Die bislang veröffentlichten Entscheidungen im Nachgang zum Beschluss des BAG vom 14.12.2010 zur Tarifunfähigkeit der CGZP (wir berichteten) waren arbeitsrechtlicher Natur: Sie betrafen damit ausschließlich das zwischen Leiharbeitnehmer und Arbeitgeber bestehende Arbeitsverhältnis und befassten sich demgemäß u.a. mit den Fragen, ob ein equal pay-Anspruch entstanden sein kann, ob diesem ggf. Ausschlussfristen entgegen stehen und wenn ja: wann diese zu laufen beginnen oder ob der Rechtsstreit bis zu einer endgültigen Klärung der Tariffähigkeit der CGZP in der Vergangenheit auszusetzen ist. Nunmehr erreicht der CGZP-Beschluss des BAG einen anderen Gerichtszweig, nämlich die Sozialgerichte:
Parallel zu den Leiharbeitnehmern haben auch die Sozialversicherungsträger den Arbeitgeber „in die Zange genommen″ und Betriebsprüfungen durchgeführt, um – auf Grundlage der regelmäßig aus dem equal pay-Gebot entstehenden Entgeltdifferenzen - eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen per Verwaltungsakt (§ 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV) durchsetzen zu können. Im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutz hat sich inzwischen ein Personaldienstleister erfolgreich gegen einen entsprechenden Bescheid gewehrt, der ihn verpflichtete, Sozialversicherungsbeiträge i.H.v. ca. 220.000 € für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2009 nachzuentrichten.
Das SG Hamburg (Beschl. v. 18.11.2011 – S 51 R 1149/11 ER) stellte die aufschiebende Wirkung des von dem Personaldienstleister eingelegten Widerspruchs wieder her. Das Gericht geht dabei nach einer summarischen Prüfung davon aus, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheids bestehen und daher ein Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Es sei davon auszugehen, dass das BAG die Tarifunfähigkeit der CGZP bislang nur gegenwartsbezogen festgestellt habe. Für den vorliegend relevanten Prüfungszeitraum sei diese Frage noch nicht rechtskräftig geklärt, so dass nicht feststehe, ob die in der Vergangenheit von der CGZP geschlossenen Tarifverträge tatsächlich unwirksam seien und damit eine Nachverbeitragung berechtigterweise erfolgen könne. Im Ergebnis folgt das SG Hamburg damit der überwiegend in der arbeitsgerichtlichen Rspr. vertretenen Auffassung und lehnt eine Rückwirkung des Beschlusses des BAG ausdrücklich ab.
Die Entscheidung zeigt, dass es für die betroffenen Personaldienstleister – insbesondere aufgrund der in der Regel nicht unerheblichen finanziellen Belastung durch die Nachforderung – geboten sein kann, gegen einen Bescheid der Sozialversicherungsträger – auch im einstweiligen Rechtsschutz – Rechtsmittel einzulegen. Im Gegensatz zu den z.T. von der Deutschen Rentenversicherung verbreiteten, aber im Ergebnis oftmals abwegig wirkenden Rechtsauffassungen ist gerade in Zusammenhang mit der Tarifunfähigkeit der CGZP bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt abschließend nur geklärt, dass die CGZP zukünftig keine Tarifverträge mehr schließen kann. Nicht mehr und nicht weniger! Dies berechtigt aber die Sozialversicherungsträger nicht, schon Bescheide zu erlassen, die unterstellen, dass die Tarifunfähigkeit der CGZP in der Vergangenheit schon entsprechend festgestellt worden ist.
Interessant sind zudem die Ausführungen des SG Hamburg zu einem möglichen Vertrauensschutz in die Wirksamkeit der Tarifverträge der CGZP, der auch von den 5 Wirtschaftsweisen in deren Jahresgutachten 2011/2012 empfohlen wird. Es verweist darauf, dass die CGZP-Tarifverträge in der Leiharbeitsbranche tatsächlich angewendet und die dort vorgesehenen Leistungen erbracht worden seien. Dies unterscheide den Sachverhalt aber von der Konstellation, in der das BAG einen Vertrauensschutz in die Tariffähigkeit einer Gewerkschaft abgelehnt habe (Urt. v. 15.11.2006 – 10 AZR 665/10). Daraus kann geschlossen werden, dass das SG Hamburg aufgrund der Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung des Arbeitsverhältnisses bei Anwendung der CGZP-Tarifverträge durchaus den Gedanken des Vertrauensschutzes berücksichtigt hätte; bedauerlicherweise kam es in dem betreffenden Beschluss nicht mehr in entscheidungserheblicher Weise auf die Beantwortung dieser Frage an. Die weitere Entwicklung in der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang bleibt folglich spannend.
Zitat:“Für den vorliegend relevanten Prüfungszeitraum sei diese Frage noch nicht rechtskräftig geklärt, so dass nicht feststehe, ob die in der Vergangenheit von der CGZP geschlossenen Tarifverträge tatsächlich unwirksam seien und damit eine Nachverbeitragung berechtigterweise erfolgen könne.“ Diese (für mich nicht nachvollziehbare) Begründung bedeutet lediglich nur, das darüber noch nicht entschieden wurde, jedoch in Zukunft noch in einer Hauptverhandlung entschieden wird! Aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben und einige Leiharbeitnehmer können sicherlich auch warten, bis das BAG dazu entschieden hat und mit dem absichtlich unbestimmten Rechtsbegriff „vorübergehend“ der EU-Richtlinie Leiharbeit wird es sicherlich noch mehr Klagen geben (unabhängig von jedem Tarifvertrag), da die Mehrheit der Leiharbeitnehmer nur max. 2 Monate in Verleihunternehmen beschäftigt sind und in diesem Zeitraum auch in mehreren (!!) Entleihunternehmen für Tage oder Wochen eingesetzt sind! Ab wann ist also ein Leiharbeitnehmer durchschnittlich nicht mehr „vorübergehend“ in Bezug auf 1 Entleiher beschäftigt und steht im damit das „equal treatment“ zu? Nach 1 Woche? nach 1 Monat?
Richtig, aus den Beschäftigungsstatistiken von Verleihern könnte ein Richter erkennen, wie lang die durschschnittliche Überlassungszeit in Entleihunternehmen ist und somit diesen Zeitraum in einem Verfahren genau beziffern.
Das mit der Aussetzung des Verfahrens wegen einer nicht rückwirkenden Tariffähigkeit ist wie das Aufblasen eines Luftballons. Es wird Zeit gewonnen, mehr nicht. Und wenn man davon ausgeht, dass die meisten Verfahren mit Verzinsung von 5% laufen, ist das ja eigentlich eine gute Geldanlage.
Nun zurück zum Ballon. Man bläst und bläst und bläst und ………. .