18. November 2011
Sportrecht

Erfolgsprämie ohne Erfolg

Stellen wir uns folgende Situation vor: Man ist Fußballtrainer einer 3. Liga Mannschaft, die im Mai 2009 nur zwei Spiele vom Aufstieg in die 2. Bundesliga entfernt ist. Das nächste Spiel ist ein Heimspiel gegen den Vorletzten der Tabelle, das letzte Auswärtsspiel gar beim Tabellenletzten. Lösbare Aufgaben, bevor man die Provinz ad acta legen kann. Doch dann der Paukenschlag in Ostwestfalen:

Der Trainer wird mit sofortiger Wirkung freigestellt, die Früchte der Saison soll ein anderer ernten. Dazu die Aufforderung vom Verein, den Dienstwagen herauszugeben. Zwei Spieltage später steigt die Mannschaft in die 2. Bundesliga auf. Umso verständlicher die Reaktion des gekränkten Trainers: Wenn ihm schon der Weg in den Bundesligafußball verbaut wurde, sollte er dafür wenigstens finanziell entschädigt werden.

In dem bis zum 30.06.2010 befristeten Arbeitsvertrag war vereinbart, dass der Trainer neben der monatlichen Grundvergütung und einem Dienstwagen sowohl eine Punktprämie während der 3. Liga und 2. Liga Zugehörigkeit sowie eine Aufstiegsprämie erhalten sollte. Die Vereinbarung sah ab dem Zeitpunkt der Freistellung jedoch lediglich die Auszahlung der Grundvergütung, die zeitanteilige Auskehrung der Aufstiegsprämie sowie die Herausgabe des Dienstwagens innerhalb von vier Wochen vor. Mit seiner Klage forderte der Trainer u.a. die Punktprämie für die 2. Liga Saison 2009/2010 sowie Schadensersatz für die Entziehung seines Dienstwagens.

Während das ArbG Paderborn der Klage nur in Höhe von € 40.000 stattgab, verurteilte das LAG Hamm (Urteil vom 11.10.2011 – 14 Sa 543/11) den Verein nun auf Zahlung von € 132.000, da die strittigen Vereinbarungen aus dem Arbeitsvertrag unwirksam seien. Gegen dieses Urteil bleibt dem Club allein der Gang zum Bundesarbeitsgericht nach Erfurt.

Verein verdonnert

Das LAG Hamm befand, dass die im Arbeitsvertrag strittigen Klauseln einer AGB-Kontrolle zu unterziehen seien und sich somit an den Voraussetzungen des § 308 Nr. 4 BGB (Änderungsvorbehalt) messen lassen müssten. Ein einseitiger Änderungsvorbehalt im Hinblick auf die Höhe der nach Freistellung zu zahlenden Vergütung gehe allein zu Lasten des Trainers, sei diesem nicht zumutbar und demnach unwirksam. § 615 BGB verpflichte den Arbeitgeber in einem derartigen Fall zur Auskehrung der Vergütung in voller Höhe. Die anerkannten Grenzen des BAG bei der Vereinbarung einseitiger Änderungsvorbehalte seien deutlich überschritten. Die Kürzungen seien auch deshalb unwirksam, da sie für jeden Fall der Freistellung Geltung beanspruchen, also auch wenn die Freistellung grundlos erfolgt. Auch die im Vertrag zu Lasten des Trainers verwendeten Ausschlussklauseln, die eine Geltendmachung sämtlicher vertraglicher Ansprüche innerhalb von vier Monaten nach ihrer Fälligkeit und spätestens drei Monate nach Vertragsbeendigung vorsahen, hielten einer AGB-Prüfung nicht stand.

Auch anwesende Berater schließen Einordnung als AGB nicht aus

Wie auch in so vielen anderen Fällen im Sport scheiterte der Club auch an dem Nachweis, dass die strittigen Klauseln im Einzelnen ausgehandelt wurden bzw. die Möglichkeit einer ernsthaften Einflussnahme auf die Klauseln bestand. AGB bestünden nach LAG Hamm sogar dann, wenn der Trainer wie im vorliegenden Fall bei den Vertragsverhandlungen von einem Rechtsanwalt und einem Berater umgeben war. Denn entscheidend sei, dass die streitige Klausel letztlich von Seiten des Clubs vorgegeben wurde.

Unabhängig von einem möglicherweise abweichenden BAG-Urteil sollten die Clubs deshalb bei der Verwendung von Musterverträgen sicherstellen, dass einzelne – insbesondere für den Fall der Trennung relevante Klauseln – nicht als AGB im Sinne der §§ 305 ff. BGB einzustufen sind. Eine lockere Diskussion über eine Klausel reicht nicht. Diese muss ernsthaft zur Disposition gestellt werden. Der später so wichtige Nachweis hierüber kann z.B. auch dadurch erfolgen, dass ein Verhandlungsprotokoll über die einzelnen Klauseln zur Anlage des Vertrags gemacht wird. Denn Erfolgsprämien ohne Erfolg mögen dem scheidenden Trainer zur Genugtuung verhelfen, sicher aber nicht dem Club und seinen Fans, die diese auch durch ihre Eintrittsgelder finanzieren.

Spannend wird nun auch die Frage, ob andere Trainer dem Urteil folgen und die Vertragspraxis ihrer ehemaligen Clubs hinterfragen. So könnte Louis van Gaal bei vergleichbaren Klauseln trotz neuen Jobs in Amsterdam Champions-League-Prämien vom FC Bayern München einklagen, obgleich der Club unter seiner „Herrschaft″ in dieser Saison vielleicht überhaupt nicht an diesem Wettbewerb teilgenommen hätte.

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