9. November 2017
Betriebsratswahl online
Arbeitsrecht

Betriebsratswahl online: Der unerfüllte Wunsch der digitalen Arbeitswelt

Die Digitalisierung der Arbeitswelt schreitet voran. Betriebsratswahlen werden jedoch vorerst nicht online stattfinden - so das Arbeitsgericht Hamburg.

Die Digitalisierung in der Arbeitswelt schreitet unaufhaltsam und mit großen Schritten voran. Der arbeitsrechtliche Gesetzgeber hingegen nicht – seine Schritte in die digitale Wirklichkeit sind eher klein.

Das Bedürfnis nach Digitalisierung und Innovation in der Arbeitswelt trifft auch im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen auf eine verkrustete Rechtsrealität. Die anstehenden Betriebsratswahlen 2018 werden nach den Normen des Betriebsverfassungsgesetzes und der hierzu erlassenen Wahlordnung durchgeführt. Beides sind Regelwerke, die wesentlich zuletzt 2001 überarbeitet wurden. Also zu einer Zeit, in der es noch keine Smartphones gab und auch das Internet mehrheitlich noch nicht von der deutschen Bevölkerung genutzt wurde. In der heutigen Zeit, in der Smartphones und mobiles Internet in der Arbeitswelt und auch im Privaten alltäglich geworden sind, werden die Stimmen immer zahlreicher, die die Möglichkeit einer Online-Betriebsratswahl fordern. Das geltende Recht bietet hierfür jedoch keinen Raum.

Rechtsrealität: Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg gegen Online-Betriebsratswahlen

Am 07. Juni 2017 hatte das Arbeitsgericht Hamburg (Az.: 13 BV 13/16) über die Rechtmäßigkeit einer Online-Betriebsratswahl zu entscheiden. Die im Betrieb der Arbeitgeberin durchgeführte Betriebsratswahl fand neben der herkömmlichen Präsenz- und Briefwahl auch in Form einer Online-Wahl als Alternative zur Briefwahl statt.

Für die Durchführung der Online-Betriebsratswahl wurde eine vom Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik zertifizierte Software eines Drittanbieters genutzt. Den Wahlberechtigten wurden die Zugangsdaten zur Teilnahme an der Online-Betriebsratswahl per E-Mail zugesandt. Online konnte dann ein virtueller Stimmzettel ausgefüllt werden. Das Online-Wahlverfahren wurde von den Wahlberechtigten rege genutzt. Etwa die Hälfte der Stimmen wurden online abgegeben.

Bei Öffnung der „elektronischen Wahlurne“ wurde eine Folie an die Wand projiziert, welche Stimmenanzahl und Wahlergebnisse der durchgeführten Online-Betriebsratswahl darstellte. Die im Rahmen der herkömmlichen Präsenz- und Briefwahl abgegebenen Stimmen wurden separat ausgezählt.

Online-Betriebsratswahl verstößt gegen Grundsätze des Wahlrechts

Das Arbeitsgericht Hamburg stellte in seiner Entscheidung die Nichtigkeit der durchgeführten Betriebsratswahl (insgesamt) fest. Eine Betriebsratswahl ist nichtig, wenn ein so grober und offensichtlicher Verstoß gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechts vorliegt, dass nicht einmal der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl vorliegt. Mit anderen Worten: Die Betriebsratswahl muss den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen.

Eine (auch) mittels einer Online-Wahl durchgeführten Betriebsratswahl trägt nach Auffassung des Arbeitsgerichts Hamburg – aber auch nach herrschender Auffassung in der juristischen Literatur – diesen besagten Stempel auf der Stirn. Mit Blick auf die aktuelle Rechtslage ist dies auch überzeugend.

Betriebsverfassungsgesetz sieht keine Online-Betriebsratswahl vor

Das Betriebsverfassungsgesetz und die Wahlordnung sehen schlicht keine Online-Betriebsratswahl vor. Es ist weder eine elektronische Stimmabgabe ausdrücklich vorgesehen noch können die Bestimmungen zur Briefwahl dahingehend ausgelegt werden, dass von diesen eine Online-Betriebsratswahl erfasst ist.

Darüber hinaus wurde das Prinzip der einheitlichen Urne (§ 26 Abs. 1 der Wahlordnung) verletzt. Durch dieses Prinzip, wonach auch die Wahlumschläge von Briefwählern vor Beginn der Auszählung in die Wahlurne gelegt werden müssen, soll verhindert werden, dass Rückschlüsse auf das Abstimmungsverhalten bestimmter Personengruppen möglich sind. Im Fall, den das Arbeitsgericht Hamburg zu entscheiden hatte, wurden jedoch die „elektronischen“ und die „normalen“ Wahlurne jeweils separat geöffnet. So war es möglich, das jeweilige Wahlverhalten der Gruppe der Online-Wähler sowie der Gruppe der Präsenz- und Briefwähler nachzuvollziehen.

Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg wurde Berufung eingelegt (LAG Hamburg – 8 TaBV 5/17). Allerdings würde es überraschen, wenn das Landesarbeitsgericht eine Online-Betriebsratswahl für zulässig erachtet. Denn hierfür müsste es erst einmal die Hürden der klaren gesetzlichen Regelung, der Argumente des Arbeitsgerichts Hamburg und der herrschenden Auffassung in der juristischen Literatur überwinden.

Bedürfnis in der Arbeitswelt: Möglichkeit einer Online-Betriebsratswahl

Aufgrund der Nichtigkeit einer Online-Betriebsratswahl, kann es nicht im ernsthaften Interesse eines Arbeitgebers sein, die Durchführung einer Online-Betriebsratswahl zu dulden oder gar zu forcieren. Abgesehen davon, dass spätestens nach Feststellung der Nichtigkeit und damit regelmäßig außerhalb des regelmäßigen 4-jährigen Wahlturnus, erneut eine im Einzelfall kostspielige Betriebsratswahl durchzuführen ist, kann eine nichtige Betriebsratswahl auch erhebliche Auswirkungen auf die betriebliche Praxis haben.

Die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl hat nämlich – anders als die bloße Unwirksamkeit aufgrund einer Anfechtung – zur Folge, dass der „gewählte Betriebsrat“ von Anfang an nicht existent ist und alle von ihm getroffenen Maßnahmen rechtsunwirksam sind. Dies gilt insbesondere auch für Betriebsvereinbarungen, die aufgrund ihrer Unwirksamkeit auch nicht unmittelbar und zwingend im einzelnen Arbeitsverhältnis gelten können.

Forderung nach Einführung einer Online-Betriebsratswahl

Das Arbeitsgericht Hamburg hat wohl auch vor diesem Hintergrund in seiner Entscheidung angemerkt, dass in dem entschiedenen Fall die Rechtslage bewusst missachtet wurde, um das politische Ziel, die gesetzliche Einführung einer Online-Betriebsratswahl, voranzubringen. Dass nicht nur ein Wunsch, sondern ein Bedürfnis nach der Einführung einer Online-Betriebsratswahl als zusätzliche Alternative zur herkömmlichen Präsenz- und Briefwahl besteht, um auch die Betriebsverfassung für das digitale Zeitalter fit zu machen, zeigen auch die immer wieder für eine Online-Betriebsratswahl ins Feld geführten Argumente:

  • Erhöhung der Wahlbeteiligung aufgrund der schnellen und unkomplizierten Wahlmöglichkeit und die damit einhergehende Stärkung der demokratischen Legitimation des Betriebsrats
  • Höhere Akzeptanz der Betriebsratswahl und der betrieblichen Mitbestimmung bei jüngeren Arbeitnehmern aufgrund der Nutzung moderner Kommunikationsmittel
  • Zeit- und Kostenersparnis bei der Durchführung der Betriebsratswahl aufgrund der Möglichkeit der Stimmabgabe direkt vom Arbeitsplatz im Betrieb, Betriebsteil oder Home-Office

Online-Betriebsratswahl: Herausforderung für den Gesetzgeber

Selbstverständlich gibt es auch Stimmen, die gegen eine Online-Betriebsratswahl sprechende Argumente benennen. Darunter fällt z.B. die mangelnde Transparenz aufgrund der für technische Laien schwierigen Nachvollziehbarkeit einer online durchgeführten Betriebsratswahl, der Schutz des Wahlgeheimnisses oder die Gefahr der Manipulation einer Online-Wahl.

Diese Argumente sollten vom Gesetzgeber jedoch nicht als Ausschlusskriterium für die Einführung einer Online-Betriebsratswahl, sondern als Herausforderung bei der gesetzlichen Ausgestaltung verstanden werden; zumal bereits in der Wahlordnung von 2001 vereinzelt moderne digitale Elemente zu finden sind. Es ist z.B. im Rahmen der Durchführung einer Betriebsratswahl möglich, die Wählerliste und das Wahlausschreiben ergänzend oder auch ausschließlich mittels der im Betrieb vorhandenen Informations- und Kommunikationstechnik bekannt zu machen. Für eine digitale Arbeitswelt ist das natürlich nicht ausreichend.

Es bleibt also abzuwarten, ob der Gesetzgeber diese Herausforderung annimmt, oder ob die Einführung einer Online-Betriebsratswahl ein unerfüllter Wünsch der modernen digitalen Arbeitswelt bleibt.

Online-Betriebsratswahl noch nicht auf der Agenda des Gesetzgebers

Auch wenn der Gesetzgeber die Einführung einer Online-Betriebsratswahl zurzeit nicht auf der Agenda hat und es zumindest für die Betriebsratswahlen 2018 bei der bisherigen Präsenz- und Briefwahl bleibt, wird an anderer Stelle offenbar erwogen die Betriebsverfassung an die digitale Arbeitswirklichkeit anzupassen.

Im Weißbuch 4.0 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wird die Notwendigkeit virtueller Betriebsratssitzungen in Form von Videokonferenzen erkannt. Anstatt an dieser Stelle einen großen Schritt in die digitale Arbeitswelt zu wagen, sollen die virtuellen Betriebsratssitzungen nur in Ausnahmefällen möglich sein. Also stets dann, wenn die Durchführung einer persönlichen Sitzung wegen besonderer Dringlichkeit erheblich erschwert werden würde. Lediglich für Seebetriebsräte ist mit dem neuen § 41a EBRG der Weg für virtuelle Betriebsratssitzungen bereits eröffnet.

Unsere Beitragsreihe stellt arbeitsrechtliche Aspekte rund um die Betriebsratswahlen dar. Hier geben wir wichtige Informationen für Arbeitgeber, zeigen welche Rolle Zeitarbeitnehmer spielen und informieren über die Größe des Betriebsrates. Zuletzt haben wir informiert, wer die Kosten trägt und welche Anforderungen an eine Wahlanfechtung zu stellen sind. 

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