4. März 2011
Wettbewerb im S-Bahn-Verkehr
Vergaberecht

Mehr Wettbewerb im S-Bahn-Verkehr und weniger Formalismus bei Dokumentationsmängeln – der BGH setzt Maßstäbe im Vergaberecht

Das Medienecho war gewaltig, als der BGH mit seiner S-Bahn-Entscheidung vom 08.02.2011 die Weichen für mehr Wettbewerb im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) stellte. Jetzt liegen die Gründe des Beschlusses vor; Grund genug, sich noch einmal mit der Entscheidung zu befassen.

Worum geht es?

Nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) kann die Erbringung gemeinwirtschaftlicher Leistung durch Eisenbahnverkehrsunternehmen von den zuständigen Behörden ausgeschrieben werden. Viele Auftraggeber legten diese Vorschrift zu ihren Gunsten so aus, dass sie die freie Wahl haben, ob sie SPNV-Dienstleistungen in einem Vergabeverfahren oder „direkt″ – also ohne ein solches – vergeben.

Der BGH stellte klar, dass das Vergaberecht Vorrang hat, eine Direktvergabe also grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Die Beteiligten an dem Nachprüfungsverfahren hatten noch versucht, die Entscheidung durch einen Vergleich abzuwenden; die Beigeladene DB Regio AG war bereit, dem Antragsteller Abellio einige S-Bahn-Linien abzutreten. Gegen diese Absichten grätschte aber das Bundeskartellamt massiv ein und kündigte für den Fall des Abschlusses einer solchen Vergleichsvereinbarung die Einleitung von kartellrechtlichen Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des Verdachts des Abkaufs von Wettbewerb an.

Es könnte allerdings gut sein, dass die Direktvergabe bald wieder zulässig ist. Nach der so genannten ÖPNV-Verordnung der EU (VO 1370/2007) ist eine Direktvergabe nämlich erlaubt, sofern nationales Recht nicht entgegensteht. Zwar steht in Deutschland – wie vom BGH gerade festgestellt – nationales Recht entgegen. Der deutsche Gesetzgeber hätte es aber in der Hand, dies zu ändern und die Praxis der Direktvergabe im SPNV zu legalisieren.

Außer zum Wettbewerb im SPNV äußert sich der BGH auch noch zu einer von Schienen und Gleisen vollkommen unabhängigen vergaberechtlichen Frage – den Folgen von Dokumentationsmängeln in Vergabeverfahren. Seit einiger Zeit war in der unterinstanzlichen Rechtsprechung zunehmend die Tendenz erkennbar, die Dokumentationspflichten des Auftraggebers im Vergabeverfahren sehr streng zu handhaben und die Verletzung dieser Pflichten ebenso streng zu ahnden, sprich: die nicht dokumentierten Teile des Vergabeverfahrens wiederholen zu lassen. Der BGH hält dies für zu streng. Eine Wiederholung der betroffenen Abschnitte ohne Berücksichtigung der Bedeutung der Dokumentationsmängel hält der BGH für nicht vereinbar mit dem vergaberechtlichen Beschleunigungsgrundsatz – ein für öffentliche Auftraggeber unerwarteter Lichtblick.

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