11. September 2018
Elternzeit Kürzung Urlaub
Arbeitsrecht

Elternzeit – Kürzung von Urlaubsansprüchen (bislang) europarechtlich zulässig

Am 31. Januar 2018 entschied das Landesarbeitsgericht Hamm (Az. 5 Sa 625/17), dass die Kürzung von Urlaubsansprüchen für Zeiten der Elternzeit europarechtlich zulässig ist.

Die Kürzungsregelung des § 17 Abs. 1 S. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) beschäftigt die Gerichte hierzulande vielfach.

Nach aktueller deutscher Gesetzeslage können Arbeitgeber Ansprüche auf Erholungsurlaub für jeden vollen Monat der Elternzeit um 1/12 kürzen. In einer seiner letzten Entscheidungen befasste sich das Bundesarbeitsgericht mit dem Zeitpunkt einer Kürzungserklärung. Die Arbeits- und Landesarbeitsgerichte mussten sich hingegen in jüngerer Zeit vermehrt mit der Frage auseinandersetzen, ob eine Kürzung des Urlaubs gegen Europarecht verstößt.

Kürzung von Urlaubsansprüchen vereinbar mit der Elternurlaubs-Richtlinie

Der deutsche Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, die Hauptleistungspflichten während einer Elternzeit ruhend zu stellen und Urlaubsansprüche, die trotz ruhendem Arbeitsverhältnis auch während einer Elternzeit entstehen können, unter einen Kürzungsvorbehalt zu stellen.

Nach der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Hamm ergibt sich aus dem Europarecht (§ 5 Elternurlaubs-Richtlinie 2010/18/EU), dass nationale Vorschriften nicht nur den Status eines Arbeitsverhältnisses während einer Elternzeit regeln können, sondern auch die sich daraus zwangsläufig ergebenden Folgen. Die Kürzungsmöglichkeit nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG betrachtet das Landesarbeitsgericht Hamm als eine solche Folge. Aus dem Europarecht gehe auch kein Verbot einer Regelung über den Verfall von Urlaubsansprüchen hervor. Die Kürzungsmöglichkeit verstoße daher nicht gegen die Elternurlaubs-Richtlinie.

Kürzung auch vereinbar mit der Arbeitszeit-Richtlinie

Auch ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88/EG liegt aus Sicht des Landesarbeitsgerichts Hamm nicht vor. Danach muss jedem Arbeitnehmer ein bezahlter Mindestjahresurlaub von vier Wochen zustehen. Ein Anspruch auf unbeschränkte Erhaltung von Urlaubsansprüchen ergäbe sich aus der Arbeitszeit-Richtlinie jedoch nicht. Auch sei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anerkannt, dass Urlaubsansprüche erlöschen, wenn der Zweck der Erholung von der Arbeit nicht mehr erfüllt werden kann.

Darüber hinaus hielte es der Europäische Gerichtshof für zulässig, bei gegenseitig suspendierten Leistungspflichten Ansprüche von Arbeitnehmern zeitanteilig zu kürzen, wenn dabei nicht Urlaubsansprüche geschmälert werden, die während des vollzogenen Arbeitsverhältnisses erworben worden sind. Aus alle dem ergibt sich für das Landesarbeitsgericht Hamm, dass die Kürzung eines Urlaubsanspruchs für Zeiten der Elternzeit nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG nicht gegen die Arbeitszeit-Richtlinie verstößt. Von Bedeutung ist bei dieser Beurteilung unter anderem, dass der Arbeitnehmer den Zeitraum der Elternzeit selbst bestimmt bzw. beantragt und innerhalb der Elternzeit über seine Lebensgestaltung – wenn auch eingeschränkt durch die Elternpflichten – frei bestimmen kann.

LAG Hamm belässt richtigerweise Regelungsspielraum – aber Bestätigung durch EuGH wünschenswert

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm ist zu begrüßen, da sie den EU-Mitgliedstaaten notwendige gesetzgeberische Regelungsspielräume im Zusammenhang mit der Elternzeit von Arbeitnehmern belässt.

Nach der Elternurlaubs-Richtlinie steht Eltern eine Mindestelternzeit von vier Monaten zu. Der deutsche Gesetzgeber geht mit dem in § 15 Abs. 2 BEEG geregelten Anspruch auf bis zu drei Jahren Elternzeit zugunsten der Arbeitnehmer weit darüber hinaus. Dass bei einer beinahe zehnfach längeren Elternzeit Urlaubsansprüche nicht ohne jeden Vorbehalt anwachsen können, erscheint nicht unangemessen.

Mit seiner Entscheidung folgt das Landesarbeitsgericht Hamm einer ganzen Reihe von Landesarbeitsgerichten, die § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG ebenfalls für europarechtskonform halten (vgl. z.B. Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein 12. Januar 2016 – Az. 1 Sa 88a/15). Gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm wurde jedoch Revision eingelegt, so dass die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist.

Wenn es nicht zu einer anderweitigen Erledigung des Rechtsstreits kommt, wird sich das Bundesarbeitsgericht als höchstes deutsches Gericht (endlich) mit der Frage der europarechtlichen Zulässigkeit der Kürzung von Urlaubsansprüchen nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG befassen und dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorlegen müssen. Wir halten Sie auf dem Laufenden!

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