1. September 2021
equal pay Darlegung Vergütungshöhe
Arbeitsrecht

Der gesetzliche Gleichstellungsgrundsatz – immer noch bzw. wieder ein Thema bei den Arbeitsgerichten!

Die gerichtliche Durchsetzung eines equal pay-Anspruchs hat durchaus ihre Tücken – dies gilt zumindest, wenn sich der Zeitarbeitnehmer nicht auf eine Auskunft nach § 13 AÜG berufen kann. Die Klage scheitert dann oftmals schon an der nicht hinreichenden Darlegung der Höhe des behaupteten Anspruchs.

Der Gesetzgeber hat durch die AÜG-Reform 2017 die Bestimmungen zum Gleichstellungsgrundsatz (equal pay/equal treatment) verschärft. Die rechtliche Diskussion ist zwar bereits Gegenstand zahlreicher Entscheidungen des BAG gewesen (vgl. Urteil v. 16. Oktober 2019 – 4 AZR 66/18; Beschluss v. 16. Dezember 2020 – 5 AZR 143/19 (A); Urteil v. 14. Dezember 2010 – 1 ABR 19/10; Urteil v. 13. März 2013 – 5 AZR 954/11, 5 AZR 242/12), dennoch ist kein Ende in Sicht.

So musste sich jüngst das LAG Rheinland-Pfalz mit einem von einem Zeitarbeitnehmer klageweise geltend gemachten equal pay-Anspruch zu befassen, der in der Sache als „CGZP-Fall″ zu qualifizieren gewesen wäre, jedoch auch Bezüge zu den o.g. Entscheidungen des BAG aufweist (Urteil v. 18. Februar 2021 – 5 Sa 257/20; vorgehend: ArbG Ludwigshafen, Urteil v. 11. August 2020 – 4 Ca 1876/19).

Zeitarbeitnehmer verlangte eine höhere Vergütung auf equal pay-Basis 

Ein Zeitarbeitnehmer wurde als Lüftungsmonteur in mehreren Kundenbetrieben eingesetzt. Dem Arbeitsverhältnis der Parteien lag ein Formulararbeitsvertrag vom zugrunde, der auszugsweise wie folgt lautet: 

Für das Arbeits­ver­hältnis gilt der Tarif­vertrag (Mantel­ta­rif­vertrag und Entgelt­ta­rif­vertrag) vereinbart zwischen der Tarif­ge­meinde Christ­licher Gewerk­schaft, Zeitarbeit und PSA … und der Mittel­stands­ver­ei­nigung Zeitarbeit e.V. … in der jeweils gültigen Fassung, soweit in diesem Vertrag nichts anderes vereinbart ist.

In einem Schreiben des Personaldienstleisters an den Kläger heißt es: 

Nachstehend aufge­führt teilen wir Ihnen mit, dass unser angewandter Mantel­ta­rif­vertrag, Tarif­ge­mein­schaft Christ­liche Gewerk­schaften Zeitarbeit und PSA (vom Gesetz­geber nicht mehr anerkannt), ab sofort durch den: 

IGZ Inter­es­sen­verband Deutscher Zeitar­beits­un­ter­nehmen e.V. ersetzt wurde.

[…]

Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis und legen dieses Schreiben zu Ihrem Arbeits­vertrag.

Ein weiteres Schreiben lautet wörtlich:

Nachtrag zum beste­henden Arbeits­vertrag 

Sehr geehrter [Kläger],

nach Prüfung der Bundesagentur für Arbeit müssen wir unsere Arbeitsverträge wie nachfolgend aufgeführt korrigieren/ergänzen:

1. Tarifvertrag – Manteltarifvertrag und Entgelttarifvertrag wird mit Entgeltrahmentarifvertrag und Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung ergänzt

2. Staffelung der Urlaubstage nach § 6.2.1 Manteltarifvertrag

3. Vergütung Nichtverleihzeiten nach § 4.1.2 Manteltarifvertrag

Vorrangig wird das Arbeitszeitkonto verringert

4. Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) nach § 8 Manteltarifvertrag

5. Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 6a Manteltarifvertrag

6. Merkblatt – der Name der Bundesanstalt für Arbeit wird durch Bundesagentur für Arbeit ersetzt

Wir bitten um Kenntnisnahme und Ablage des Originals zu Ihrem Arbeitsvertrag.

Das nachfolgende Duplikat/Kopie senden Sie bitte unterschrieben mit Datum für Ihre Personalakte, mit beiliegendem Freiumschlag, an uns zurück.

Somit haben wir eine Bestätigung, dass Sie den Nachtrag erhalten haben.

Im April 2015, Juni 2016, März 2017, Oktober 2017, März 2018 und März 2019 teilte die Beklagte dem Kläger unter dem Betreff „Mitteilung über Lohnhöhe bzw. Lohnzusammensetzung″ sein Stundenentgelt bzw. dessen Zusammensetzung mit, jeweils unter Bezugnahme auf den Tariflohn nach EG 2 ETV iGZ/DGB zzgl. einer übertariflichen Zulage. Von Oktober 2018 bis Mai 2019 zahlte sie dem Zeitarbeitnehmer für ca. 1.300 Stunden laut den Lohnabrechnungen eine ausdrücklich so bezeichnete „Equal Pay Vergütung″ von stündlich 14,68 EUR brutto.

Mit seiner Klage verlangt der Zeitarbeitnehmer eine Differenzvergütung für die (nicht verjährte) Zeit ab 1. Januar 2016 (insgesamt: EUR 16.802,56 brutto). 

Equal pay-Anspruch scheitert an fehlender Darlegung zur Vergütungshöhe

Zunächst liest sich der Sachverhalt wie ein „klassischer CGZP-Fall″, bei dem dem Grunde nach – wegen der Inbezugnahme der unwirksamen Tarifverträge der Tarifgemeinschaft – ein Anspruch auf equal pay entstanden ist.

Laut den tatbestandlichen Feststellungen des LAG Rheinland-Pfalz hat der Zeitarbeitnehmer auch zu keinem Zeitpunkt seine ausdrückliche (schriftliche) Zustimmung zu einem Wechsel von den CGZP-Tarifverträgen auf das Tarifwerk iGZ/DGB erteilt; das Arbeitsverhältnis wurde jedoch de facto – und zwar jahrelang von dem Kläger unbeanstandet – nach den letztgenannten tariflichen Regelungen abgewickelt. Das LAG Rheinland-Pfalz konnte die Frage noch offenlassen, ob darin zumindest eine (konkludente) Zustimmung zur Vertragsänderung gesehen werden kann, da es beanstandet, dass aus den Schreiben des beklagten Personaldienstleisters nicht ersichtlich gewesen sein soll, dass das Tarifwerk iGZ/DGB – wie vom BAG in dessen aktueller Rechtsprechung verlangt – vollständig und umfänglich in Bezug genommen wurde, um den Gleichstellungsgrundsatz wirksam auszuschließen. 

Letztlich ließ das Gericht einen (möglichen) equal pay-Anspruch (dem Grunde nach) an der nicht hinreichend vom Zeitarbeitnehmer dargelegten Höhe der Gleichstellung hinsichtlich des Entgelts scheitern. Dabei folgt das Gericht den von BAG entwickelten Grundsätzen, die in der Praxis – zumindest wenn und soweit der Zeitarbeitnehmer, wie in dem vorliegenden Fall, nicht über eine Auskunft des Kunden nach § 13 AÜG verfügt – für den Kläger bzw. für dessen Prozessbevollmächtige durchaus als herausfordernd zu bezeichnen sind. 

Die Rechtsprechung erwartet einen konkreten Vortrag zu dem Vergleichsentgelt eines Stammbeschäftigten im Kundenbetrieb. Der Zeitarbeitnehmer darf sich nicht auf schlichte Spekulationen oder Schätzungen beschränken – dies wird vom LAG Rheinland-Pfalz mit Blick auf die „Güte″ und Verwertbarkeit des von dem Kläger dargebrachten Vortrags zu Recht deutlich und mehrfach betont. Sollte dieser nicht nur für „aktive bzw. produktive Zeiten″ ein equal pay verlangen, muss der Zeitarbeitnehmer ergänzend vortragen, wie das Vergleichsentgelt in Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, der urlaubs- oder feiertagesbedingten Abwesenheit sowie bei einem Ausgleich von Plusstunden berechnet werden muss.

Da die im Kundenbetrieb in diesem Zusammenhang angewendeten und gelebten Systeme in der Regel durchaus eine gewisse tatsächliche und rechtliche Komplexität aufweisen, ist die Darlegung ohne eine Auskunft nach § 13 AÜG ausgesprochen schwierig und herausfordernd. Vor diesem Hintergrund sollte in entsprechenden equal pay-Verfahren – zumindest aus Sicht des beklagten Personaldienstleisters – immer ein geschärfter Blick auf den Vortrag des Zeitarbeitnehmers geworfen werden. Oftmals ergeben sich bereits unter diesem Gesichtspunkt hinreichende Angriffspunkte, die zu einer Abweisung der Klage bzw. zu einer Verbesserung der (prozessualen) Ausgangslage für eine (günstige!) vergleichsweisen Verständigung führen können. Zusätzlich können und sollten (natürlich) weitere Einreden und Einwendungen gegen den equal pay-Anspruch angeführt werden, u.a. die Verjährung bzw. entgegenstehende Verfallfristen, die im vorliegenden Fall jedoch nach den tatbestandlichen Feststellungen des LAG Rheinland-Pfalz keine Rolle (mehr) gespielt haben.

Keine Vorlage an den EuGH und keine Revision: Außer Spesen, nichts gewesen!

Der klagende Zeitarbeitnehmer hat in dem betreffenden Rechtsstreit eine Vorlage an den EuGH nach § 267 AEUV begehrt – eine bereits in der Vergangenheit beliebte und augenscheinlich immer beliebter werdende Vorgehensweise, die sich angesichts der „Vorlagefreudigkeit″ der deutschen Arbeitsgerichte (gerade zuletzt mit Blick auf die Zeitarbeit) zu einem prozessualen Standard bei Arbeitnehmervertretern entwickelt zu haben scheint.

Das LAG Rheinland-Pfalz lehnte eine solche allerdings zu Recht mit der Begründung ab, dass sich keine für die maßgebliche Entscheidung erheblichen Fragen der Auslegung oder Gültigkeit von Unionsrecht stellen. Auch das bei dem EuGH anhängige Vorlagefragen des BAG (vgl. Beschluss v. 16. Dezember 2020 – 5 AZR 143/19 (A)) gebietet nach Ansicht des LAG Rheinland-Pfalz keine abweichende Bewertung. Dort wird es insbesondere um die Frage gehen, welche Anforderungen an den „Gesamtschutz″ derjenigen Tarifverträge der Zeitarbeit zu stellen sind, um wirksam vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen zu können. Auf diese für die Praxis wesentliche Frage kam es in dem hiesigen Rechtsstreit jedoch nicht mehr an, da der Vortrag des klagenden Zeitarbeitnehmers die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast zur Höhe des Gleichstellungsanspruchs nicht erfüllt hat. Der „Gesamtschutz″ der zur Abweichung vom equal pay-Grundsatz in Bezug genommenen Tarifverträge war folglich nicht entscheidungserheblich. 

Auch eine Revision zum BAG wurde nicht zugelassen.

Weitere Einzelheiten dazu entnehmen Sie dabei bitte unserem „Infobrief Zeitarbeit″, in dem wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informieren. Sollten Sie Interesse haben, diesen kostenfrei zu beziehen, schreiben Sie uns bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.com oder kira.falter@cms-hs.com).

Tags: Darlegung equal pay Gleichstellungsgrundsatz Vergütungshöhe Zeitarbeit