Ende September 2018 ist die Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten abgelaufen. Welche Möglichkeiten gibt es, den Einsatz "faktisch" zu verlängern?
Mit Wirkung zum 1. April 2017 hat der Gesetzgeber das AÜG angepasst. Die Arbeitnehmerüberlassung soll nach Gesetzesbegründung
auf ihre Kernfunktion als Instrument zur zeitlich begrenzten Deckung des Arbeitskräftebedarfs hin orientiert werden.
Missbräuchliche Gestaltungen des Fremdpersonaleinsatzes in Form der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung sollen vermieden werden (vgl. BT-Drucksache 18/9232, S. 2, 19). Dies soll insbesondere durch die Wiedereinführung eine Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten erreicht werden (§ 1 Abs. 1 S. 4, Abs. 1b AÜG).
Abweichungen von der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer
In Tarifverträgen der Einsatzbranche kann allerdings eine abweichende Überlassungshöchstdauer vorgesehen werden (§ 1 Abs. 1b S. 3 AÜG) – so bereits geschehen in den Tarifverträgen LeiZ in der M+E-Industrie, nach denen diese bis zu 48 Monate betragen kann. Weitere Flächentarifverträge sind kürzlich für das Elektrohandwerk mit der CGM und der IG Metall sowie für die Stahlindustrie (ebenfalls mit der IG Metall) geschlossen worden; in diesen ist eine Überlassungshöchstdauer von 30 bzw. 36 Monaten vorgesehen. In solchen Tarifverträgen der Einsatzbranche können Öffnungsklauseln vorgesehen werden, die Betriebsvereinbarungen über die Änderung der Überlassungshöchstdauer durch die jeweiligen Betriebspartner im Einsatzbetrieb zulassen (§ 1 Abs. 1b S. 5 AÜG). Über die Einzelheiten der mit der IG Metall geschlossenen Tarifverträge berichten wir im Infobrief Oktober 2018.
Sofern ein Tarifvertrag der Einsatzbranche zur Überlassungshöchstdauer abgeschlossen worden ist, können sich nicht-tarifgebundene Kundenunternehmen diesen nutzbar machen, indem der Tarifvertrag durch eine Betriebsvereinbarung übernommen, sprich „abgeschrieben″, wird (§ 1 Abs. 1 S. 4 AÜG). Voraussetzung ist allerdings, dass der betreffende Tarifvertrag für das Kundenunternehmen anwendbar wäre, wenn dieses tarifgebunden wäre. Auf Öffnungsklauseln in solchen Tarifverträgen können sich auch nicht-tarifgebundene Kundenunternehmen berufen und entsprechend gestaltende Betriebsvereinbarungen abschließen (§ 1 Abs. 1b S. 6 AÜG).
Berechnung der Überlassungshöchstdauer
Die Überlassungshöchstdauer ist nach herrschender und von der BA vertretener Ansicht arbeitnehmer- und nicht arbeitsplatzbezogen zu bestimmen (vgl. Bissels/Falter, ArbR 2017, 4 f. m.w.N.; FW AÜG Ziff. 1.2.1 Abs. 2, S. 23). Es kommt daher auf die individuelle Einsatzdauer des jeweiligen Zeitarbeitnehmers an. Nicht maßgeblich ist, dass ein beim Kunden vorgehaltener Arbeitsplatz dauerhaft – möglicherweise mit wechselnden Zeitarbeitnehmer – mit selbigen besetzt wird.
Die Überlassungshöchstdauer wird richtigerweise nicht betriebs-, sondern rechtsträgerbezogen berechnet (vgl. Bissels/Falter, ArbR 2017, 5 f. m.w.N.). Darauf stellt auch die BA ab (FW AÜG Ziff. 1.2.1 Abs. 2, S. 23). Zu fragen ist daher, welche juristische oder natürliche Person mit dem Personaldienstleister den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag abschließt, der letztlich die Grundlage für den Einsatz des Zeitarbeitnehmers darstellt. Für die Berechnung der Überlassungshöchstdauer kommt es folglich nur darauf an, dass der Zeitarbeitnehmer an den betreffenden Kunden überlassen wird; unerheblich ist, dass dieser auf wechselnden Arbeitsplätzen, mit unterschiedlichen Tätigkeiten oder an anderen Arbeitsorten bei diesem eingesetzt wird.
Nach einer Unterbrechung des Einsatzes des überlassenen Zeitarbeitnehmers von mehr als 3 Monaten (nämlich mindestens 3 Monate und 1 Tag) wird die Überlassungshöchstdauer „genullt″ (§ 1 Abs. 1b S. 2 AÜG) und kann bei dem Kunden erneut in Gänze ausgeschöpft werden. Unterbrechungen von 3 Monaten oder kürzer hemmen die Einsatzzeit und können folglich bei einem Folgeeinsatz angehängt werden.
Rechtsfolgen bei Überschreitung der Überlassungshöchstdauer
Die Überschreitung der Überlassungshöchstdauer führt zu der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Zeitarbeitnehmer und dem Kundenunternehmen, auch ohne oder sogar gegen deren Willen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1b i.V.m. § 10 Abs. 1 AÜG), es sei denn, der Zeitarbeitnehmer gibt eine sog. Festhaltenserklärung ab, die zu einem „Rückfall″ des Arbeitsverhältnisses an den Personaldienstleister führt (vgl. § 9 Abs. 2, 3 AÜG). Der Verstoß ist für das Zeitarbeitsunternehmen (nicht hingegen für den Kunden) bußgeldbewehrt (bis zu 30.000,00 €, vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 1e, Abs. 2 AÜG). Der Personaldienstleister muss zudem erlaubnisrechtliche Konsequenzen befürchten, die auch den Widerruf der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zur Folge haben können.
Gesetzliche Übergangsregelung
Der Gesetzgeber hat der Praxis für die auf insoweit für die Berechnung der Überlassungshöchstdauer maßgeblichen Einsatzzeiten Zeit eingeräumt, sich auf diese Neuerung einzustellen. Diese sollen erst ab dem 1. April 2017 zu laufen beginnen, selbst wenn der Zeitarbeitnehmer schon vor diesem Datum – möglicherweise jahrelang – an einen Kunden überlassen war (vgl. § 19 Abs. 2 AÜG).
Bedauerlicherweise hat der Gesetzgeber keine klare Regelung getroffen, wie die Frist und deren Ablauf zu bestimmen ist. So überrascht es nicht, dass der maßgebliche Zeitpunkt der Ablauffrist umstritten ist.
Die herrschende Ansicht geht richtigerweise davon aus, dass die Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten mit Ablauf des 30. September 2018 endete (§§ 187 Abs. 2 S. 1, 188 Abs. 2 BGB); dieser Auffassung dürfte auch die BA folgen (vgl. FW AÜG Ziff. 1.2.1 Abs. 2, S. 23). In der Literatur wird jedoch für die Fristberechnung abweichend auf § 191 BGB abgestellt (vgl. Pütz, DB 2017, 425). Die einzelnen Monate werden pauschal mit 30 Tagen in die Berechnung eingestellt, selbst wenn diese realiter eine höhere oder geringere Anzahl an Kalendertagen aufweisen. So wird z.B. der Monat Februar mit 30 Tagen einbezogen. Dies gilt auch für den August, selbst wenn dieser Monat über 31 Kalendertage verfügt. Diese Ansicht führt dazu, dass über die Dauer von 18 Monaten – im Vergleich zur herrschenden Meinung – einige Tage „verloren gehen″ (540 Tage vs. 548 Tage). Die Überlassungshöchstdauer endete danach bereits mit Ablauf des 22. September 2018.
Vor diesem Hintergrund müssen sich Personaldienstleister und Kunden bereits fragen, welchen Zeitpunkt sie als maßgeblich für den Ablauf der Überlassungshöchstdauer ansehen. Es sprechen gute und überzeugende Gründe dafür, hier auf den 30. September 2018 abzustellen. Mangels einschlägiger Rechtsprechung besteht jedoch eine gewisse Rechtsunsicherheit, ob die Gerichte insoweit nicht eine abweichende Ansicht vertreten und § 191 BGB anwenden – mit der Folge, dass die Überlassungshöchstdauer (inklusive der an einen Verstoß anknüpfenden, im Ergebnis drastischen Rechtsfolgen) zeitlich früher abläuft. Sollen jegliche Risiken durch eine mögliche Überschreitung der Überlassungshöchstdauer vermieden werden, sollte der 22. September 2018 als maßgebliches Datum angesehen werden. Hier gilt es jedoch – auch unter wirtschaftlichen Erwägungen – eine kundenspezifische Risikoabwägung zu treffen.
Praxishinweis: Verschiedene Modelle, Zeitarbeitnehmer über 18 Monate einzusetzen
Auf den Ablauf der Überlassungshöchstdauer kann aus Kundensicht mit der Beendigung des Einsatzes des betreffenden Zeitarbeitnehmers durch die Kündigung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages reagiert werden. Dies löst jedoch nicht das Problem, da in der Regel der Beschäftigungsbedarf, der über den Zeitarbeitnehmer abgedeckt werden soll, fortbesteht.
Der Kunde hat dabei (natürlich) die Möglichkeit, den Zeitarbeitnehmer in ein (auch sachgrundlos befristetes) Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Dies ist jedoch in der Praxis aufgrund entsprechender Head Count-Vorgaben in der Regel nicht das Mittel der Wahl.
Alternativ kann ein anderer Zeitarbeitnehmer den bisher eingesetzten Mitarbeiter ablösen. Entsprechende Rotationen sind auch auf einem Dauerarbeitsplatz möglich. Nach einer Unterbrechung von 3 Monaten und 1 Tag kann der ursprüngliche Zeitarbeitnehmer auf den bestreffenden Arbeitsplatz wieder „hineinrotieren″ und erneut 18 Monate eingesetzt werden. Sog. Entleiherrotationen schließt das AÜG nicht aus. In der Praxis sind derartige Modelle jedoch mit operativen Schwierigkeiten verbunden, da die neu eingesetzten Zeitarbeitnehmer zunächst eingearbeitet werden müssen. Gerade bei größeren Populationen von Drittkräften kann der gleichzeitige Austausch erhebliche betriebsorganisatorische Störungen bedingen. Hier ist also Weitsicht geboten, um frühzeitig mit einer Rotation zu beginnen, damit stets eine kritische Masse von eingearbeiteten Zeitarbeitnehmern beim Kunden verbleiben kann.
Es existieren weitere Modelle, Zeitarbeitnehmer de facto auch über 18 Monate hinaus bei einem Kunden einzusetzen (Stichwort: Gemeinschaftsbetrieb; Abschluss von „echten″ Werk-/Dienstverträgen). Diese können jedoch mit gewissen (rechtlichen) Unwägbarkeiten verbunden sein. Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie dazu weitere Informationen wünschen.
Die weiteren Einzelheiten entnehmen Sie unserer September-Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit“, in dem wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informieren. Sollten Sie Interesse haben, diesen kostenfrei zu beziehen, schreiben Sie uns bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.comoder kira.falter@cms-hs.com).