15. Oktober 2020
Arbeitsschutzregeln BMAS SARS-CoV-2
Arbeitsrecht

Arbeitsschutzregeln des BMAS zur Reduzierung von Infektionsrisiken

Empfehlungen im Bereich des Arbeitsschutzes sollen Infektionsrisiken im Hinblick auf die SARS-CoV-2-Pandemie reduzieren.

Die durch Veröffentlichung am 20. August 2020 im Gemeinsamen Ministerialblatt in Kraft getretenen Empfehlungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) sollen als Konkretisierung des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) dienen. Ermächtigungsgrundlage ist § 5 Infektionsschutzgesetzes (IfSG) im Fall epidemischer Lagen von nationaler Tragweite. Ziel der Empfehlungen ist das Reduzieren des Infektionsrisikos im Arbeitsalltag. Andere Vorschriften des Infektionsschutzes oder spezifische Regelungen bleiben von der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel unberührt.

Die Empfehlung umfasst 23 Seiten und ist in mehrere Abschnitte gegliedert: Anwendungsbereich, Begriffsbestimmungen, Gefährdungsbeurteilung, Schutzmaßnahmen, Arbeitsmedizinische Prävention und weitere Anhänge. Der Beitrag fasst die wichtigsten Inhalte zusammen.

Die Arbeitsschutzregeln betreffen alle Arbeitgeber

Der Anwendungsbereich der Arbeitsschutzregel ist weit gefasst und trifft grundsätzlich Arbeitgeber aller Branchen. Soweit keine gleichwertigen oder strengeren Vorschriften gelten – etwa nach der Biostoffverordnung – sind die Inhalte der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel maßgeblich. Als Konkretisierung des ArbSchG sind lediglich Hausangestellte in privaten Haushalten, Arbeitnehmer auf Seeschiffen und unter gewissen Voraussetzungen Arbeitnehmer* in der Bergbaubranche ausgenommen (§ 1 Abs. 2 ArbSchG). Die Empfehlungen gelten zeitlich befristet für die Dauer der vom Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite, längstens jedoch bis zum 31. März 2021 (Stand 06.10.2020).

Unterschiedlichen Maskenarten mit unterschiedlichen Schutzgraden

Im Rahmen der Begriffsbestimmungen stechen die Unterscheidungen zwischen den Schutzgraden der Masken hervor: So wird zwischen Mund-Nasen-Bedeckung (MNB), Mund-Nasen-Schutz (MNS) bzw. medizinischen Gesichtsmasken, filtrierenden Halbmasken und Atemschutzgeräten mit auswechselbaren Partikelfiltern unterschieden (vgl. 2.3 – 2.6). Während MNB dazu geeignet sind, die Geschwindigkeit des Tröpfchenauswurfs zu reduzieren, schützen MNS Dritte vor einer Infektion. Lediglich filtrierende Halbmasken und Atemschutzgeräte dienen dem Eigenschutz.

Die Begrifflichkeiten des mobilen Arbeitens und der Einrichtung eines Telearbeitsplatzes im Sinne von § 2 Abs. 7 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) werden dargestellt (vgl. 2.2.). Während letzterer einen festen Arbeitsplatz im Privatbereich des Arbeitnehmers erfasst, bezieht sich das mobile Arbeiten auf jeden erdenklichen Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausübt. Das kann im ÖPNV, im Flugzeug, beim Kunden oder eben auch in der Privatwohnung sein. In der Praxis ist zu beachten, dass Telearbeit deutlich strenger reglementiert ist, weil es für diese nach § 2 Abs. 7 ArbStättV einer arbeitsvertraglichen oder anderweitigen Vereinbarung bedarf, in der weitere Regelungen zu treffen sind (Ausstattung des Arbeitsplatzes, Kommunikationsmittel etc.). Die Arbeitsschutzregel legt ihren Schwerpunkt dagegen auf das Homeoffice als eine Form des mobilen Arbeitens, was als Möglichkeit der Abstandswahrung zu begrüßen ist. Vorschriften des ArbSchG bzw. Arbeitszeitgesetzes gelten unabhängig von der Ausgestaltung des Arbeitsortes (vgl. 4.2.4).

Erfordernis regelmäßiger Gefährdungsbeurteilung

Um die Risiken und erforderlichen Maßnahmen zum betrieblichen Infektionsschutz einzuschätzen und zu bewerten, bedarf es einer Gefährdungsbeurteilung (vgl. Abschnitt 3). Bei Bedarf ist diese regelmäßig durchzuführen. Eine Unterstützung stellt dabei die Sammlung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) dar, die eine ständig aktualisierte Tabelle mit den branchenspezifischen Vorgaben zur Corona-Prävention enthält. Bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilungen sind die Beschäftigtenvertretungen (Betriebsrat, Personalrat) – soweit vorhanden – zu beteiligen; andernfalls die Belegschaft.

Zu beachten sind auch die erheblichen psychischen Belastungen für einzelne Arbeitnehmer. Entsprechend wird in der Arbeitsschutzregel auf die Auswirkungen und das gesteigerte Sicherheitsrisiko hingewiesen (vgl. 4.2.12). Diese sind bei der Prüfung der Maßnahmen zu berücksichtigen. Arbeitsschutzunterweisungen durch den Arbeitgeber im Sinne des § 12 ArbSchG sollen während der Pandemie vorzugsweise über elektronische Kommunikationsmittel durchgeführt werden (vgl. 4.2.14 Abs. 1). Unstreitig stellt das Infektionsgeschehen Arbeitgeber auch im Hinblick auf die Kommunikation von Maßnahmen vor besondere Herausforderungen. Beratung und Unterstützung sollen die Fachkräfte für Arbeitssicherheit sowie die Betriebsärzte leisten.

Beschreibung der einzelnen Maßnahmen – SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard

Die weiteren Ausführungen zu den einzelnen Schutzmaßnahmen in Abschnitt 4 beruhen im Grundsatz auf dem vom BMAS im April 2020 veröffentlichten SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard (C-ASS) und konkretisieren die dort aufgeführten Punkte im Hinblick auf den Stand der Technik, die Arbeitsmedizin und auf die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Es gilt der Grundsatz: Technische Maßnahmen haben Vorrang vor organisatorischen Maßnahmen, diese wiederum sind den personenbezogenen Maßnahmen vorzuziehen. Welche Maßnahmen konkret in Betracht kommen und dem Infektionsschutz gerecht werden, ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen.

Primäres Ziel ist die Unterbindung bzw. Verringerung von ungeschützten und nicht erforderlichen Personenkontakten (auch indirekt über Oberflächen und Aerosole). Als mögliche Maßnahmen kommen insbesondere in Betracht: die konsequente Einhaltung des Mindestabstandes von 1.5m, die Einteilung der Arbeitsorganisation in feste, voneinander unabhängige Teams (bzw. Aufstellung von Schichtplänen), die vermehrte Nutzung von elektronischen Kommunikationsmitteln (Skype, Zoom, Teams etc.) sowie die Umsetzung eines strengen Hygiene- & Gesundheitsplans (Lüften, Oberflächenreinigungen, Handhygiene etc.). Soweit insbesondere die Abstandsregel aus baulichen Gründen nicht eingehalten bzw. umgesetzt werden kann, ist eine entsprechende Maskenregelung umzusetzen (mindestens MNB, ggf. höherer Schutzgrad, soweit erforderlich, vgl. 4.1 Abs. 3).

Im Detail geht die Arbeitsschutzregel sodann auf konkrete Anwendungsbeispiele ein. So sind Empfehlungen für die Gestaltung des Arbeitsplatzes (Stichwort: Einhaltung der Abstandsregelung, vgl. 4.2.1 Abs. 2), die Ausstattung der Sanitärräume, Kantinen und Pausenräume (Stichwort: Mindestabstände, vgl. 4.2.2. Abs. 6; Bereitstellung von Hygienemittel und Umsetzung von Hygieneplänen, vgl. 4.2.2 Abs. 2 ff.) sowie Lüftungsmöglichkeiten (Grundsatz nach 4.2.3 Abs. 4: Büroräume alle 60 Minuten, Konferenzräume alle 20 Minuten sowie Vermeidung des Umluftbetriebes) aufgenommen. Soweit nur Umlaufbetrieb möglich ist, muss eine Einzelbelegung der Räumlichkeiten gewährleistet werden (4.2.3 Abs. 9). Die Anhänge Nr. 4.1 und 4.2 der Arbeitsstättenverordnung stellen daneben allgemeine Anforderungen an die Sanitär- & Pausenräume unabhängig von der Corona-Pandemie. So müssen vom Arbeitgeber regelmäßig Toilettenräume und ggf. auch Waschräume zur Verfügung gestellt werden. Ab zehn Arbeitnehmern ist zudem ein Pausenraum bzw. Pausenbereich einzurichten, der mit leicht zu reinigenden Tischen und Sitzgelegenheiten auszustatten ist. Insbesondere bei Kantinen muss beachtet werden, dass keine Warteschlangen entstehen und Besteck / Geschirr durch das Kantinenpersonal übergeben wird (vgl. 4.2.2 Abs. 8).

Ferner bedarf es der expliziten Ausweisung von Einbahnstraßen in Fluren, um die Abstandsregeln einzuhalten. Insbesondere gilt bei der Verwendung von Aufzügen die Pflicht zum Tragen einer MNB (vgl. 4.2.6 Abs. 4). Vom Arbeitgeber bereitgestellte Arbeitsmittel (z.B. IT-Geräte, Telefone, Schalthebel, Werkzeuge) sind möglichst nur von einem Arbeitnehmer zu verwenden (vgl. 4.2.7 Abs. 1), alternativ jedoch vor der Mehrpersonennutzung zu reinigen (vgl. 4.2.7 Abs. 2). Die Benutzung von Arbeitskleidung ist ohne gesonderte Reinigung allerdings ausschließlich einem Arbeitnehmer zuzulassen (vgl. 4.2.9).

Aus Gründen des Infektionsschutzes gilt, dass alle Personen (gleich ob Arbeitnehmer oder Kunden) mit typischen Corona-Symptomen der Arbeitsstätte fernbleiben bzw. das Betriebsgelände verlassen müssen (vgl. 4.2.11).

Betriebliche Prävention entscheidet im Kampf gegen Corona

Die Maßnahmen zum Infektionsschutz überschneiden sich mit den Maßnahmen des Arbeitsschutzes. Dies führt jedoch nicht dazu, dass der Infektionsschutz die Vorgaben nach den einschlägigen arbeitsmedizinischen Vorschriften verdrängen würde. Vielmehr gelten unter anderem die Vorgaben zur Arbeitsmedizinischen Regel (AMR) weiter. Arbeitsmedizinische Vorsorge und Beratung sind insbesondere bei Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung sicherzustellen. Aber auch im Rahmen des mobilen Arbeitens sind präventive Angebote gefordert. Dies gilt z.B. für eine entsprechende Beratung bei Bildschirmtätigkeiten zur Vorbeugung von Sehbeschwerden (vgl. Anlage Teil 4 Abs. 2 der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge). Diese können durch die Betriebsärzte telefonisch bzw. telemedizinisch angeboten werden.

Gesundheitsdaten (hier: Diagnosen, individuelle Gefährdungsmerkmale) von besonders schutzbedürftigen Personen bleiben Privatangelegenheit: Arbeitgeber haben auch weiterhin keinen Anspruch auf Offenbarung durch den betroffenen Arbeitnehmer, um beispielsweise interne Arbeitsabläufe anzupassen (vgl. 5.4 Abs. 4 & 5.5 Abs. 4). Der Betriebsarzt bleibt als zwischengeschaltete Stelle Ansprechpartner für Arbeitgeber und Arbeitnehmer und leitet bei Bedarf ohne Nennung eines konkreten Befundes Maßnahmenempfehlungen an den Arbeitgeber weiter. Nach einer durchstandenen Corona-Erkrankung hat der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber Informationen über die im Betrieb getroffenen Schutzmaßnahmen zu erhalten, um mögliche Infektionsrisiken im Betriebsablauf zu minimieren (vgl. 5.5 Abs. 2). Soweit der Arbeitnehmer länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt war, ist an die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagement im Sinne des § 167 Abs. 2 SGB IX zu denken.

Branchenspezifische Regelungen

In der Anlage zu den Arbeitsschutzregeln werden für die Baubranche, Landwirtschaft und Logistik spezifische Schutzmaßnahmen beschrieben.

Auf Baustellen sind insoweit die besonderen Gegebenheiten zu berücksichtigen, die einen Hygienemindeststandard voraussetzen. Zur Verfügung stehen sollen mobile Toilettenkabinen mit Handwaschgelegenheiten (fließendes Wasser, Flüssigseife, Einmalhandtücher und ggf. Desinfektionsmittel sowie vorzugsweise ein geschlossenes Wasserabflusssystem, hilfsweise eine anderweitige hygiene- und umweltgerechte Entsorgung). Die Sanitäreinrichtungen sind mindestens täglich zu reinigen (vgl. Anhang 1 Abs. 6 der Arbeitsschutzregeln). Die Arbeitgeber sollten sich regelmäßig über die Vorgaben zu den Unterkünften in den Anhängen der Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) informieren. Denn hierbei handelt es sich im Gegensatz zu den Empfehlungen der Arbeitsschutzregeln um verbindliche Vorschriften, bei deren Nichteinhaltung der Arbeitgeber neben erheblichen Bußgeldern im schlimmsten Fall mit einer Betriebsstilllegung rechnen muss. Für die angemessene Ausgestaltung der Unterkünfte wird auch der Auftraggeber im Baugewerbe nach den zum 30. Juli 2020 in Kraft getretenen Änderungen des Arbeitnehmerentsendegesetzes (AEntG) in die Verantwortung genommen. Informationen hierzu finden sich auch auf der Website des Hauptzollamtes. Weitere Verschärfungen wird das Arbeitsschutzkontrollgesetz mit sich bringen. Dieses befindet sich noch im Gesetzgebungsverfahren. Der Gesetzesentwurf wurde mittlerweile vom Plenum des Bundestages in die zuständigen Fachausschüsse überwiesen; zugleich hat der Bundesrat in seiner Sitzung vom 18. September 2020 zu der Regierungsvorlage Stellung genommen. Zur Thematik „Unterkünfte″ schlägt der Bundesrat sogar eine Verschärfung vor, wonach nicht nur die fehlerhafte Dokumentation, sondern auch das nicht angemessene Bereitstellen einer Unterkunft bußgeldbewehrt sein soll. Die Bundesregierung hat sich hierzu kritisch geäußert. Das weitere Gesetzgebungsverfahren bleibt abzuwarten. Das Gesetz soll zum 1. Januar 2021 in Kraft treten.

Nach der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel gilt das Grundprinzip „Zusammen Wohnen – Zusammen Arbeiten″ (vgl. Anhang 4 Abs. 4). Um ein Mindestmaß an Hygiene einzuhalten, ist grundsätzlich eine Einzelbelegung bei Schlafräumen (vgl. Anhang 4 Abs. 7, Ausnahmen gelten für Familienangehörige) vorzunehmen, für eine tägliche Reinigung zu sorgen (Anhang 4 Abs. 12 ff.) und die Bewegungsflächen zwecks Einhaltung des Mindestabstandes zu vergrößern bzw. die Belegungsdichte zu verringern (Anhang 4 Abs. 8 + 10). Neu dürfte auch die Anforderung sein, dass für etwaige erkrankte Beschäftigte Ersatzcontainer bzw. Ersatzunterkünfte in ausreichender Zahl bereitgehalten werden, die über einen gesonderten Sanitärbereich verfügen müssen (vgl. Anhang 4 Abs. 18).

Für die Bereiche Landwirtschaft und Logistik sind, soweit keine Möglichkeiten zur Handhygiene außerhalb des Betriebsgeländes bestehen oder keine Toilettenkabinen vorhanden sind, die Arbeitnehmer mit Handdesinfektionsmitteln auszustatten (vgl. Anhang 2 + 3 Abs. 1, 2). Fahrer mit Kundenkontakten (insbesondere im ÖPNV) sollen sich ebenfalls an die Mindestabstände zu ihren Fahrgästen halten, andernfalls mindestens MNB tragen (Anhang 3 Abs. 3). Das jeweilige Fahrzeug aus dem betrieblichen Fuhrpark ist möglichst nur von einem Arbeitnehmer zu gebrauchen, ggf. jedenfalls bei Nutzung durch mehrere Arbeitnehmer vorher zu reinigen.

Komplexes System an Vorschriften

Aus der Vielzahl der Rechtsgrundlagen, verbindlichen Gesetze und bloßen Empfehlungen ist es für Arbeitgeber nicht leicht, die richtigen Maßnahmen zu entwickeln. Während die Vorgaben des AEntG, der ArbeitsstättenVO und der Technischen Regel zwingend sind, haben die Arbeitsschutzregel des BMAS lediglich empfehlenden Charakter hat. Gleichwohl ist deren Einhaltung dringend zu empfehlen.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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