18. Juli 2023
Verfall Verjährung Urlaubsanspruch Mitwirkung Arbeitgeber
Arbeitsrecht

Verfall und Verjährung von Urlaubsansprüchen sowie Urlaubsabgeltungsansprüchen bei unterlassenen Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers – Update #2

In mehreren Grundsatzentscheidungen hat das BAG Ende 2020 sowie Anfang 2023 das nationale Urlaubsrecht weiter den europäischen Vorgaben angepasst. Die Praxisrelevanz ist enorm.

Das Urlaubsrecht ist einer der Bereiche des Arbeitsrechts, der in den letzten Jahren mit den größten Veränderungen unterworfen war. Maßgeblich beruhte dies auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH). 

2018 hat der EuGH die EU-Arbeitszeit-Richtlinie (RL 2003/88/EG) dahingehend ausgelegt, dass Arbeitgeber* u.a. verpflichtet sind, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass ihre Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage sind, ihren bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Sie haben Arbeitnehmer – erforderlichenfalls förmlich – dazu aufzufordern, dies zu tun, und ihnen klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der nicht genommene Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen wird (sog. Mitwirkungsobliegenheit). Damit hat der EuGH dem deutschen Urlaubsrecht eine neue Prägung hinzugefügt.

Urlaubsansprüche verfallen grundsätzlich nur, wenn der Arbeitgeber zuvor seine Mitwirkungsobliegenheit erfüllt hat

Insbesondere die gesetzlichen Regelungen zum Verfall von Urlaubsansprüchen müssen seitdem im Lichte dieser Rechtsprechung unionsrechtskonform interpretiert werden. Nach der Rechtsprechung des BAG können in einem Kalenderjahr entstandene Urlaubsansprüche daher nach Maßgabe des § 7 Abs. 3 BUrlG grundsätzlich nur verfallen, wenn der Arbeitgeber zuvor seine Mitwirkungsobliegenheit erfüllt hat. Hierzu muss er den Arbeitnehmer im Sinne des EuGH unterrichten und ihn damit in die Lage versetzen, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen.

Nimmt der Arbeitnehmer dann seinen Urlaub gleichwohl nicht, kann der Urlaub weiterhin verfallen (vgl. BAG, Beschluss v. 7. Juli 2020 – 9 AZR 401/19 [A]). Wichtig ist dabei, dass diese Rechtsprechung grundsätzlich nur für den gesetzlichen Mindesturlaub gilt.

Für tarifvertraglichen oder individualvertraglichen Zusatzurlaub sind abweichende Regelungen (auch zum Verfall) weiterhin möglich und auch anzuraten. Die folgenden Erläuterungen gelten damit in erster Linie für den gesetzlichen Mindesturlaub. 

Verfall von Urlaub bei gesundheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit und unterbliebener Mitwirkungsobliegenheit war bislang ungeklärt

Besonderheiten gelten, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, seinen Urlaub im Urlaubsjahr oder innerhalb des gesetzlichen Übertragungszeitraums bis zum 31. März des Folgejahres (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG) zu nehmen. Für diese Fälle hat das BAG grundsätzlich entschieden, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch eines seit Beginn oder im Verlauf des Urlaubsjahres arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers bei ununterbrochen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt (vgl. BAG, Urteil v. 7. August 2012 – 9 AZR 353/10).

Bislang war allerdings ungeklärt, ob und inwieweit diese Rechtsprechung auch Anwendung finden kann, wenn der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen ist. Denn – wie dargestellt – verfallen Urlaubsansprüche im Grundsatz nur, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat

Für Fälle, in denen der Arbeitnehmer durchgehend arbeitsunfähig krank war und deshalb – unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheiten erfüllt hat – überhaupt keinen Urlaub nehmen konnte, kommt es auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten nicht an. Hier bleibt es (richtigerweise) dabei, dass der Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt. Das BAG begründet dies damit, dass in diesem Fall nicht die Handlungen oder Unterlassungen des Arbeitgebers, sondern allein die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers für den Verfall des Urlaubs ursächlich sind (vgl. BAG, Beschluss v. 7. Juli 2020 – 9 AZR 401/19 [A]).

Anders liegt die Sache aber, wenn der betreffende Arbeitnehmer in dem Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet hat, bevor es ihm gesundheitsbedingt (z.B. infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit oder voller Erwerbsminderung) unmöglich wurde, seinen Urlaub zu nehmen und der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen ist.

BAG: Verfall des Urlaubsanspruchs bei tatsächlicher Arbeitsleistung im Urlaubsjahr grundsätzlich nur bei Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten durch den Arbeitgeber

In dem insoweit maßgeblichen Verfahren machte der Kläger, der vom 1. Dezember 2014 bis mindestens August 2019 wegen voller Erwerbsminderung aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten und deshalb auch seinen Urlaub nicht nehmen konnte, geltend, ihm stehe noch Resturlaub aus dem Jahr 2014 zu. Dieser sei nicht verfallen, weil die beklagte Arbeitgeberin ihren Obliegenheiten, an der Gewährung und Inanspruchnahme von Urlaub mitzuwirken, nicht nachgekommen sei. 

Das BAG setzte das Verfahren aus und legte die Rechtsfrage dem EuGH im Jahr 2020 vor. Im September 2022 beantwortete der EuGH die Vorlagefrage dahingehend, dass ein Verfall von Urlaubsansprüchen nach 15 Monaten nach Ablauf des Urlaubsjahres nicht in Betracht kommt, wenn der Arbeitnehmer in dem betreffenden Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet hat, bevor er voll erwerbsgemindert oder krankheitsbedingt arbeitsunfähig wurde, und der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen ist (vgl. EuGH, Urteil v. 22. September 2022 – C-518/20, C-727/20)

Das BAG entschied in Umsetzung der EuGH-Entscheidung, dass der Verfall des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG regelmäßig voraussetze, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage versetzt habe, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen (BAG, Urteil v. 20. Dezember 2022 – 9 AZR 245/19). Der für das Jahr 2014 noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch des Klägers sei nicht allein deshalb mit Ablauf des 31. März 2016 erloschen, weil der Kläger nach Eintritt seiner vollen Erwerbsminderung aus gesundheitlichen Gründen außerstande war, seinen Urlaub anzutreten. Der Resturlaub sei ihm für dieses Jahr erhalten geblieben, weil der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten bis zum 1. Dezember 2014 nicht nachgekommen sei, obwohl ihm dies möglich gewesen sei.

Ausnahme: Beginn der Arbeitsunfähigkeit in der ersten Arbeitswoche nach Entstehen des Urlaubsanspruchs

Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen hat das BAG in einer weiteren neuen Entscheidung statuiert. Das Gericht konkretisierte dabei die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber seiner Mitwirkungsobliegenheit nachzukommen hat. Dies habe „unverzüglich“ nach der Entstehung des Urlaubsanspruchs zu erfolgen. Was das bedeute, richte sich zwar stets nach den Umständen des Einzelfalls. Da die Berechnung des Urlaubsanspruchs und die Formulierung der Belehrung regelmäßig keine besonderen Schwierigkeiten bereiteten, sei unter normalen Umständen eine Frist von einer Woche, d.h. sechs Werktage, ausreichend (BAG, Urteil vom 31.01.2023 – 9 AZR 107/20).

Praxistipp: Auch der Samstag ist urlaubsrechtlich ein Werktag (vgl. § 3 BUrlG). Sollte der sechste Werktag nach Entstehung des Urlaubsanspruchs kein Arbeitstag sein, sollte die Mitwirkungsobliegenheit jedenfalls bei einer 5-Tage-Woche am letzten Arbeitstag innerhalb dieser Frist erfüllt werden.

Erkrankt ein Arbeitnehmer also innerhalb dieser Wochenfrist, verfällt sein Urlaubsanspruch bei andauernder Arbeitsunfähigkeit spätestens 15 Monate nach Ende des betreffenden Urlaubsjahres, selbst wenn der Arbeitgeber seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht nachgekommen ist. Bis zum Ablauf der Wochenfrist trägt dem BAG zufolge nämlich der Arbeitnehmer das Risiko, dass seine Urlaubsansprüche wegen einer Langzeiterkrankung verfallen.

Hinweis: Nach dem BAG stellen etwa Betriebsferien einen besonderen Umstand dar, der eine längere Unterrichtungsfrist rechtfertigt. Um wie viel länger die Unterrichtungsfrist ist, hat das BAG jedoch nicht näher konkretisiert. Auch dies dürfte – wie immer – vom Einzelfall abhängen.

Höhe des nicht verfallbaren Urlaubsanspruchs bei nicht erfolgter Unterrichtung hängt vom Zeitpunkt der Erkrankung ab

Kommt der Arbeitgeber seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht rechtzeitig nach, bedeutet dies jedoch nicht zwingend, dass dem unterjährig erkrankenden Arbeitnehmer für das betreffende Urlaubsjahr der volle Urlaubsanspruch „unverfallbar“ zusteht. Vielmehr kommt es nach dem BAG auf den Zeitpunkt der Erkrankung an: Erkrankt der Arbeitnehmer so früh im Jahr, dass er unter Beachtung der Zeitspanne, die dem Arbeitgeber zur „unverzüglichen“ Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheit zusteht, auch bei ordnungsgemäßer Information nicht den vollständigen Urlaub hätte nehmen können, bleibt ihm der Urlaub für dieses Urlaubsjahr nur soweit „unverfallbar“ erhalten, wie er den Urlaub tatsächlich hätte nehmen können.

Ein Beispiel: Ist der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers mit einer 5-Tage-Woche am 1. Januar 2023 (Sonntag) entstanden, hätte der Arbeitgeber bis einschließlich 9. Januar 2023 (Montag) Zeit gehabt, seiner Mitwirkungsobliegenheit nachzukommen, sofern in dem betreffenden Bundesland der 6. Januar ein Feiertag ist. Wäre der Arbeitnehmer ab dem Donnerstag, den 12. Januar, dauerhaft erkrankt, ohne dass der Arbeitgeber seiner Mitwirkungsobliegenheit nachgekommen wäre, wären nur zwei Urlaubstage (Dienstag und Mittwoch) für das Jahr 2023 „unverfallbar“. Die restlichen Urlaubsansprüche würden im Fall einer Dauererkrankung am 31.03.2025 verfallen.

Außerdem: BAG zur Verjährung von Urlaubsansprüchen

Neben der Frage des Verfalls von Urlaubsansprüchen aus Jahren, in denen der Arbeitnehmer vor Eintritt einer vollen Erwerbsminderung oder krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit tatsächlich gearbeitet hat, hat sich das BAG in letzter Zeit außerdem mit der Frage der Verjährung von Urlaubsansprüchen befasst, wenn der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen ist.

In diesem Fall machte eine Arbeitnehmerin gegenüber ihrem Arbeitgeber nach Beendigung des mit diesem bestehenden Arbeitsverhältnisses Ansprüche auf Abgeltung für Urlaubsansprüchen aus vergangenen Jahren im Umfang von insgesamt 101 Arbeitstagen geltend. Der Arbeitgeber, der für diese Jahre seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen war, berief sich auf die Verjährung dieser Urlaubsansprüche, so dass diese nach seiner Auffassung auch nicht abzugelten sind. Während die Klage der Arbeitnehmerin in erster Instanz keinen Erfolg hatte, sah das in zweiter Instanz mit dem Rechtsstreit befasste Landesarbeitsgericht Düsseldorf die Forderung der Arbeitnehmerin in einem Umfang von 76 abzugeltenden Arbeitstagen als begründetet an und erachtete dabei die vonseiten des Arbeitgebers erhobene Einrede der Verjährung für nicht durchgreifend.

Der Arbeitgeber legte gegen das Urteil Revision bei dem BAG ein. Dieses wendete sich auch bezüglich der Frage nach der Verjährung von Urlaubsansprüchen für den Fall, dass der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen ist, zunächst an den EuGH. Dieser entschied (ebenfalls) im September 2022, dass eine Verjährung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub, den ein Arbeitnehmer für einen Bezugszeitraum erworben hat, nicht in Betracht kommt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch wahrzunehmen (EuGH, Urteil v. 22. September 2022 – C-120/21).

In Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung entschied das BAG, dass die Vorschriften über die Verjährung zwar auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung finden, die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB allerdings nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat (BAG, Urteil v. 20. Dezember 2022 – 9 AZR 266/20). Da der Arbeitgeber in vorliegendem Fall seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen war, hatte seine Revision keinen Erfolg. Vielmehr verfielen die Urlaubsansprüche der Arbeitnehmerin nach Auffassung des BAG aufgrund der Nichterfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten durch den Arbeitgeber weder am Ende des Kalenderjahres noch am Ende eines Übertragungszeitraums; auch konnte der Arbeitgeber nicht mit Erfolg einwenden, der nicht gewährte Urlaub sei bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von drei Jahren verjährt.

BAG-Entscheidungen sind von grundsätzlicher Bedeutung für die Praxis

Das BAG hat mit seinen jüngsten Entscheidungen das Urlaubsrecht weiter ausdifferenziert. Die Entscheidungen sind von grundsätzlicher Bedeutung für die Praxis.

Die Entscheidungen betonen die Wichtigkeit der Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Gewährung des Jahresurlaubs und zeigen zugleich auf, welche erheblichen und für Arbeitgeber kostenträchtigen Folgen deren Nichtbeachtung haben kann.

Praxistipp: frühzeitige Information der Arbeitnehmer ratsam

Das BAG hat hinsichtlich des Verfalls von Urlaubsansprüchen klargestellt, dass die Rechtsprechung, wonach Urlaubsansprüche bei ununterbrochen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfallen, grundsätzlich keine Anwendung findet, wenn in dem Urlaubsjahr tatsächlich (zumindest teilweise) gearbeitet wurde und der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten für die betreffenden Urlaubsansprüche nicht nachgekommen ist. Eine Ausnahme besteht, wenn der Arbeitnehmer so früh im Jahr erkrankt ist, dass dem Arbeitgeber eine rechtzeitige Unterrichtung (i.d.R. sechs Werktage nach Entstehen des Urlaubsanspruchs) nicht möglich ist. Wollen Arbeitgeber auf „Nummer sicher“ gehen, sollten sie ihre Arbeitnehmer bereits frühzeitig im Jahr, spätestens nach sechs Werktagen nach Entstehen des Urlaubsanspruchs, über ihren Urlaubsanspruch und den möglichen Verfall informieren. Dies bedeutet, dass diese „Urlaubsinformation“ möglichst in der ersten Arbeitswoche auf der Agenda der Personalabteilung stehen sollte. Bei im Jahresverlauf neu eingestellten Arbeitnehmern dürfte dies entsprechend gelten: Innerhalb einer Woche seit Entstehen des vollen Urlaubsanspruchs, mithin nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses (vgl. § 4 BUrlG), sollte die Information erfolgen. Andernfalls bestünde aufgrund der Nichtvorhersehbarkeit, wann ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig wird und wie lange diese Arbeitsunfähigkeit anhält, die Gefahr, dass der Mitwirkungsobliegenheit nicht mehr „rechtzeitig“ nachgekommen werden kann. 

Information an Arbeitnehmer muss nachweisbar und individualisiert sein

Die Information muss in nachweisbarer Form und individualisiert erfolgen. Pauschale Mitteilungen reichen nicht, sondern es muss der individuelle Urlaubsanspruch ausgewiesen werden. Da der EuGH und das BAG für die Vergangenheit keinen Vertrauensschutz einräumen, ist auch zu prüfen, ob Urlaubsansprüche aus der Vergangenheit wegen Versäumung der Mitwirkungsobliegenheit noch nicht verfallen sind, die dann in die Mitteilung ggf. aufzunehmen sind. 

Bei unterbliebener Mitwirkung können sich Urlaubsansprüche kumulieren 

Entspricht der Arbeitgeber nicht seinen Mitwirkungsobliegenheiten, führt dies dazu, dass Urlaubsansprüche nicht verjähren und sich dementsprechend immer weiter kumulieren können – jedenfalls soweit sie nicht durch Gewährung in Natur erfüllt werden.

Die Mitwirkungsobliegenheiten sollten daher ernst genommen werden, auch da es eine Grenze „nach oben“ etwa durch die Rechtsfigur der Verwirkung nicht geben dürfte. Grund dafür ist, dass eine Verwirkung nicht nur einen gewissen Zeitablauf erfordert (sog. Zeitmoment), sondern auch voraussetzt, dass der Arbeitnehmer über ein bestehendes Recht disponiert bzw. hätte disponieren können, dies jedoch nicht tat und deshalb einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, dass er auch künftig seinen Anspruch nicht realisieren wird (sog. Umstandsmoment). Nach der Rechtsprechung von EuGH und BAG kennt der Arbeitnehmer aber ohne Information durch den Arbeitgeber seine Rechte nicht, so dass er über diese auch nicht (bewusst) disponieren kann bzw. hätte können.

Auswirkungen auf den Urlaubsabgeltungsanspruch

Zuletzt hat das BAG aber nochmals klargestellt, dass ein aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstandener Urlaubsabgeltungsanspruch als reiner Geldanspruch weiterhin der regelmäßigen Verjährung unterliegt. Dies ist für Arbeitgeber jedoch nur ein „schwacher Trost“. Kam es während des Arbeitsverhältnisses zur Kumulation von Urlaubsansprüchen, können solche Abgeltungsansprüche ein durchaus hohes finanzielles Volumen haben und Arbeitnehmer dürften diese zumeist auch rechtzeitig geltend machen. 

Zudem ist das BAG (vgl. Urteil vom 31. Januar 2023 – 9 AZR 456/20) der Ansicht, dass bei einer verfassungs- und unionsrechtskonformen Anwendung der Verjährungsregelungen die Verjährungsfrist nicht beginnen kann, solange eine Klageerhebung aufgrund einer gegenteiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zumutbar ist. Dies bedeutete in dem konkret vom BAG entschiedenen Fall, dass der Kläger erst, nachdem der EuGH mit Urteil vom 6. November 2018 – C-684/16 neue Regeln für den Verfall von Urlaub in Form der Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers vorgegeben hatte, gehalten war, Abgeltung für die Urlaubsjahre von 2010 bis 2014 gerichtlich geltend zu machen. Die Verjährungsfrist für den Abgeltungsanspruch kann nach Ansicht des BAG daher nicht vor dem Ende des Jahres 2018 beginnen.

Für tarifvertragliche Ausschlussfristen nimmt das BAG in einem weiteren Urteil vom 31. Januar 2023 – 9 AZR 244/20 (insofern konsequent) Entsprechendes an. Endete ein Arbeitsverhältnis vor der genannten EuGH-Entscheidung, sei es dem Arbeitnehmer aufgrund der gegenläufigen Rechtsprechung des BAG nicht zumutbar gewesen, den Anspruch innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist geltend zu machen. Damit habe die Ausschlussfrist erst mit der Bekanntgabe des EuGH-Urteils begonnen. Bei Arbeitsverhältnissen, die jetzt oder in Zukunft enden, gelten für den Abgeltungsanspruch damit die regelmäßige Verjährungsfrist und auch etwaig anwendbare tarifvertragliche Ausschlussfristen. Werden Abgeltungsansprüche für vergangene Urlaubsjahre geltend gemacht, sollte daher geprüft werden, ob diesen etwaig bestehende Ausschlussfristen oder der Einwand der Verjährung entgegen gehalten werden können.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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