27. November 2019
Bauherr Haftung AEntG
Arbeitsrecht

BAG: Immobilienentwickler als Bauherren haften nicht als Bürgen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz

Das BAG sorgt für Klarheit bei der Frage, ob auch Immobilienentwickler als Bauherren unter die Haftungsnorm des 14 AEntG fallen.

Wie in unserem Blog-Beitrag vom 19. Juli 2018 angekündigt, informieren wir Sie sehr gerne über eine aktuelle Entscheidung zur Auslegung des Unternehmerbegriffs gemäß § 14 Abs. 1 Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG).

Das BAG hat sich in seinem Urteil vom 16. Oktober 2019 (Az.: 5 AZR 241/18) der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg angeschlossen: Unternehmer, die als bloße Bauherren eine Bauleistung in Auftrag geben, werden nicht von der Haftungsnorm des § 14 AEntG erfasst. Sie können demnach nicht für die Gewähr des Mindestlohnes bzw. das Abführen von Beiträgen zur Sozialkasse des Baugewerbes durch die beauftragten Generalunternehmer bzw. die durch diese beauftragten Subunternehmer (sog. Kettenhaftung) in Anspruch genommen werden.

Die vorinstanzliche Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg

Anfang des Jahres 2018 hatte das LAG Berlin-Brandenburg (Az.: 21 Sa 1231/17) entschieden, dass Bauherren – auch wenn sie als Immobilienentwickler tätig sind – nicht von der Haftungsregelung des § 14 AEntG erfasst werden.

Unternehmen, die den Bau einer Immobilie beauftragen, sind auch dann keine Unternehmer i.S.d. § 14 AEntG, wenn sie die Immobilie nicht zur Eigennutzung bauen lassen, sondern um sie später beispielsweise zur Vermietung zu verwenden. Damit haften sie nicht für die Verpflichtung der mit dem Bau beauftragten Unternehmer bzw. Subunternehmer zur Zahlung des Mindestlohns an die Beschäftigten*.

Arbeitnehmer klagte gegen Bauherrn auf Zahlung des Mindestlohns

Zugrunde lag folgender Sachverhalt: Der Kläger war im Rahmen der Errichtung des Einkaufszentrums „Mall of Berlin“ in Berlin Mitte als Bauarbeiter tätig. Das Bauvorhaben besteht aus zwei Gebäudekomplexen und erstreckt sich über zwei Grundstücke, die jeweils anderen Eigentümern gehören. Beide Eigentümer (die Beklagte und eine weitere Personengesellschaft) beauftragten eine Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus zwei Bauunternehmen, als Generalunternehmerin. Diese wiederum beauftragte eine Reihe von Subunternehmern mit der Erbringung der Bauleistungen – unter anderem auch den Arbeitgeber des Klägers.

Über das Vermögen beider zur Arbeitsgemeinschaft gehörenden Bauunternehmen wurde ebenso das Insolvenzverfahren eröffnet wie über das Vermögen des Arbeitgebers des Klägers.

Dem Kläger wurde für seine Tätigkeit auf der Baustelle in Berlin nicht der gesetzliche Mindestlohn gewährt. Er verlangte nun von der Eigentümerin desjenigen Grundstücks, auf welchem er schwerpunktmäßig tätig gewesen war, die Zahlung des ihm zustehenden Mindestlohnes. Er vertrat die Auffassung, dass auch die beklagte Grundstückseigentümerin nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz als „Unternehmer″ für die Lohnschulden des Subunternehmers haften müsse.

Keine Haftung nach § 14 AEntG: Bauherrin hat keine eigenen Vertragspflichten weitergegeben

Grundsätzlich haftet nach § 14 AEntG ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, für dessen Verpflichtungen zur Zahlung des Mindestentgelts an seine Arbeitnehmer wie ein Bürger, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Einigkeit bestand auch bislang, dass ein Unternehmer, der ein Gebäude errichten lässt und dessen Geschäftszweck der Verkauf des Gebäudes ist (Fall des Bauträgers), von der Haftungsnorm erfasst wird.

Das BAG stellte nun klar, dass die Haftung nicht auf einen Bauherrn erstreckt werden kann, der den Auftrag zur Errichtung eines Gebäudes für den betrieblichen Eigenbedarf erteilt und dessen Geschäftszweck sich auf die Entwicklung und Verwaltung der Immobilie erstreckt.

Der Begriff des Unternehmers sei im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung zur Vorgängernorm (§ 1a AEntG aF) einschränkend auszulegen. Erfasst werde nur der Unternehmer, der sich selbst zur Erbringung einer Werk- oder Dienstleistung verpflichtet hat und diese aber nicht mit eigenen Arbeitskräften erledigt, sondern sich zur Erfüllung seiner Verpflichtung eines oder mehrerer Subunternehmer bedient. Grund für diese Haftung sei, dass der Unternehmer auf diese Weise die zu beachtende Gewähr zwingender Mindestarbeitsbedingungen aus der Hand gebe und daher für einen etwaigen Verstoß (mit-) verantwortlich zu machen sei.

Diese Erwägung treffe bei der beklagten Bauherrin aber gerade nicht zu. Sie habe lediglich den Auftrag zur Errichtung eines Gebäudes für den betrieblichen Eigenbedarf an einen Generalunternehmer erteilt und nicht gleichsam eigene Vertragsverpflichtungen weitergegeben. Vielmehr habe sie den Generalunternehmer mit einer, außerhalb ihres eigenen Tätigkeitsbereichs liegenden, Leistung beauftragt. Dementsprechend habe sie auch nicht für den Verstoß des Generalunternehmers (oder der von diesem eingesetzten Subunternehmer) gegen das Mindestlohngesetz einzustehen.

Fazit: Auftraggebender Bauherr kein von der Zielrichtung des § 14 AEntG erfasstes Haftungssubjekt

Die Entscheidung des BAG überzeugt – auch trotz der Erweiterung des Geltungsbereichs des AEntG auf alle Branchen. Denn Hintergrund sowie Sinn und Zweck der Haftung gemäß § 14 Abs. 1 AEntG ist es, dass derjenige, der durch die Einschaltung von Subunternehmern die Erfüllung eigener Vertragspflichten weitergibt, auch die Erfüllung der Pflichten zur Beachtung der zwingenden Mindestarbeitsbedingungen aus der Hand gibt. Ebenso wie für die Erfüllung der Vertragspflichten soll er dann (gegenüber den Arbeitnehmern) für die Erfüllung der Mindestlohnansprüche einstehen.

Der auftraggebende Bauherr hingegen ist kein von der Zielrichtung der Norm erfasstes Haftungssubjekt. Die haftungsrechtliche Einstandspflicht kann sich ausnahmslos nur für solche Unternehmer ergeben, die konkret mit der Erbringung von Werk- und Dienstleistungen beim Bau beauftragt wurden und sich hierbei weiterer Unternehmer zur (ggf. kostengünstigeren) Erbringung derselben bedienen. Mit der Vergabe schafft der Bauherr aber lediglich die Grundlage dafür, dem eigenen Geschäftszweck nachgehen zu können.

Anwendungsbereich des § 14 AEntG außerhalb der Baubranche

Fraglich bleibt, ob sich die Argumentation des BAG auf weitere Fälle außerhalb der Baubranche erweitern lässt: Haftet daher beispielsweise ein Auftraggeber von Reinigungsdienstleistungen nur dann, wenn dieser eigene Reinigungsdienstleistungen weitergibt? Oder haftet der Auftraggeber auch dann, wenn dieser eine seiner Tätigkeit völlige fremde Leistung weitergibt?

Die einschränkende Auslegung des Unternehmerbegriffs kann seit der Neufassung des § 14 AEntG, die den Geltungsbereich auf zahlreiche Branchen ausweitet, nicht mehr auf die Besonderheiten des Bausektors gestützt werden. Das Prinzip der Generalunternehmerhaftung bedeutet branchenübergreifend, dass die Bürgenhaftung für die Zahlung des Mindestlohns nur dann eingreift, wenn der Unternehmer andere Unternehmer für die Erbringung der Leistung einsetzt, die er selbst im geschäftlichen Verkehr anbietet.

So entschied beispielsweise das Amtsgericht München (AG München, Urteil v. 30. Dezember 2010 – 1112 Owi 298 Js 35029/10), dass ein Hotel zwar im geschäftlichen Verkehr Übernachtungsgelegenheiten anbietet; die hierfür notwendige Zimmerreinigung sei aber nicht Teil des geschäftlichen Angebots des Hotels, sondern lediglich eine interne Vorbereitungsmaßnahme, weshalb das Hotel gegenüber dem eingesetzten Reinigungsdienst und dessen Arbeitnehmern nicht in den Bereich der Generalunternehmerhaftung falle.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: AEntG Bauherr Bürge Haftung Immobilienentwickler Mindestlohn