Die Werbung mit einer Fünf-Sterne-Bewertung ist irreführend, wenn bislang für das beworbene Produkt gar keine Kundenbewertung abgegeben wurde.
Sterne-Bewertungssysteme erfreuen sich im E-Commerce großer Beliebtheit. Für die Kaufentscheidung von Verbrauchern* kommt ihnen oftmals eine hohe Bedeutung zu. Sie bündeln Kundenbewertungen prägnant und ermöglichen Interessenten so eine wichtige Ersteinschätzung.
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Verbraucherschutzverbände dem Thema viel Aufmerksamkeit widmen. Auch Rechtsstreitigkeiten sind keine Seltenheit – wie auch jetzt wieder vor dem Landgericht Berlin (Urteil v. 24. September 2021 – 16 O 139/21). Beklagte war dieses Mal ein in Berlin ansässiges Unternehmen, das über seine Webseite Fahrräder und Fahrradzubehör anbietet.
„Fünf Sterne“ neben Modellbezeichnung ohne eine einzige Kundenbewertung
Die Beklagte bot auf ihrer Webseite verschiedene Artikel zunächst auf einer Übersichtsseite jeweils mit Bild, Produktbezeichnung und Preis an. Zudem befand sich auf dieser Seite für viele Produkte eine Sternebewertung, bei der alle fünf von fünf möglichen Sternen gelb ausgefüllt waren. Nach Anklicken eines Angebots gelangte man auf die jeweilige Produktseite, auf der wiederum fünf Sterne abgebildet waren, jedoch mit dem Zusatz „(0)“. Zudem befand sich weiter unten auf der Produktseite eine Rubrik zu Kundenbewertungen mit der Information „Leider ist noch kein Eintrag vorhanden“.
Der Vorwurf des klagenden Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) lautete, dass auf der Übersichtsseite eine Sternebewertung angezeigt wird, obwohl noch gar keine Kundenrezension abgegeben wurde. In dieser Gestaltung sah der vzbv eine wettbewerbswidrige Irreführung der Kunden, die Auswirkung auf die Kaufentscheidung haben kann.
Wettbewerbsrecht regelt Bewertungspraxis
Verwenden Unternehmen Sternebewertungen zu Werbezwecken, sind dabei insbesondere die Anforderungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zu beachten. Gemäß § 5 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Eine geschäftliche Handlung ist unter anderem dann irreführend, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaften und Güte einzelner Produkte beinhaltet. Ausnahmsweise kann eine potenzielle Irreführung auch zulässig sein. Namentlich dann, wenn das angesprochene Publikum – etwa durch einen Sternchenhinweis – so aufgeklärt wird, dass eine Irreführung erst gar nicht eintreten kann.
Der Begriff der „geschäftlichen Entscheidung“ wird zudem sehr weit ausgelegt. Erfasst sind sämtliche Handlungen, die mit der Entscheidung über den Erwerb eines Produkts unmittelbar zusammenhängen (EuGH, Urteil v. 19. Dezember 2013 – C 281/12). Darunter fällt nach der Ansicht höchster Gerichte beispielsweise schon das Betreten eines Geschäfts oder auch der Aufruf eines Verkaufsportals im Internet (siehe BGH, Urteil v. 14. September 2017 – I ZR 231/14).
LG Berlin: Kaufinteressenten über das Vorliegen von Kundenbewertungen getäuscht
Das Berliner Landgericht hielt zunächst fest, dass der Gebrauch von Sternen zu Bewertungszwecken – analog zu der bekannten Hotelkategorisierung – im Internet üblich sei und vom Publikum auch so verstanden werde. Die Darstellung von Sternen bei Fehlen von tatsächlich erfolgten Kundenbewertungen stelle zudem eine relevante Täuschung dar:
Tatsächlich wird der Interessent, der die Übersichtsseite aufruft, in seiner Erwartung enttäuscht, wenn überhaupt keine Kundenrezensionen vorliegen.
Auch nachdem der Interessent von der Übersichts- auf die Produktseite gelangt ist, werde der Irrtum nicht aufgeklärt. Es wäre ein klarer, unmissverständlicher Hinweis nötig gewesen, den die Berliner Richter weder in dem Zusatz „(0)“noch in dem Hinweis „Leider ist noch kein Eintrag vorhanden“ gegeben sahen. Dies liege auch an der unscheinbaren Ausgestaltung der Hinweise:
Die hinter den Sternen angeordnete Zahl ist so klein gehalten, dass die Gefahr des Übersehenwerdens auf der Hand liegt. Dasselbe gilt für den Satz „Leider ist noch kein Eintrag vorhanden“, der in kleiner und dünner Schrift zwischen dem durch schwarzen Fettdruck hervorstechenden Begriff „Kundenbewertungen für …“ und dem ebenfalls durch den schwarzen Untergrund blickfangartig hervorgehobenen Button förmlich „eingeklemmt“ ist.
Zudem könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Interessent, der das vermeintlich gut bewertete Produkt aufruft, der Sternebewertung auf der Produktseite überhaupt noch Aufmerksamkeit widmet, denn
… aus seiner Sicht hat er die gewünschte Information bereits auf der Übersichtsseite erhalten.
In dem Aufruf der Produktseite sah das Landgericht zudem eine „geschäftliche Entscheidung“, sodass die Sternebewertung auf der vorgelagerten Übersichtsseite als wettbewerbswidrige irreführende Handlung gewertet werden konnte:
Das Aufrufen einer Produktunterseite, um sich näher mit einem von Kunden vermeintlich besonders gut bewerteten Produkt zu befassen, ist dem Betreten eines Geschäfts oder dem Aufruf eines Portals gleichzustellen.
Zunehmende gesetzliche Regulierung von Kundenbewertungen – Unternehmen sollten Rechtskonformität prüfen
Auch der europäische Gesetzgeber stuft Kundenbewertungen als Werbemittel von zunehmender Bedeutung ein. Die Umsetzung der sogenannten „Omnibus-Richtlinie“ (2019/2161/EU) führt ab dem 28. Mai 2022 zu Neuerungen im UWG auf diesem Gebiet (siehe Umsetzungsgesetz vom 10. August 2021).
So stellen nach den neuen Vorschriften künftig Informationen zu der Authentizität von Kundenbewertungen „wesentliche Informationen“ im Sinne von § 5a Abs. 1 UWG dar. Werden diese Informationen dem Verbraucher vorenthalten, kann dies als unlauter gewertet werden. Der neue § 5b Abs. 3 UWG sieht insofern vor:
Macht ein Unternehmer Bewertungen zugänglich, die Verbraucher im Hinblick auf Waren oder Dienstleistungen vorgenommen haben, so gelten als wesentlich Informationen darüber, ob und wie der Unternehmer sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von solchen Verbrauchern stammen, die die Waren oder Dienstleistungen tatsächlich genutzt oder erworben haben.
Flankiert wird diese Informationspflicht durch neue Irreführungstatbestände in der Liste der stets unzulässigen geschäftlichen Handlungen (sogenannte „schwarze Liste“ des UWG). Stets unzulässig ist es danach
- zu behaupten, dass Bewertungen eines Produkts von Verbrauchern stammen, die das Produkt tatsächlich erworben und benutzt haben, ohne dass angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen zur Überprüfung ergriffen wurden, dass dies auch der Fall ist (Nr. 23b des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG n.F.);
- gefälschte Bewertungen oder Empfehlungen von Verbrauchern zu übermitteln oder zu beauftragen sowie Bewertungen oder Empfehlungen in sozialen Medien falsch darzustellen (Nr. 23c des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG n.F.).
Die Aktivitäten von Verbraucherschützern und Gesetzgebern bringen zum Ausdruck, dass die werbemäßige Nutzung von Kundenbewertungen unter besonderer Beobachtung steht. Unternehmen sollten daher genau prüfen, ob beispielsweise Sternebewertungen rechtskonform in ihrem Online-Shops eingesetzt werden.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.