidungen zur Verwendung von Dashcams in Deutschland
Vergangene Woche entschied das VG Ansbach (Az.: AN 4 K 13.01634) als erstes deutsches Gericht über die Zulässigkeit der Verwendung von sogenannten Dashcams. Einen Tag später erließ das AG München (Beschluss vom 13. August 2014, Az. 345 C 5551/14) einen Hinweisbeschluss zur Frage der zivilprozessualen Verwertbarkeit von mittels einer Dashcam erstellten Fotoaufnahmen.
Im Fall des VG Ansbach hatte sich der Kläger, ein Rechtsanwalt, gegen einen Bescheid des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht gewandt. Mit diesem wurde ihm untersagt, mit seiner Dashcam im von ihm befahrenen öffentlichen Raum dauerhaft Videoaufnahmen anzufertigen.
Im Fall des AG München wollte ein Unfallbeteiligter mit den Aufzeichnungen seiner Dashcam beweisen, dass er entgegen des ersten Anscheins keine Schuld an dem Unfall hatte.
Rechtlicher Rahmen
Gemäß § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG als maßgebliche datenschutzrechtliche Norm für die Beurteilung der Zulässigkeit der Verwendung von Dashcams in Deutschland ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) nur in engen Grenzen zulässig: Sie muss zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich sein. Zudem dürfen keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Daneben ist das Recht der Abgebildeten am eigenen Bild aus § 22 KUG betroffen.
Dauerhafter Einsatz einer Dashcam in Deutschland unzulässig: Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird verletzt
Die Entscheidungen des VG Ansbach und des AG München stärken das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Beide Gerichte halten Dashcams in Deutschland für rechtlich unzulässig und beurteilen deren dauerhaften Einsatz als Verstoß gegen § 6b BDSG.
Die Abwägung zwischen den Interessen an der Herstellung der Aufzeichnungen zu Beweiszwecken und den Interessen der Personen, die ohne ihr Wissen gefilmt werden, falle zugunsten der abgebildeten Personen aus. Die Aufnahmen stellten einen erheblichen Eingriff in deren Persönlichkeitsrecht und ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar.
Das AG München betont dabei die mit dem Einsatz von Dashcams einhergehenden Missbrauchsgefahren. Die Billigung von Dashcams ermögliche die privat organisierte, dauerhafte und flächendeckende Überwachung sämtlicher Personen, die am öffentlichen Verkehr teilnehmen. Dies könne nicht gewollt sein.
Zudem verweist das Gericht auf die parallele Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unzulässigkeit der Installation einer Überwachungskamera im Bereich des Zugangs zu einem Wohnhaus sowie auf die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zur Videoüberwachung am Arbeitsplatz.
Das AG München bejaht zusätzlich einen Verstoß gegen § 22 KUG. Hiernach dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.
Eine Ausnahme besteht nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG für Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen. Das AG München verneint dies jedoch in Bezug auf die gefilmten Unfallbeteiligten, da es dem Verwender der Dashcam gerade darauf ankomme, den gegnerischen Fahrzeugführer im Hinblick auf die Geltendmachung von Ansprüchen aus § 18 StVG und § 823 BGB zu identifizieren.
Im Hinblick auf die Anfertigung von Bildnissen Unbeteiligter verweist das Gericht auf § 23 Abs. 2 KUG, wonach die Befugnis sich nicht auf eine Verbreitung erstreckt, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Dies sei bei der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Abgebildeten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG aber der Fall.
Bewertung
Vor dem Hintergrund des potentiellen allgemeinen Überwachungsdrucks ist den Entscheidungen zuzustimmen. Die dauerhafte anlasslose Videoaufzeichnung stellt eine erhebliche Beeinträchtigung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen dar.
Dies gilt unabhängig davon, ob mit der Weitergabe der Videodateien auch eine Verbreitung im Sinne des § 22 KUG verbunden ist. Insofern gehen die Gerichte zu Recht davon aus, dass auch die bloße Herstellung eines Bildnisses ohne Veröffentlichungsabsicht den Grundsätzen der §§ 22, 23 KUG unterfällt. Denn die Anfertigung von Bildnissen einer Person ist grundsätzlich nur in dem Umfang zulässig, in dem auch die Verbreitung der hergestellten Aufnahme zulässig wäre.
Vorstellbar erscheint jedenfalls, dass einzelfallabhängig Dashcam-Aufnahmen in einem Gerichtsverfahren als Beweismittel zugelassen werden, etwa bei einem besonders schweren Verkehrsunfall.
Uneinheitliche europäische Rechtslage
Im europäischen Ausland ist die Rechtslage mangels konkreter gesetzlicher Regelungen zur Verwendung von Dashcams uneinheitlich. Während deren Verwendung in Staaten wie den Niederlanden, Großbritannien und Italien erlaubt ist, besteht in Österreich ein bußgeldbewährtes Verbot. Wegen erheblicher datenschutzrechtlicher Bedenken raten Automobilklubs in Ländern wie Belgien, Luxemburg, Portugal, Schweden und der Schweiz von der Verwendung von Dashcams ab.
Auch in Deutschland ist damit zu rechnen, dass sich die Gerichte noch häufiger mit der Thematik beschäftigen werden.
Mitarbeit: Christian Rabe.