30. Juli 2020
Reform Arbeitnehmer-Entsendegesetz
Arbeitsrecht

Reform des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes – gleicher Lohn für gleiche Arbeit am selben Ort

Die Reform des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes stärkt die Arbeitsbedingungen ausländischer Beschäftigter.

Mit der RL 2018/957/EU vom 28. Juni 2018 hatte der europäische Gesetzgeber die Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie 96/71/EG novelliert und die Mitgliedsstaaten verpflichtet, die geänderte Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern* entsprechend umzusetzen. Der Bundesrat hat nun am 3. Juli 2020 dem Gesetzesbeschluss des Bundestages zur Übertragung der geänderten Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie ins deutsche Recht zugestimmt (BT-Drucksache 19/19371).

Im Folgenden sollen die wesentlichen Inhalte der damit verbundenen Reform des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) dargestellt werden.

Künftig alle Entlohnungsbedingungen zwingend anzuwenden

Das AEntG verfolgt u. a. das Ziel, zwingende Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer festzuschreiben, die von im Ausland ansässigen Arbeitgebern zur grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen nach Deutschland entsandt werden und auf deren Arbeitsverhältnis primär ausländisches Recht Anwendung findet. Während das AEntG ausländische Arbeitgeber bislang nur dazu zwang, in Deutschland geltende Mindestentgeltsätze anzuwenden, sind künftig alle Entlohnungsbedingungen einzuhalten. Der Begriff der Entlohnung ist in § 2a AEntG n. F. definiert und umfasst alle Bestandteile der Vergütung, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber in Geld oder als Sachleistung für die geleistete Arbeit erhält (z. B. Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Zulagen und Zuschläge). Hier besteht somit eine deutliche Parallele zum Equal Pay-Grundsatz, der aus dem Recht der Arbeitnehmerüberlassung bereits bekannt ist.

Zudem wird in § 2 Abs. 1 Nr. 5 AEntG n. F. klargestellt, dass unter die Vorschriften über Sicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz auch durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften normierte Anforderungen an Unterkünfte fallen, die Arbeitgeber ihren Mitarbeitern unmittelbar oder mittelbar, entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung stellen.

Darüber hinaus sieht § 2b Abs. 1 Satz 1 AEntG n. F. vor, dass eine etwaige Zulage für die Dauer der Entsendung (sog. Entsendezulage) grundsätzlich auf die Entlohnung angerechnet werden kann. Nach § 2b Abs. 1 Satz 2 AEntG n. F. gilt dies allerdings nicht, soweit die Entsendezulage zur Erstattung von Kosten gezahlt wird, die infolge der Entsendung tatsächlich entstanden sind, sog. Entsendekosten. Hierzu zählen insbesondere Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten. Sofern vertraglich unklar sein sollte, welche Bestandteile einer Entsendezulage als Erstattung von Entsendekosten gezahlt werden bzw. welche Teil der Entlohnung sind, wird nach § 2b Abs. 2 AEntG unwiderleglich vermutet, dass die gesamte Entsendezulage als Entsendekosten zu qualifizieren ist und damit nicht auf die Entlohnung angerechnet werden kann.

§ 24 AEntG n. F. schließt für bestimmte Tätigkeiten, die schon nach der Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie ausdrücklich von den nationalen Entsendevorschriften auszunehmen sind oder die typischerweise nicht mit der Erbringung einer Werk- oder Dienstleistung in Deutschland verbunden sind, die Anwendung von Arbeitsbedingungen nach dem AEntG aus. Hierzu gehören etwa die Teilnahme an Besprechungen, Fachkonferenzen und Messebesuchen, solange die Entsendung nicht länger als 14 Tage ununterbrochen dauert und der entsandte Arbeitnehmer nicht mehr als dreißig Tage innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten im Inland tätig ist. Auch Erstmontage- und Einbauarbeiten als Bestandteil eines Liefervertrages von bis zu acht Tagen sind ausgenommen.

Allgemeinverbindliche Tarifverträge gelten für alle Branchen

Bundesweit für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge finden künftig nicht mehr nur im Baugewerbe, sondern in allen Branchen auf Arbeitgeber mit Sitz im Ausland Anwendung, wenn diese Arbeitnehmer im Inland beschäftigen. Zudem finden die entsprechenden Tarifverträge nicht mehr nur hinsichtlich der dort normierten Mindestentgeltsätze, sondern hinsichtlich aller Entlohnungsbedingungen Anwendung.

Völlige Gleichstellung nach zwölf bzw. 18 Monaten

Das AEntG enthält nun in seinem neuen Abschnitt 4b zudem besondere Bestimmungen für Arbeitnehmer, die von einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber länger als zwölf Monate im Inland beschäftigt werden. Nach § 13b Abs. 1 AEntG n. F. gelten in diesen Fällen zusätzlich zu den Arbeitsbedingungen nach den Abschnitten 2 bis 4a alle Arbeitsbedingungen, die am Beschäftigungsort in Rechts- und Verwaltungsvorschriften und in allgemeinverbindlichen Tarifverträgen vorgeschrieben sind. Ausgenommen sind insoweit nur die Verfahrens- und Formvorschriften und Bedingungen für den Abschluss oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, einschließlich nachvertraglicher Wettbewerbsverbote, sowie die betriebliche Altersversorgung.

Durch eine Mitteilung gegenüber der zuständigen Behörde der Zollverwaltung verlängert sich die Frist, ab der die genannten Rechtsfolgen eintreten, von zwölf auf 18 Monate. Die Behörden der Zollverwaltung kontrollieren dementsprechend zukünftig nicht mehr nur die Einhaltung der Mindestentgeltsätze, sondern auch die der Entlohnungsbedingungen.

Auch Auswirkungen auf Arbeitnehmerüberlassung

In Fällen der grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassung werden dem Entleiher in § 15a AEntG n. F. Unterrichtungspflichten gegenüber dem ausländischen Verleiher auferlegt, damit dieser die für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben erforderlichen Informationen erhält. So muss der Entleiher u. a. den Verleiher in Textform grundsätzlich über die wesentlichen Arbeitsbedingungen, die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers gelten, einschließlich der Entlohnung, informieren.

§ 8 Abs. 3 AEntG n. F. stellt zudem klar, dass Leiharbeitnehmern im Geltungsbereich eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages zumindest diese Arbeitsbedingungen zu gewähren sind, soweit er Arbeitsbedingungen nach § 5 Satz 1 Nr. 2 bis 4 AEntG n. F. enthält, also zu Urlaub, Beiträgen zu Urlaubskassen und Anforderungen an Unterkünfte. Damit ist der Bereich der Entlohnung von diesem Günstigkeitsvergleich ausgenommen. Hier verbleibt es bei den für den Verleiher geltenden Arbeitsbedingungen.

Auswirkungen auf die Praxis: Weitere Verschärfung der Regelungen für Arbeitgeber

Ausländische Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter nach Deutschland entsenden, haben zukünftig noch strengere Regularien zu beachten. Spiegelbildlich ist der Einsatz entsandter Arbeitnehmer für deutsche Unternehmen ebenfalls mit erhöhtem Aufwand und Kosten verbunden. Aufgrund der völligen Gleichstellung nach zwölf bzw. 18 Monaten müssen Arbeitgeber die jeweils anwendbaren arbeitsrechtlichen Bestimmungen am Entsendeort kennen und anwenden. Dies wird in der Praxis einige Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen, insbesondere, wenn diese Arbeitnehmer in verschiedene Mitgliedsstaaten entsenden.

Darüber hinaus ist mit vermehrten Prüfungen durch die Behörden der Zollverwaltung zu rechnen. Diese sollen im Rahmen der Reform des AEntG personell nochmals deutlich aufgestockt werden.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Arbeitnehmer-Entsendegesetz Arbeitsbedingungen Lohn Reform