Wichtige Bestätigung für global agierende Unternehmen: Bei Fehlen einer Konzernspitze im Inland kann kein Konzernbetriebsrat errichtet werden.
Das BAG hat mit Beschluss vom 23. Mai 2018 (Az.: 7 ABR 60/16) die ständige Rechtsprechung bestätigt, dass ein Konzernbetriebsrat für die inländischen Gesellschaften nur bei einer Konzernspitze im Inland gebildet werden kann. Erfolgt die unternehmensübergreifende Leitung durch die ausländische Konzern(ober)gesellschaft, fehlt es an den Voraussetzungen der Bildung eines Konzernbetriebsrats.
Schon die Vorinstanz LAG Nürnberg hatte am 21. Juli 2016 (Az.: 5 TaBV 54/15) die Zulässigkeit der Errichtung eines Konzernbetriebsrats zur Recht verneint, die Rechtsbeschwerde aber zugelassen.
Sachverhalt: Weder Konzernmutter noch Teilkonzernspitze im Inland
Im konkreten Fall hatten drei örtliche Betriebsratsgremien der in Deutschland gelegenen Technologieunternehmen die Errichtung eines „Konzernbetriebsrates“ bei der inländischen Finanzholding beschlossen. Gesamtbetriebsräte existieren nicht.
Die mitarbeiterlose deutsche Holdinggesellschaft, eine 100%ige Tochtergesellschaft der Schweizer Konzernmutter, hatte als reine Finanzholding keine eigene Geschäftstätigkeit. Bei ihr erfolgte leidglich die Konsolidierung der Jahresergebnisse der vier deutschen Tochtergesellschaften. Die Finanzholding übte insbesondere auch keine unternehmensübergreifende Leitungsmacht im Hinblick auf soziale, personeller oder wirtschaftliche Angelegenheiten der Tochtergesellschaften aus. Trotz formal bestehenden Beherrschungsverhältnisses gegenüber zwei der vier Tochtergesellschaften wurde die Leitungsfunktion durch die Finanzholding auch diesen gegenüber tatsächlich nie ausgeübt. Vielmehr erfolgt die Leitung durch die Konzernmutter in der Schweiz. Wesentliche Entscheidungen wurden durch den CEO der Schweizer Konzernmutter, dessen Stellvertreter, den CFO oder den Verwaltungsrat der Konzernobergesellschaft getroffen. Entsprechend bestand auch keine Teilkonzernspitze in Deutschland.
Der durch die Betriebsräte gebildete „Konzernbetriebsrat″ wurde durch die Tochterunternehmen nicht anerkannt und auch nicht beteiligt. Mit dem eingeleiteten Beschlussverfahren begehrten diese die Feststellung, dass der gebildete „Konzernbetriebsrat“ keinen Bestand hat.
BAG: Konzernbetriebsrat fehlt es an unternehmensübergreifender Leitungsfunktion im Inland
Zu Recht hat das BAG – wie auch die Vorinstanzen – die wirksame Errichtung des Konzernbetriebsrats verneint und damit die bisherige Rechtsprechung (z.B. BAG vom 14. Februar 2007 – 7 ABR 26/06; BAG 16. Mai 2007 – 7 ABR 63/06) bestätigt.
Die Beteiligungsrechte sollen dort ansetzen, wo die unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden. Die Mitbestimmung auf Konzerneben bedarf eines Ansprechpartners auf Unternehmensseite, mit dem für die nachgeordneten Unternehmen verbindliche Vereinbarungen getroffen werden können. Dies setzt das Vorhandensein einer Leitung im Inland voraus. Das Bestehen einer bloßen Finanzholding reicht hierfür nicht, da diese nicht mit entsprechender Kompetenz der Einflussnahme auf die operativen Tochtergesellschaften ausgestattet ist und somit kein entsprechendes beherrschendes Unternehmen im Sinne des § 18 Abs. 1 AktG darstellt.
Der gebildete „Konzernbetriebsrat“ ist vor diesem Hintergrund funktionslos. Es ist nicht ersichtlich, welche konkreten Rechte und Pflichten er wahrnehmen kann. Fehlt es damit an einer unternehmensübergreifenden Leitungsfunktion im Inland, hindert das Territorialitätsprinzip die Errichtung eines Konzernbetriebsrats.
Ausblick – Auswirkungen des Fehlens eines Konzernbetriebsrats in der Praxis
Auch wenn die Entscheidung die bisherige Rechtsprechung konsequent und zutreffend fortsetzt, bleibt nach der Vorgängerentscheidung des selben Senats vom 14. Februar 2007 (Az.: 7 ABR 26/06) offen, ob damit unternehmensübergreifende Beteiligungsrechte bei Konzernspitze im Ausland vollständig entfallen. Nach den Urteilsgründen der Entscheidung aus 2017 soll dies gerade nicht der Fall sein. Vielmehr führe das Fehlen eines Konzernbetriebsrat wegen ausländischer Konzernspitze nicht zum Fortfall der betrieblichen Mitbestimmung,
sondern nur zu ihrer Verlagerung auf eine andere Ebene in den verbundenen Unternehmen (so BAG vom 14. Februar 2017 – 7 ABR 26/06).
Selbst bei Sachverhalten, die bei Vorhandensein eines Konzernbetriebsrats in dessen originäre Zuständigkeit fielen, sollen die Beteiligungsrechte bei ausländischer Konzernspitze dann von den Gesamtbetriebsräten und Betriebsräten der konzernangehörigen Unternehmen wahrgenommen werden. Der Schwierigkeit, konzerneinheitliche Regelungen zu erreichen, könne die Konzernobergesellschaft im Ausland nach Auffassung des 7. Senats leicht dadurch begegnen, dass sie die Leitungsmacht ins Inland verlagert oder Entherrschungsverträge abschließt. Ob der Senat in seiner aktuellen Entscheidung an dieser Sichtweise festhält, bleibt abzuwarten. Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor.