Am 14.12.2010 schlug die Bombe ein: Das Bundesarbeitsgericht hatte entschieden, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) nicht tariffähig ist (1 ABR 19/10) – wir berichteten. Seitdem haben Presse, Juristen, Gewerkschaften, Politiker, Ministerien und Rentenversicherungen zahlreiche Mutmaßungen über die Folgen dieser Entscheidung angestellt. Aber allen war klar, dass belastbarere Aussagen erst dann möglich sind, wenn die vollständigen Entscheidungsgründe des BAG veröffentlicht werden. Wann dies sein sollte? Unklar, mal hieß es Anfang Februar, dann wieder Ende Februar oder erst Mitte März.
Heute wurden Sie veröffentlicht.
Das Wichtigste zuerst:
Ausdrücklich betont das BAG, dass die Feststellungsanträge von ver.di und dem Land Berlin „auf die Gegenwart gerichtet und nicht vergangenheitsbezogen″ sind (Rn. 33, 52, 63) – und vermeidet so eine Kollision mit einem anderen Feststellungsverfahren (ArbG Berlin, Az. 63 BV 9415/08), das als Vorfrage für geltend gemachte Equal-Pay-Ansprüche die Tariffähigkeit der CGZP bei Abschluss eines Tarifvertrags am 22.07.2008 betrifft.
Damit hat dieses Verfahren nicht rechtskräftig über die Tariffähigkeit der CGZP in der Vergangenheit entschieden. Das wird weiteren Verfahren überlassen.
Warum ist die CGZP nicht tariffähig?
Als Spitzenorganisation könne die CGZP entweder als bevollmächtigter Stellvertreter von Gewerkschaften handeln (§ 2 Abs. 2 TVG) oder aber im eigenen Namen (§ 2 Abs. 3 TVG) für ihre Mitgliedsverbände, diese könnten der Spitzenorganisation aber deren „Tariffähigkeit nur im Rahmen ihrer eigenen Tariffähigkeit vermitteln″ (Rn. 71). Das wiederum setze die Tariffähigkeit von sämtlichen das Tarifgeschehen der Spitzenorganisation bestimmenden Gewerkschaften voraus. Hierzu müssen die Gewerkschaften dem Spitzenverband „ihre Tariffähigkeit vollständig vermitteln″ (Rn. 76), und sich hierzu „in ihrem Organisationsbereich nicht nur teilweise, sondern vollständig miteinander verbinden„. Keineswegs dürfe die Zuständigkeit des Spitzenverbandes über die Organisationsbereiche der angeschlossenen Mitgliedsgewerkschaften hinaus gehen, weil er seine Tariffähigkeit dann nicht mehr von den angeschlossenen Gewerkschaften ableiten könne.
Die CGZP organisiert keine Arbeitnehmer, sondern nur die im Christlichen Gewerkschaftsbund zusammengeschlossenen Arbeitnehmerkoalitionen und ist damit keine tariffähige Arbeitnehmervereinigung. Sie ist nach Ansicht des BAG aber auch keine tariffähige Spitzenorganisation, weil ihre Mitglieder ihr die Tariffähigkeit nicht vollständig vermittelt haben und ihr Organisationsbereich über den ihrer Mitglieder hinausgeht.
Woran liegt es?
Die CGZP hat in ihrer Satzung aus dem Jahr 2009 ihre Zuständigkeit auf Tarifverträge beschränkt, die Arbeitnehmerüberlassung betreffen – und deckt damit nicht die Bereiche vollständig ab, die ihre Mitglieder abdecken.
Ferner erfassen die Organisationsbereiche der Mitglieder der CGZP „weder für sich allein noch bei einer Gesamtschau sämtliche Arbeitsverhältnisse im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung„, denn die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM) betrifft den Metallsektor, die DHV – Die Berufsgewerkschaft e.V. ist für kaufmännische und verwaltende Berufe zuständig, und die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen (GÖD) für den öffentlichen Dienst (und vom BAG verneint privatrechtliche Dienstleistungsbetriebe). Das BAG hat hierzu die Satzungen der Mitgliedsgewerkschaften ausgewertet. Mit anderen Worten: die CGZP will zwar für alle zuständig sein, das kann sie aber nicht. Denn schon ihre Mitglieder sind nicht für alle Bereiche zuständig, in denen Arbeitnehmerüberlassung durchgeführt wird.
Damit ist einiges klarer, aber immer noch vieles offen. Die Diskussion wird andauern, wir halten Sie auf dem Laufenden.