24. April 2012
Arbeitsrecht

CGZP: Auch beim Sozialgericht Köln simmer dabei…

Wir haben bereits darüber berichtet, dass bei zahlreichen Personaldienstleistern nach dem Beschluss des BAG vom 14.12.2010 (Az. 1 ABR 19/10) zur Tarifunfähigkeit der CGZP Betriebsprüfungen durchgeführt wurden, um festzustellen, ob Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen sind. Ob das betroffenen Unternehmen gegen den von dem jeweils zuständigen Rentenversicherungsträger erlassenen Nachforderungsbescheid einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann, ist unter den Sozialgerichten hoch umstritten.

Nunmehr hat sich die 12. Kammer des SG Köln mit einem entsprechenden Fall befassen müssen und dabei dem Personaldienstleister Recht gegeben (Beschl. v. 29.03.2012 – S 12 R 369/12 ER). Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Nachforderungsbescheid für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2009 sei anzuordnen, da ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestünden. Die Nachforderung sei nur bei dem tatsächlichen Bestehen der Beitragsschuld des Personaldienstleisters rechtmäßig. Dies setze zum einen voraus, dass die bei dem Unternehmen auf Basis der mit der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge beschäftigten Zeitarbeitnehmer rückwirkend einen höheren Entgeltanspruch („equal pay“) hätten und zum anderen, dass auf diesen höheren Entgeltanspruch Sozialversicherungsbeiträge im Prüfungszeitraum in zulässiger Weise nachzuerheben wären. Hierfür bestehe – so das SG Köln – zum jetzigen Zeitpunkt keine überwiegende Wahrscheinlichkeit.

Voraussetzung für einen höheren Entgeltanspruch der Arbeitnehmer ist die Tarifunfähigkeit der CGZP und die damit ggf. verbundene Unwirksamkeit der von der Tarifgemeinschaft geschlossenen Tarifverträge. Auf Grundlage des Beschlusses des BAG vom 14.12.2010 sei gegenwärtig jedoch noch nicht höchstrichterlich abschließend geklärt, ob die CGZP in dem maßgeblichen Prüfungszeitraum tatsächlich tarifunfähig gewesen  sei. Denn das BAG habe lediglich festgestellt, dass die CGZP gegenwartsbezogen nicht tariffähig sei. Dies entspreche auch der weit überwiegenden Auffassung der Landesarbeitsgerichte.

Darüber hinaus geht die Kammer davon aus, dass sich der Personaldienstleister – unabhängig von der Frage der Tarifunfähigkeit der CGZP – auf Vertrauensschutz berufen könne. Dabei stützt sich das SG Köln auf den verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz des Rückwirkungsverbotes. Den Betroffenen sei im Falle einer sie belastenden Änderung einer höchstrichterlichen Rspr. der gleiche Vertrauensschutz zuzubilligen wie bei einer entsprechenden Rechtsänderung, insbesondere wenn es sich um die Anwendung der geänderten Rspr. auf Sachverhalte handele, die abgeschlossen in der Vergangenheit lägen. In diesem Zusammenhang sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Anwendung der von der CGZP geschlossenen Tarifverträge bis zum Beschluss des BAG am 14.12.2010 von staatlichen Stellen zumindest geduldet und z.T. ausdrücklich empfohlen wurden. Auch die DRV hatte dies entsprechend nicht moniert.

Zudem argumentiert das SG Köln, dass zumindest für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2008 bereits ein bestandskräftiger Verwaltungsakt über eine Betriebsprüfung vorliege. Dabei könne sich dieser bei der Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP, bei fehlenden Vertrauensschutz des Arbeitgebers und bei einem rückwirkend höheren Entgeltanspruch und einer daraus resultierenden Beitragsnachzahlungspflicht als anfänglich rechtswidrig und für das Unternehmen begünstigend erweisen. In diesem Fall dürfe er aber nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X zurückgenommen werden. In diesem Zusammenhang müsse der Rentenversicherungsträger Vertrauensschutz prüfen und Ermessen ausüben. Dies habe dieser in dem angegriffenen Bescheid jedoch nicht getan.

Die Entscheidung der 11. Kammer liegt auf der Linie der 7. Kammer des SG Köln, die bereits im Beschluss vom 15.02.2012 (Az. S 7 R 1921/11 ER) mit einer vergleichbaren Begründung die aufschiebende Wirkung des von den Personaldienstleisters eingelegten Widerspruchs bejaht hat. Interessant ist dabei, dass sich die 12. Kammer insbesondere der vom Bayerischen LSG vertretenen Auffassung anschließt, dass eine bereits in der Vergangenheit durchgeführte Betriebsprüfung eine erneute Prüfung für einen teilidentischen Zeitraum sperrt, sofern der vormals ergangene Bescheid nicht von dem Rentenversicherungsträger aufgehoben wurde (vgl. Bayer. LSG, Beschl. v. 22.03.2012 – L 5 R 138/12 B ER; Bayer. LSG, Beschl. v. 07.10.2011 – L 5 R 613/11 B ER; Bayer. LSG, Urt. v. 18.01.2011 – L 5 R 752/08). Vor diesem Hintergrund ist die in der Besprechung des GKV–Spitzenverbandes, der DRV Bund und der BfA am 23./24.11.2011 niedergelegte Auffassung, dass die Entscheidungen des Bayerischen LSG keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hätten und ihnen in grundsätzlicher Hinsicht nicht zu folgen sei, nicht aufrechtzuerhalten. Eindeutig ist nämlich, dass bereits einige Sozialgerichten diese Ansicht vertreten; von einem „bayerischen Einzelfall“ kann folglich keine Rede mehr sein (vgl. SG Dortmund, Beschl. v. 23.01.2012 – S 25 R 2507/11 ER; SG Nürnberg, Beschl. v. 16.02.2012 – S 18 R 138/12 ER; Kasseler Kommentar/Wehrhahn, § 28 p SGB IV Rn. 10; a.A. SG Würzburg, Beschl. v. 07.02.2012 – S 6 R 74/12 ER).

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