6. Dezember 2024
Fachliche Weisung AÜG
Arbeitsrecht

Anpassung der „Fachlichen Weisungen AÜG“ durch die Bundesagentur für Arbeit

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat ihre „Fachlichen Weisungen Arbeitnehmerüberlassungsgesetz“ (FW AÜG) mit Wirkung zum 15. Oktober 2024 geändert.

Bei den FW AÜG handelt es sich um interne Verwaltungsanweisungen, die auf Grundlage von § 17 Abs. 1 AÜG das „Arbeitsprogramm″ der BA definieren. Diese schreiben für die Behörde verbindlich fest, wie die Vorschriften des AÜG auszulegen und anzuwenden sind. Die FW AÜG bieten daher eine Orientierungshilfe, wie die BA das AÜG verstanden wissen möchte; diese verhindern damit, dass die BA – zumindest wenn die FW AÜG wortgetreu umgesetzt werden – erlaubnisrechtliche Maßnahmen, insbesondere gegenüber einem Personaldienstleister, veranlasst.

Die vorgenommenen Änderungen sind zahlreich und können in der Änderungshistorie nachvollzogen werden. Die Anpassungen sind überwiegend klarstellender bzw. redaktioneller Art. Es werden aber auch materielle, für die Praxis wesentliche Modifikationen vorgenommen, von denen nachfolgend einige dargestellt werden sollen.

Erlaubnispflicht der Arbeitnehmerüberlassung aus dem Ausland

S. 9 f. FW AÜG betrifft Geltungsbereich der Erlaubnispflicht nach dem AÜG. Räumlich beschränkt sich dieser nach dem Territorialitätsprinzip auf die Bundesrepublik Deutschland. Das AÜG kommt nur zur An­wendung, wenn die Überlassung einen hinreichenden Inlandsbezug aufweist. So weit, so gut und so weit auch richtig. 

Nun wird es aber wild, denn die BA erstreckt die Erlaubnispflicht neuerdings auf Konstellationen, in denen ein Mitarbeiter* (ausschließlich) im Ausland tätig wird und lediglich virtuell bei einem inländischen Kunden eingliedert wird.

In den FW AÜG heißt es:

Um den Schutz des Teilarbeitsmarkts Arbeitnehmerüberlassung zu wahren, kann bei Ar­beitsleistungen, die ortsunabhängig ausschließlich im homeoffice bzw. als ausschließliche Telearbeit erbracht werden, nicht allein darauf abgestellt werden, wo sich der Leiharbeit­nehmer rein körperlich befindet. 

Erlaubnisrechtlich ist entscheidend, ob die Überlassung Inlandsbezug aufweist. Das ist bei ortsunabhängigen Arbeitsleistungen regelmäßig der Fall, wenn […] der Leiharbeitnehmer [Anm.: aus dem Ausland] virtuell für einen inländischen Entleiher tätig wird.

Um sich das auf der Zunge zergehen zu lassen: ein Programmierer ist bei einem IT-Unternehmen auf einer Südseeinsel beschäftigt und arbeitet (ausschließlich remote) für einen Kunden in Deutschland in einem gemischten Team an einem IT-Projekt.

Das soll nach der neuen Weisungslage einen hinreichenden Inlandsbezug darstellen – mit der Folge, dass das IT-Unternehmen einer Erlaubnis (§ 1 AÜG) bedarf, die es natürlich nicht bekommt, weil der Sitz nicht in der EU/im EWR liegt. Folge: es liegt illegale Arbeitnehmerüberlassung vor.

Für die Gesellschaft mit Sitz in der Südsee ist das wohl relativ egal, für das Unternehmen in Deutschland nicht: die illegale Arbeitnehmerüberlassung stellt nämlich eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit (bis zu EUR 30.000,00) dar.

Die Änderung der FW AÜG ist schon ein starkes Stück, stellt diese doch handstreichartig die Rechtmäßigkeit ganzer Geschäftsmodelle, u.a. Employer of Record, in Frage. Und wenn man die Begründung liest, dass dies zum Schutz des Teilarbeitsmarkts Arbeitnehmerüberlassung“ erforderlich sein soll, kann man nur den Kopf schütteln. Die BA maßt sich vielmehr einen universalen Geltungsanspruch des AÜG an – das kann nicht richtig sein, insbesondere aus europarechtlichen Erwägungen (s. dazu ausführlich: Bissels/Singraven, ArbR 2024, 557 ff.). Dennoch bleibt Unternehmen nichts anders übrig, als die virtuelle Zusammenarbeit mit im Ausland tätigen Arbeitnehmern von Drittfirmen zu überprüfen – oder man ist schneller ein illegaler Entleiher, als man gucken kann!

Arbeitnehmerüberlassung durch Mischunternehmen

Auch für Mischunternehmen, die nicht nur, aber auch (zu einem geringen Anteil) Arbeitnehmerüberlassung betreiben, gibt es keine guten Nachrichten zu vermelden (S. 88 ff. FW AÜG).

Zwar geht die BA zunächst davon aus, dass die Tarifwerke der Zeitarbeit fachlich Mischunternehmen erfassen. Dies bedeutet zunächst, dass durch deren Anwendung der Gleichstellungsgrundsatz grundsätzlich abbedungen werden kann.

In der Praxis werden (aus diesem Grund) häufig mit den zu überlassenden Mitarbeitern Zusatzvereinbarungen geschlossen, in denen vorgesehen ist, dass für die Zeit des Einsatzes ein Tarifwerk der Zeitarbeit zu Anwendung kommt.

Das geht nicht – zumindest nach Ansicht der BA, die diese schon auf Grundlage der FW AÜG aus dem Jahre 2019 vertreten hat. Diese Auffassung wird durch die neuen FW AÜG verfestigt – dort heißt es ergänzend nun wörtlich:

Vom Gleichstellungsgebot abweichenden Tarifwerken liegt eine zusammenfassende Gesamtwürdigung der Überlassungs- und der verleihfreien Zeiten zugrunde. 

Der mit einem Zeitarbeitstarifvertrag bezweckte Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern würde aufgelöst, könnte seine Anwendung nur für die Zeiten der Überlassung vertraglich vereinbart werden.

Dies bedeutet, dass eine Inbezugnahme der Tarifverträge der Zeitarbeit (durch eine befristete Zusatzvereinbarung) von der BA nicht akzeptiert wird – es gilt hier: ganz oder gar nicht! Wenn dies nicht beachtet wird, wird der Gleichstellungsgrundsatz – so zumindest die Auffassung der BA – durch eine Zusatzvereinbarung nicht wirksam ausgeschossen (mit den daran anknüpfenden Konsequenzen, u.a. Bußgelder, ggf. sogar eine Strafbarkeit, weitere erlaubnisrechtliche Maßnahmen).

Die von der BA vertretene Meinung ist falsch und man kann nur hoffen, dass diese im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens (endlich) einmal geprüft werden kann. 

Allerdings: in der Praxis lässt es – so zumindest die Erfahrung in der Beratung – ein Mischunternehmen (leider) nicht auf einen solchen Konflikt mit der BA ankommen (zu viel Risiko, zu hohe Kosten, zu lange Verfahren). Wenn es aber keiner wagt, bleibt es bei diesem unsäglichen Zustand – die BA kommt mit ihrer engen Sichtweise durch. 

Daher: nur Mut und auch mal – in rechtlicher Hinsicht – Zähne zeigen!

Bonitätsnachweis

Bei der erstmaligen Beantragung einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis, aber ebenfalls bei deren Verlängerung verlangt die BA einen Nachweis von dem Personaldienstleister über liquide Mittel, z.B. sofort verfügbare Guthaben oder Kreditbestätigungen über Kontokorrentkredit. 

Hinsichtlich des Bonitätsnachweises hat die BA ordentlich an der Kostenschraube gedreht (S. 47 FW AÜG). Ab dem 15. Oktober 2024 müssen mindestens EUR 15.000,00 nachgewiesen werden. Dies gilt bei einer beabsichtigten Beschäftigung von bis zu fünf Zeitarbeitnehmern. Bei mehr als fünf Zeitarbeitnehmern sind für jeden mindestens EUR 3.000,00 an liquiden Mitteln nachzuweisen. 

Bis zur Änderung der FW AÜG betrug die Grundbonität bei fünf Zeitarbeitnehmern EUR 2.000,00 und damit insgesamt EUR 10.000,00, die durch Kontoauszüge oder Bankbescheinigungen nachgewiesen werden konnten bzw. mussten.

Also ein ordentlicher Schluck aus der Pulle – es kann zukünftig schnell sehr viel teurer werden; dies gilt erst recht, wenn man beachtet, dass die FW AÜG nicht danach differenziert, ob es sich um Voll- oder Teilzeitbeschäftigte handelt. Die FW AÜG stellen grundsätzlich auf Köpfe ab. 

Allerdings zeigt die Praxis, dass die BA – je nach Beschäftigungsform – auch zu einem Discount bereit ist. Darüber muss dann mit der Behörde im Einzelfall unter Berücksichtigung der Beschäftigungsstruktur gesprochen werden, die diese – so die Erfahrung – wohlwollend prüft, insbesondere wenn das Zeitarbeitsunternehmen zahlreiche geringfügig Beschäftigte für sich tätig werden lässt. 

Dennoch: die Erhöhung des Bonitätsnachweises fällt grundsätzlich erheblich aus und kann sich damit – in wirtschaftlicher Hinsicht – nachteilig zu Lasten des Zeitarbeitsunternehmens auswirken.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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