23. Dezember 2010
Treppe mit Weihnachtsbaum
Kanzleialltag

Deutschlands Arbeitsgerichte (4) – Saarbrücken

Man könnte meinen, wir hätten Saarbrücken zur Einstimmung auf Weihnachten besucht:

Das Saarland hat derzeit knapp über 1 Mio. Einwohner, Saarbrücken selbst kommt auf nur etwa 180.000 Einwohner. Insoweit darf es nicht verwundern, dass das Landesarbeitsgericht Saarland gemeinsam mit dem Arbeitsgericht Saarbrücken nicht in einem pompösen Gerichtsbau im Regierungs- und Gerichtsviertel am Westufer der Saar residiert, sondern eine dezentere Variante gewählt hat. Seit 1957 befindet sich das Gericht in einer mittlerweile denkmalgeschützten Villa im Stadtteil St. Johann am Staden.

Das große Gebäude mit Erkern, Balkonen und Dachgauben in dezentem Beige-Grün mit ockerfarbenen Sockel gestrichen, liegt an der Straßenecke Obere Lauerfahrt/Bismarckstraße in Sichtweite der Saar. Einige zugemauerte Fensternischen zeugen von der Umwandlung der Villa in ein öffentliches Büro- und Dienstgebäude.

Der Eingang ist schlicht gehalten, das moderne Treppengeländer, der überdimensionierte Briefkasten und der an der Wand befestigte Aschenbecher neben dem Eingang enttäuschen auf den ersten Blick. Aber bereits die Fenstersprossen der gläsernen Eingangstür verheißen mehr.

Und mehr wird bei den ersten Schritten in den marmorgefliesten Vorraum geboten. Der Boden und die Wände in schwarzem und weißem Marmor dürften reißenden Absatz in deutschen Altbauwohnungen finden.

Das ist noch nicht alles; hat man erst mal die zweiflügelige Schwingtür in den Flurbereich des Erdgeschosses durchschritten, kommt der Besucher aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die großartige Stuckdecke wird von einer schlichten Kugellampe erhellt. Die elegante, weiß-rot gestrichene Holztreppe, die in das Obergeschoß führt, liegt dem verkachelten Kamin gegenüber. Zur Weihnachtszeit hat man dem Gebäude einen klassischen Weihnachtsbaum gegönnt, und der Besucher erwartet gleich Armin Müller-Stahl als Heinrich Breloers Thomas Mann die Treppe herunterkommend.

Die Türen verfügen über aufwändig geschnitzte Rahmen, die zum Flur mit goldenem Lorbeer gekrönt sind. Und wie der Eingang kann auch der Flur kann mit einem aufwändigen, kleinteiligen Bodenmosaik aufwarten.

Der schönere der beiden Sitzungssäle ist der kleine Saal 2. Der mit elegantem Parkett in Fischgrätmuster mit Einlagen ausgelegte Saal ist unmittelbar auf den mit ionischen Säulen gesäumten Erker des Hauses ausgerichtet. Und hier ist auch der Clou: In dem Erker hinein hat man den Richtertisch auf eine kleine Empore gesetzt, der über eine Tür und einen Deckel für den ungehinderten Zugang betreten wird !

Die Besucher sitzen auf schlichten Holzbänken, deren blaue Polster sich auch in den – leider in verchromter Standardbüro-Architektur gehaltenen – Stühlen für die Parteien wiederfindet. Die Türrahmen des Sitzungssaals weisen – anders als im Vorraum – innen ein Portal auf, das sich rechts und links auf je zwei kleine Säulen stützt.

Der größere Sitzungssaal 1 ist weitaus schlichter. Die Bestuhlung leider modern. Aber der riesige hölzerne Richtertisch mit seiner polierten zweiteiligen Tischplatte dominiert den Raum. An der Wand dahinter befindet sich ein hölzernes Kreuz, was man in deutschen Gerichten nur noch selten finden dürfte. Alles in allem ein Gerichtssaal, der in seinem jetzigen Zustand die Entwicklung eines halben Jahrhunderts widerspiegelt.

Setzt man Michelin-Kriterien an, so vergeben wir an das Landesarbeitsgericht Saarbrücken mindestens zwei Sterne, denn es „verdient einen Umweg“.

Die Serie widmet sich Deutschlands Arbeitsgerichten – den Gebäuden, ihrer Architektur und der Umgebung und nicht dem gesprochenen Recht.

Hier geht es zu Teil 3, Köln. Die vorhergehenden Teile finden Sie hier: Siegburg, Frankfurt.

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