9. April 2021
Einführung Kurzarbeit Arbeitsvertrag
Arbeitsrecht

Arbeitsvertragliche Einführung von Kurzarbeit sorgfältig gestalten

Bei der arbeitsvertraglichen Einführung von Kurzarbeit müssen Arbeitgeber sorgfältig vorgehen. Ansonsten droht deren Unwirksamkeit.

Arbeitgeber haben in vielen Branchen weiterhin mit den Auswirkungen der Coronakrise zu kämpfen. Die Anzahl der Beschäftigten* in Kurzarbeit liegt nach Angaben der Agentur für Arbeit seit März 2020 bei über zwei Millionen.

Zur Einführung von Kurzarbeit benötigen Arbeitgeber eine rechtliche Grundlage. Ist der Arbeitgeber nicht tarifgebunden und existiert in seinem Betrieb kein Betriebsrat, muss der Arbeitgeber versuchen, die Einführung von Kurzarbeit mit seinen Arbeitnehmern arbeitsvertraglich zu vereinbaren. Arbeitgeber können Kurzarbeit nicht wirksam kraft ihres Direktionsrechts einseitig anordnen.

Weigert sich ein Arbeitnehmer und lässt sich dieser nicht auf eine Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit ein, bleibt dem Arbeitgeber nur eine Änderungskündigung. Das Arbeitsgericht Stuttgart hat beispielsweise eine fristlose Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit akzeptiert – diese muss aber insbesondere verhältnismäßig sein (ArbG Stuttgart, Urteil v. 22. Oktober 2020 – 11 Ca 2950/20).

Auch in dem Fall, dass Arbeitnehmer eine Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit unterschreiben, müssen Arbeitgeber sorgfältig vorgehen. Dies zeigt ein aktuelles Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder): Eine Vereinbarung kann andernfalls unwirksam sein – mit der Folge, dass Arbeitnehmer ihren vollen Vergütungsanspruch behalten.

Der Fall: Pauschale Vereinbarung zu Kurzarbeit

In dem vom Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) entschiedenen Fall (ArbG Frankfurt (Oder), Urteil v. 10. Februar 2021 – 1 Ca 1076/20) vereinbarte der Arbeitgeber mit der Arbeitnehmerin unter der Überschrift „Kurzarbeit – betriebliche Einheitsregelung″ schriftlich Folgendes:

Sehr geehrte Mitarbeiterinnen,
sehr geehrte Mitarbeiter,
aufgrund der Corona Situation ist für verschiedene unserer Standorte zu befürchten, dass wirtschaftliche Beeinträchtigungen unseres Betriebes erfolgen werden.
Wir beabsichtigen daher, zumindest ab dem 16.03.2020 bis auf weiteres Kurzarbeit einzuführen. Der Umfang der Kurzarbeit ist derzeit nicht absehbar und kann bis hin zur Kurzarbeit „null″ reichen, wenn ein Arbeiten in den Standorten nicht möglich sein sollte.

Die Entscheidung: Unwirksame Vereinbarung und Zahlung von Differenzlohn

Das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) hielt die Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit für unwirksam und sprach der Klägerin den Differenzlohn zwischen tatsächlich gezahlter und vertraglich vereinbarter Vergütung zu. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts halte die Vereinbarung zur Kurzarbeit einer AGB-Kontrolle nicht stand. Diese benachteilige die Arbeitnehmerin unbillig im Sinne von § 307 BGB. Die Abrede weiche aufgrund der verringerten Vergütung von den gesetzlichen Regelungen der §§ 611 BGB und des § 2 KSchG ab. Das Arbeitsgericht rügte dabei, dass die Vereinbarung weder

  • eine Ankündigungsfrist noch
  • eine Begrenzung des Umfangs der Kurzarbeit noch
  • ein zeitliches Ende der Kurzarbeit

enthält und zudem Maßgaben zur personellen Konkretisierung der Kurzarbeit nicht aufstellt.

Vereinbarungen zur Einführung von Kurzarbeit könnten zwar grundsätzlich auch konkludent getroffen werden. Damit sind Fälle gemeint, in denen der Arbeitnehmer nach entsprechendem Angebot des Arbeitgebers widerspruchslos gemäß den verschlechterten Vertragsbedingungen weiterarbeitet (vgl. hierzu LAG Düsseldorf, Urteil v. 14. Oktober 1994 – 10 Sa 1194/94). Im vorliegenden Fall konnte der Arbeitgeber eine solche konkludente Vereinbarung aber nicht schlüssig darlegen.

Die Bewertung: Strenger Maßstab des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) in Fragen der arbeitsvertraglichen Einführung von Kurzarbeit

Das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) legt einen strengen Maßstab an die Formulierung der Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit an; dies gilt insbesondere für das zwingende Erfordernis einer Ankündigungsfrist. Das Arbeitsgericht Frankfurt lässt allerdings außer Acht, dass Kurzarbeit vom Gesetzgeber als Überbrückungshilfe für Arbeitgeber bei vorübergehendem und nicht vermeidbarem Arbeitsausfall entworfen worden ist. Der Gesetzgeber unterstützt Kurzarbeit durch die Zahlung von Kurzarbeitergeld. Ziel ist die Beschäftigungssicherung.

Die gesetzlichen Regelungen zu Kurzarbeitergeld in den §§ 95 ff. SGB III sind bei der Frage zu berücksichtigen, ob Arbeitnehmer durch eine Abrede zur Einführung von Kurzarbeit unangemessen benachteiligt werden. Ansonsten drohen zu hohe arbeitsrechtliche Anforderungen an die Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit der beschäftigungspolitischen Wirkung von Kurzarbeitergeld entgegenzustehen. Mit entsprechender Begründung hat das Arbeitsgericht Stuttgart (ArbG Stuttgart, Urteil v. 22. Oktober 2020 – 11 Ca 2950/20) eine fristlose Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit akzeptiert.

Die Folge: Bei der arbeitsvertraglichen Vereinbarung von Kurzarbeit sorgfältig vorgehen

Die Anforderungen an eine arbeitsvertragliche Vereinbarung von Kurzarbeit sind höchstrichterlich nicht geklärt. Solange dies der Fall ist, zeigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) – wie auch schon ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 19. Januar 2011 – 17 Sa 2153/10): Arbeitgeber müssen bei der arbeitsvertraglichen Vereinbarung von Kurzarbeit sorgfältig vorgehen. Andernfalls riskieren sie die Unwirksamkeit der Vereinbarung und volle Vergütungszahlung.

Dabei gilt: Je konkreter der Arbeitgeber die Vereinbarung fassen kann, desto besser. Dies betrifft insbesondere Beginn, Dauer und Umfang der Kurzarbeit. Das Risiko einer unbilligen Regelung wird zudem verringert, wenn Arbeitgeber eine Ankündigungsfrist vorsehen und Bezug auf das Vorliegen der sozialrechtlichen Voraussetzungen für die Zahlung von Kurzarbeitergeld nehmen.

In der Praxis werden konkrete Vereinbarungen für Arbeitgeber nicht immer möglich sein: Häufig sind Unternehmen zu Kurzarbeit in Situationen gezwungen, in denen der Umfang und Dauer nicht von Anfang an abschätzbar sind. Der Bedarf für Kurzarbeit kann zudem im Zeitverlauf schwanken. Arbeitgeber sollten in solchen Fällen eine Gestaltung in Betracht ziehen, bei denen zunächst eine grundsätzliche Anordnungsmöglichkeit von Kurzarbeit mit den betroffenen Arbeitnehmern vereinbart wird, die durch Nachträge konkretisiert wird. Sich allein auf eine konkludente Einwilligung der Arbeitnehmer zu verlassen, ist risikoreich – auch das zeigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder).

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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