7. März 2023
TMC – Technology, Media & Communications

DSA: Kommission bestimmt Verfahren für Aufsichtsgebühren

Sehr große Online-Plattformen müssen nach dem DSA Aufsichtsgebühren zahlen. Eine delegierte Verordnung klärt nun die Berechnung und das Verfahren.

Das Ende 2022 in Kraft getretene „Gesetz über digitale Dienste“ (englisch: Digital Services Act – DSA) schreibt vor, dass sehr große Online-Plattformen mit mehr als 45 Mio. aktiven Nutzern* in der EU (sog. SGOP) jährlich eine Aufsichtsgebühr an die Kommission zahlen müssen (Art. 43 DSA). Durch diese Gebühr sollen die Kosten der Kommission gedeckt werden, die im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Aufsichtspflichten nach dem DSA entstehen. Die SGOP tragen mit der Gebühr somit dazu bei, dass bei der Kommission hinreichend Ressourcen für ihre eigene Beaufsichtigung zur Verfügung stehen.

Nach öffentlicher Konsultation und Befragung der Expertengruppe für digitale Dienste veröffentlichte die Kommission am 2. März 2023 einen Vorschlag für eine delegierte Verordnung, die sich mit der Berechnung und dem Verfahren zur Festlegung der Aufsichtsgebühren befasst (hier abrufbar). Das Europäische Parlament und der Rat der EU haben jetzt drei Monate Zeit, um den Vorschlag zu prüfen (der Prüfungszeitraum kann sich auf bis zu sechs Monate verlängern). Im Anschluss wird die delegierte Verordnung im Amtsblatt der EU veröffentlicht und tritt zwanzig Tage später in Kraft. Die delegierte Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat (Art. 10 del. VO).

Aufsichtsgebühr soll geschätzte Kosten der Kommission decken

Nach dem Willen des EU-Gesetzgebers soll der Gesamtbetrag aller jährlich erhobenen Aufsichtsgebühren die geschätzten Kosten decken, die der Kommission im Zusammenhang mit folgenden Aufgaben entstehen (Art. 43 Abs. 2 DSA):

  • Benennung von SGOP nach Art. 33 DSA;
  • Einrichtung, Pflege und Betrieb der öffentlichen Datenbank für Entscheidungen aus Notice-and-Action-Verfahren nach Art. 17 DSA;
  • Einrichtung, Pflege und Betrieb des Informationsaustauschsystems nach Art. 85 DSA, das eine verlässliche Kommunikation zwischen den Koordinatoren für digitale Dienste der Kommission und dem Europäischen Gremium für digitale Dienste ermöglich soll;
  • „Befassungen“ der Kommission bei grenzüberschreitenden Durchsetzungsverfahren, Art. 59 DSA;
  • Unterstützung des Europäischen Gremiums für digitale Dienste, Art. 62 DSA;
  • sonstige Aufsichtsaufgaben in Bezug auf SGOP nach Art. 56 und Kap. IV Abschnitt 4 DSA.

Grundsätze für die Berechnung der Aufsichtsgebühr werden vom DSA vorgegeben

Die Höhe der Aufsichtsgebühr wird von der Kommission durch sog. „Durchführungsrechtsakte“ für jede SGOP jährlich festgelegt. Der Durchführungsrechtsakt und die delegierte Verordnung müssen dabei folgenden Grundsätzen entsprechen (Art. 43 Abs. 5 DSA):

  • Bei der Schätzung des Gesamtbetrags der jährlichen Aufsichtsgebühren werden die im Vorjahr angefallenen Kosten berücksichtigt.
  • Die jährliche Aufsichtsgebühr steht im Verhältnis zur durchschnittlichen monatlichen Zahl der aktiven Nutzer in der EU jeder SGOP.
  • Die jährliche Aufsichtsgebühr, die einem bestimmten SGOP-Anbieter in Rechnung gestellt wird, darf in keinem Fall 0,05 % seiner weltweiten Jahresnettoeinnahmen / seines Gewinns (die Begriffe werden in der del. VO alternativ verwendet, gemeint sind Gesamteinnahmen abzüglich Kosten, siehe Erwägungsgrund 7 del. VO) im vorangegangenen Geschäftsjahr übersteigen (sog. Gesamtgrenzwert).

Auf Basis dieser Grundsätze hat die Kommission jetzt eine delegierte Verordnung veröffentlicht, in der eine „detaillierte Methodik“ und ein Verfahren für folgende Punkte geregelt festgelegt werden:

  • Bestimmung der bei der Kommission voraussichtlich anfallenden Kosten;
  • Bestimmung der einzelnen jährlichen Aufsichtsgebühren für SGOP;
  • Bestimmung des maxi. Gesamtgrenzwerts i.H.v. 0,05 % der weltweiten Jahresnettoeinnahmen;
  • die für die Durchführung der Zahlung erforderlichen Einzelheiten.

Gesamtkostenschätzung der Kommission muss bis zum 30. Juni veröffentlicht werden

Die jetzt veröffentlichte delegierte Verordnung enthält insgesamt zehn Artikel, darunter Regelungen zur Schätzung der Gesamtkosten (Art. 2, 5), zur Festlegung der jährlichen Kosten pro SGOP (Art. 3, 4, 5), zum jährlichen Verfahren für die Bestimmung der einzelnen Gebühren (Art. 6), zu Zahlungsmodalitäten und finanziellen Folgen bei Nichtzahlung (Art. 7) sowie zur Meldung tatsächlich bei der Kommission entstandener Kosten (Art. 8).

Zunächst muss die Kommission die im jeweils folgenden Kalenderjahr anfallenden Gesamtkosten für die Wahrnehmung ihrer Aufsichtsaufgaben im Rahmen des DSA schätzen. Dabei werden insbesondere die erforderlichen personellen Ressourcen und alle sonstigen „administrativen und operativen Ausgaben“ berücksichtigt (Art. 2 Abs. 2 del. VO). Zudem müssen der Gesamtbetrag des Vorjahres und etwaige Defizite oder Überschüsse der geschätzten Kosten in die Schätzung für das Folgejahr einfließen (Art. 2 Abs. 3, 8 Abs. 4). Ihre Schätzung muss die Kommission dann spätestens bis zum 30. Juni eines Kalenderjahres für das jeweils nachfolgende Jahr auf ihrer Website veröffentlichen (Art. 6 Abs. 2).

Die erste Kostenschätzung muss somit bis zum 30. Juni 2023 veröffentlicht werden. Dabei sind die bereits angefallenen und für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2023 geplanten Koten zu berücksichtigen (Art. 9 Abs. 1 del. VO).

Für Grundbetrag der Aufsichtsgebühr ist Nutzerzahl der SGOP ausschlaggebend

Die Aufsichtsgebühr wird für jeden Dienst festgelegt, der entweder zu Beginn des Jahres bereits als SGOP benannt ist oder bei dem die Benennung im Laufe des Jahres erfolgen wird (Art. 3 del. VO). Für diese Dienste wird dann mit einer – relativ komplizierten – Rechenformel ein sog. Grundbetrag ermittelt, der die Basis für die Aufsichtsgebühr darstellt. Die Rechenformel berücksichtigt den Anteil des Dienstes an den Gesamtkosten der Kommission auf Grundlage seiner Nutzerzahlen. Die Höhe des Grundbetrags bestimmt sich also maßgebend durch die Nutzerzahl der Online-Plattform und ihren daraus berechneten Anteil an den Gesamtkosten der Kommission. Die Rechenformel lautet wie folgt (Art. 4 Abs. 1 del. VO:

Grundbetrag in Jahr n für benannten Dienst x =

Der Koeffizient „U“ steht für einen Wert, der der durchschnittlichen monatlichen Zahl der aktiven Nutzer in Millionen Einheiten entspricht (auf die nächsten Hunderttausend abgerundet, Art. 4 Abs. 2 del. VO). Der Koeffizient „T“ entspricht dem Verhältnis zwischen der Anzahl der Tage, an denen der Dienst im relevanten Jahr benannt ist und der Gesamtzahl der Tage im relevanten Jahr (Art. 4 Abs. 3 del. VO).

Aufsichtsgebühr darf Gesamtgrenzwert nicht übersteigen

Korrigiert wird der Grundbetrag einer SGOP insbesondere dann, wenn er den Gesamtgrenzwert von 0,05% der weltweiten Jahresnettoeinnahmen im vorangegangenen Geschäftsjahr überschreitet. In diesem Fall wird die Aufsichtsgebühr auf den Gesamtgrenzwert der SGOP reduziert (Art. 5 Abs. 4 del. VO).

Das infolge der Korrektur von Grundbeträgen zusätzlich zu den geschätzten Gesamtkosten der Kommission entstehende Delta wird von den verbleibenden SGOP-Anbietern aufgefangen, bei denen der Grundbetrag den Gesamtgrenzwert nicht überschreitet. Dies erfolgt wiederum anhand einer Rechenformel unter verhältnismäßiger Berücksichtigung der Nutzerzahlen (Art. 5 Abs. 5 del. VO).

Um den relativen Anteil an den Gesamtkosten für den Grundbetrag ermitteln zu können und ggf. eine Korrektur auf Grundlage des Gesamtgrenzwertes vorzunehmen, müssen alle SGOP bis zum 31. August jedes Jahres ihre Jahresabschlüsse bei der Kommission vorlegen (Art. 5 Abs. 3 del. VO).

Nichtzahlung führt zu Einziehungsverfahren und Verzugszinsen

Bis zum 30. November erlässt die Kommission schließlich die Durchführungsbeschlüsse, in denen die Aufsichtsgebühren für die jeweiligen SGOP für das nachfolgende Jahr und eine Zahlungsfrist bis zum 31. Dezember festgelegt werden. Wird die Zahlung nicht fristgemäß geleistet, so wird ein „Einziehungsverfahren“ gestartet und es werden Verzugszinsen in Höhe des „Refinanzierungszinssatz der Europäischen Zentralbank zuzüglich 3,5%“ erhoben (Art. 7 Abs. 2, Erwägungsgrund 10 del. VO).

Kommission muss bis 31. März Bericht veröffentlichen

Um ihrer Rechenschaftspflicht gerecht zu werden und Kostentransparenz herzustellen, muss die Kommission jährlich darüber Bericht erstatten, welche Kosten im Rahmen der Wahrnehmung der Aufsichtsaufgaben nach dem DSA tatsächlich angefallen sind und wie hoch ihre Einnahmen durch Aufsichtsgebühren waren (Art. 8, Erwägungsgrund 11 del. VO, Art. 43 Abs. 7 DSA). Dieser Bericht muss bis zum 31. März für das jeweils vorangegangene Jahr vorliegen und sowohl dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat vorgelegt als auch auf der Website der Kommission veröffentlicht werden. Erstmals wird der Bericht zum 31. März 2024 erscheinen und den Zeitraum vom 16. November 2022 bis zum 31. Dezember 2023 abdecken (Art. 9 Abs. 2 del. VO).

Von der delegierten Verordnung nicht in den Blick genommen wird die Frage, ob SGOP-Anbieter einen Rückzahlungs- oder Verrechnungsanspruch haben, wenn die von der Kommission im Vorjahr geschätzten Gesamtkosten über den nachträglich festgestellten tatsächlichen Gesamtkosten lagen.

SGOP-Anbieter haben Planungssicherheit

Mit der Veröffentlichung der delegierten Verordnung hat die Kommission Planungssicherheit für betroffene Unternehmen geschaffen. Insbesondere drei Termine sollten rot im Kalender markiert werden:

  • 31. August: Übersendung Jahresabschluss an die Kommission
  • 30. November: Mitteilung Aufsichtsgebühr für das nachfolgende Jahr
  • 31. Dezember: Zahlungsfrist für die Aufsichtsgebühr

Mit wesentlichen Veränderungen der delegierten Verordnung ist trotz der dreimonatigen Prüfzeit für Parlament und Rat nicht zu rechnen. Dabei wäre die Aufnahme einer klarstellenden Regelung zu begrüßen, wonach SGOP-Anbieter einen Rückzahlungs- oder Verrechnungsanspruch für zu viel gezahlte Aufsichtsgebühren haben. Gerade in den ersten Bestandsjahren des DSA ist dieser Fall nicht unrealistisch, da für die Gesamtkostenschätzung der Kommission noch keine ausreichende Datengrundlage existiert.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Aufsichtsgebühren Digital Service Act DSA