26. Juni 2012
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Arbeitsrecht

CGZP: Ernsthafte Zweifel an Rechtmäßigkeit der Nachforderungsbescheide der Rentenversicherungsträger

Wir haben bereits an anderer Stelle darüber berichtet, dass der Beschluss des BAG zur Tarifunfähigkeit der CGZP vom 14.12.2010 (Az. 1 ABR 19/10) eine Vielzahl von bislang ungeklärten arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Fragen aufgeworfen hat. Im Fokus steht dabei insbesondere, ob die Rentenversicherungsträger bei Personaldienstleistern, die in der Vergangenheit die Tarifverträge der CGZP angewendet haben, aufgrund deren vermeintlicher Unwirksamkeit und des sodann anzuwendenden equal pay-Grundsatzes (§§ 9 Nr. 2, 10 Abs. 4 AÜG) Nachforderungen durchsetzen können. Die Rechtsprechung ist dabei nicht einheitlich. Nunmehr liegt eine Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vor.

Der 1. Senat hat im Ergebnis die aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen Nachforderungsbescheid des Rentenversicherungsträgers angeordnet (Beschl. v. 02.05.2012 – L 1 KR 121/12 B ER) und damit die erstinstanzliche Entscheidung des SG Lüneburg aufgehoben, durch die der Antrag des Personaldienstleisters auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz noch zurückgewiesen wurde (Beschl. v. 20.02.2012 – S 14 R 14/12 ER).

Nach Ansicht des LSG Niedersachen-Bremen überwiege das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin gegen das öffentliche Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Dabei sei bereits ernstlich zweifelhaft, ob der Beitragsbescheid rechtmäßig sei. Ernstliche Zweifel bestünden immer, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher sei als der Misserfolg. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Der 1. Senat beruft sich dabei auf eine bereits vom Schleswig-Holsteinischen LSG vertretene Auffassung, dass angesichts zahlreicher ungeklärter, schwieriger Rechtsfragen die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Rentenversicherungsträger in Abrede zu stellen sei (vgl. Schleswig-Holsteinische LSG, Beschl. v. 20.04.2012 – L 5 KR 20/12 B ER; Beschl. v. 20.04.2012 – L 5 KR 9/12 B ER; wir berichteten).

Zunächst führt das LSG Niedersachen-Bremen an, dass das BAG für die Vergangenheit noch nicht rechtskräftig festgestellt habe, dass die CGZP tatsächlich tarifunfähig sei. Dazu merkt es an, dass es in der arbeitsgerichtlichen Rspr. und Lit. umstritten ist, wie der „Gegenwartbezug“ aus der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 zu verstehen sei und inwieweit Arbeitnehmer für die Vergangenheit Differenzlohnansprüche gerichtlich geltend machen könnten. Zudem sei offen, ob die Sozialgerichte überhaupt eine rechtlich verbindliche Aussage zur Tariffähigkeit einer Gewerkschaft treffen könnten. Nach § 2 a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG seien ausschließlich die Arbeitsgerichte für diese Angelegenheiten zuständig. Darüber hinaus sei höchstrichterlich noch nicht geklärt, ob – eine Tarifunfähigkeit der CGZP unterstellt – die von der Tarifgemeinschaft abgeschlossenen Tarifverträge tatsächlich unwirksam seien. Der 1. Senat verweist insoweit auf die Lehre vom fehlerhaften Tarifvertrag. Unklar sei auch, ob bei den geltend gemachten Nachforderungen tatsächlich das Entstehungs- und nicht das Zuflussprinzip gelten würde. Offen sei zudem, ob dem Personaldienstleister nicht Vertrauensschutz zu zubilligen sei, da der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 eine gesetzesgleiche Wirkung in Form der Änderung des Rechts zukommen könne.

Abgesehen von den ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsbescheides habe die Antragstellerin substantiiert dargetan, dass die Vollziehung des Verwaltungsaktes für sie eine unbillige, nicht durch überwiegend öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge habe. Die Zahlung der nachgeforderten Beiträge würde in Kürze die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft bedrohen.

Die Argumentation des LSG Niedersachsen-Bremen ist überzeugend: eine Vielzahl von nicht geklärten Rechtsfragen kann in einer Gesamtschau die überwiegende Wahrscheinlichkeit begründen, dass das Rechtsmittel in der Hauptsache Erfolg haben wird. Aufgrund der zwischenzeitlich getroffenen Feststellungen des BAG, dass die CGZP zu keinem Zeitpunkt tariffähig gewesen ist (Beschl. v. 22.05.2012 – 1 ABN 27/12; v. 23.05.2012 – 1 AZB 58/11; v. 23.05.2012 – 1 AZB 67/11), ist zwar inzwischen eine der vom als LSG Niedersachsen-Bremen als offen bezeichneten Rechtsfrage geklärt. Dennoch dürfte die Rechtsunsicherheit mit Blick auf die sonstigen streitigen Aspekte und sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen erheblich sein, so dass die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz nach wie vor geboten ist.

Spannend bleibt die Frage, ob sich neben dem LSG Niedersachsen-Bremen und dem Schleswig-Holsteinischen LSG andere Landessozialgerichte dieser Ansicht anschließen werden.

Tags: Beitragsbescheid CGZP equal pay Nachforderung Rechtsschutz Rentenversicherungsträger Tarifunfähigkeit