23. Februar 2015
Arbeitsrecht

Blaugemacht? Überwachung von arbeitsunfähigen Arbeitnehmern ist nur bei konkretem Verdacht zulässig

Darf ein Arbeitgeber einen Privatdetektiv mit der Beobachtung und Videoüberwachung kranker Arbeitnehmern beauftragen? Das BAG hat dem eine Absage erteilt.

Darf ein Arbeitgeber einen Privatdetektiv mit der Beobachtung und Videoüberwachung von kranken Arbeitnehmern beauftragen? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dem eine Absage erteilt und eine Persönlichkeitsrechtsverletzung angenommen.

Sekretärin wurde von Detektiv beim Spaziergang mit dem Hund und im Waschsalon gefilmt

Die Klägerin ist als Sekretärin der Geschäftsleitung eines Metallbetriebs beschäftigt. Bereits früh nach Eintritt in das Unternehmen war die Frau krankgeschrieben. Ihr Arbeitgeber zweifelte jedoch an ihrer Krankheit und vermutete einen typischen Fall von „Blaumachen“. Es wurde ein Detektiv beauftragt, der von der Klägerin Videoaufnahmen in Ihrem privaten Umfeld anfertigte. Über insgesamt vier Tage zeichnete er auf, welchen Aktivitäten die Klägerin nachging. Der dem Arbeitgeber übergebene Observationsbericht enthielt u.a. elf Bilder, neun davon aus Videosequenzen. In den Videoaufnahmen ist die Klägerin bei verschiedenen privaten Gelegenheiten zu sehen, bspw. im Waschsalon oder beim Spaziergang mit dem Hund.

Persönlichkeitsrechtsverletzung vs. legitimes Interesse des Arbeitgebers

Die Sekretärin fühlte sich durch die heimlichen Aufnahmen in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und verklagte ihren Arbeitgeber auf Schmerzensgeld in Höhe von insg. 10.500 EUR, was drei Bruttomonatsgehältern entspricht.

Ihr Arbeitgeber war der Ansicht, die heimliche Überwachung sei zulässig gewesen. Es sei ein legitimes Interesse des Arbeitgebers, zu prüfen, ob eine Arbeitsunfähigkeit tatsächlich vorliege der Arbeitnehmer oder aus anderen Gründen der Arbeit fernbleibe. Weniger gravierende Maßnahmen hätten nicht zur Verfügung gestanden.

Ohne konkreten Verdacht darf keine Überwachung erfolgen

Das Bundesarbeitsgericht entschied wie schon das Landesarbeitsgericht in der Instanz zuvor, dass die Überwachung von Arbeitnehmern nur bei einem auf Tatsachen beruhenden, konkreten Verdacht einer schweren Pflichtverletzung zulässig sei. Im vorliegenden Fall sei nicht erforderlich gewesen, die Klägerin zu filmen. Es habe kein konkreter Verdacht bestanden, dass sie „blaugemacht“ habe.

Da die Filmaufnahmen jedoch nicht die Intimsphäre der Klägerin berührt, sondern die Klägerin nur in der Öffentlichkeit zeigten, hielt das BAG den Betrag von 1.000 Euro für angemessen. In dem Urteil war nicht darüber zu entscheiden, wie Videoaufnahmen zu beurteilen sind, wenn ein berechtigter Anlass zur Überwachung gegeben ist.

Augenmaß ist gefragt

Arbeitgeber sollten bei der Überwachung von scheinbar krankfeiernden Arbeitnehmern mit „Augenmaß“ vorgehen, um Schmerzensgeldzahlungen zu vermeiden. Nach der neuen Rechtsprechung wird eine Überwachung nur bei groben Pflichtverletzungen – wie etwa der Verdacht einer Straftat – zulässig sein, die durch Tatsachen bereits hinreichend konkretisiert sind. Der bloße Verdacht des „Blaumachens“ ist nicht ausreichend. Überzogene Schmerzensgeldforderung sind jedoch nicht zu befürchten, solange die Aufnahmen auf den öffentlichen Raum beschränkt bleiben.

Tags: Arbeitnehmer BAG Detektiv Überwachung