Wenn es um das Arbeitszeugnis geht, streiten Arbeitgeber und Arbeitnehmer oft über den Schlusssatz: die sogenannte Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel.
Viele Arbeitgeber* beenden das Arbeitszeugnis mit diesem Satz:
Wir danken Sabine Schneider für die Dienste, bedauern das Ausscheiden und wünschen für den weiteren Lebensweg alles Gute.
Der Satz ist so verbreitet, dass viele der Meinung sind, ein Arbeitgeber, der ihn weglasse, bringe damit insgeheim zum Ausdruck, dass er mit dem Arbeitnehmer nicht zufrieden gewesen sei. Das kann die Chancen des Arbeitnehmers bei Bewerbungen verschlechtern.
BAG: Arbeitnehmer haben grds. keinen Anspruch auf Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel
Trotzdem ist es ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG), dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch darauf hat, dass der Arbeitgeber den Schlusssatz in das Zeugnis aufnimmt.
Ausführlich begründet hat das BAG das im Urteil vom 25. Januar 2022 (9 AZR 146/21): Da der Schlusssatz seine Bewerbungschancen erhöhe, könne sich der Arbeitnehmer, der die Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel begehre, auf seine Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) einerseits und sein allgemeines Persönlichkeitsrecht andererseits berufen (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Andererseits werde der Arbeitgeber, wenn man ihn zwinge, den Schlusssatz in das Zeugnis aufzunehmen, in seiner Unternehmerfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und seiner Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) beeinträchtigt. Denn zur Meinungsfreiheit gehöre auch die negative Meinungsfreiheit, also die Freiheit, eine Meinung nicht zu haben oder zumindest nicht zu äußern.
Die Abwägung der kollidierenden Grundrechte ergebe, dass das Interesse des Arbeitgebers, seine innere Einstellung zum Arbeitnehmer sowie seine Gedanken- und Gefühlswelt nicht offenbaren zu müssen, höheres Gewicht habe als das Interesse des Arbeitnehmers an der Schlussformel.
Arbeitgeber schrieb die Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel und entfernte sie wieder
In einem Fall vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen gab es eine Besonderheit: Ein Arbeitgeber nahm den Schlusssatz in das Zeugnis auf. Nachdem die Arbeitnehmerin eine bessere Note verlangt hatte, stellte er ein neues Zeugnis aus und änderte einige Formulierungen, hob die Note aber nicht an. Auch in diese neue Version des Zeugnisses nahm er den Schlusssatz auf. Die Arbeitnehmerin bestand weiterhin auf der besseren Note. Daraufhin erstellte der Arbeitgeber eine dritte Fassung des Zeugnisses, die zwar die gewünschte bessere Note enthielt, aber keinen Schlusssatz mehr.
Die Arbeitgeberin verlangte mit ihrer Klage, dass der Arbeitgeber den Schlusssatz wieder in das Zeugnis aufnehme. Hierauf habe sie ausnahmsweise einen Anspruch, weil sich der Arbeitgeber selbst gebunden habe. Denn nachdem er ihn in zwei Fassungen des Zeugnisses aufgenommen habe, habe der Arbeitgeber den Schlusssatz nicht grundlos wieder entfernen dürfen. Indem er in der dritten Version des Zeugnisses die Schlussformel weggelassen habe, habe sie der Arbeitgeber für die Geltendmachung der Zeugnisberichtigungsansprüche maßregeln wollen, was nach § 612a BGB verboten sei.
Der Arbeitgeber erwiderte, das Maßregelungsverbot (§ 612a BGB) gelte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr, weil zu dieser Zeit kein Machtungleichgewicht mehr vorliege. Eine Selbstbindung des Arbeitgebers bestehe nur für Wissenserklärungen, nicht aber für die Schlussformel. Denn erstens sei der Schlusssatz ein Zeugnisbestandteil, auf den die Arbeitnehmerin von vornherein keinen Anspruch habe. Zweitens gelte die Selbstbindung auch bei Wissenserklärungen nicht, wenn neue Tatsachen bekannt würden, die eine Bewertungsänderung rechtfertigten. Daher müsse auch eine Selbstbindung bei der Schlussformel, die immerhin persönliche Empfindungen ausdrücke, entfallen, wenn sich das subjektive Empfinden des Arbeitgebers geändert habe. Denn der Arbeitgeber könne nicht verpflichtet sein, subjektive Empfindungen, die er nicht mehr habe, zu bescheinigen, weil er sonst gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit verstoße.
LAG Niedersachsen: Arbeitgeber darf einmal geschriebene Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel nicht wieder entfernen
Das LAG Niedersachsen (Urteil v. 12. Juli 2022 – 10 Sa 1217/21) gab der Arbeitnehmerin Recht: Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) sei der Arbeitgeber an den Inhalt eines einmal erteilten Zeugnisses gebunden; abrücken dürfe er hiervon nur, wenn ihm nachträglich Umstände bekannt würden, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigten.
Abzustellen sei auf den letzten Tag des Arbeitsverhältnisses, weil der Arbeitgeber diesen Tag in allen drei Versionen des Zeugnisses als Ausstellungsdatum angegeben habe. Somit komme es darauf an, welche inneren Tatsachen (Dank, Bedauern, gute Wünsche) der Arbeitgeber bezogen auf den letzten Tag des Arbeitsverhältnisses habe bekunden wollen und bekundet habe. Spätere Gefühlsentwicklungen seien egal. Denn wollte man das anders sehen, müssten Arbeitgeber konsequenterweise ein einmal erteiltes Zeugnis widerrufen dürfen, wenn sie die dort ausgedrückten Dankesgefühle verloren hätten. Das aber wäre weder redlich noch praktikabel.
BAG könnte ausnahmsweise Anspruch auf Schlusssatz im Arbeitszeugnis bestätigen, wenn die Entfernung aus einer früheren Zeugnisversion gegen das Maßregelungsverbot und gegen Treu und Glauben verstößt
Das Verfahren ist nun beim BAG unter dem Az. 9 AZR 272/22 anhängig. Mit einer Entscheidung ist in den nächsten Monaten zu rechnen.
Viel spricht dafür, dass das BAG das Urteil des LAG Niedersachsen bestätigt. Denn hier deutet schon der zeitliche Ablauf darauf hin, dass der einzige Grund für die Entfernung der Schlussformel war, dass sich der Arbeitgeber über die Geltendmachung der Zeugnisberichtigungsansprüche geärgert hatte. Da die Arbeitnehmerin nur ein ihr zustehendes Recht ausgeübt hatte, verstieß die Entfernung der Schlussformel gegen das Maßregelungsverbot (§ 612a BGB) und gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Andere Arbeitgeber sollten sich hieran kein Beispiel nehmen, sondern entweder von vornherein auf den Schlusssatz verzichten oder den einmal geschriebenen Schlusssatz beibehalten, auch wenn sie das Zeugnis nachträglich ändern.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.