16. Juni 2011
equal-pay Anspruch
Arbeitsrecht

equal pay-Ansprüche, Zeitarbeit und der „eingefrorene Lohn″

In einem noch frischen Artikel ″Capital″-Artikel kommen auch wir zu Wort. Dort wird unter Hinweis auf die fehlende Tariffähigkeit der CGZP, die vom Arbeitsgericht Berlin  mit Beschluss vom 30.05.2011 für die Vergangenheit – wohlgemerkt nicht rechtskräftig – festgestellt wurde,  darauf hingewiesen, dass sich Leiharbeitnehmer mit Klagen auf equal pay nur vereinzelt haben durchsetzen können. Überwiegend haben die mit den Verfahren befassten Arbeitsgerichte ausgesetzt,  bis abschließend feststeht ist, ob die CGZP in der Vergangenheit tatsächlich nicht tariffähig gewesen ist oder nicht.

Auch nach dem Beschluss des ArbG Berlin ist die Durchsetzung von equal pay-Ansprüchen folglich kein Selbstläufer. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich – neben zahlreichen anderen Arbeitsgerichten (wir berichteten) -  nunmehr das ArbG Wuppertal (Beschl. v. 01.04.2011 – 3 Ca 3786/10) und das ArbG Aachen (Beschl. v. 31.05.2011 – 8 Ca 1270/11 d)  der Auffassung angeschlossen haben, dass sie entsprechende Verfahren nicht „durchentscheiden″ können, sondern bis zu einer finalen Entscheidung über die Tariffähigkeit der CGZP aussetzen müssen. Zu Recht, wie wir meinen.

Tags: 8 Ca 1270/11 d ArbG Berlin CGZP equal pay FTD Rechtsprechung Zeitarbeit
Wolf J. Reuter
am 16.06.2011 um 12:36:48

In der Tat: Die immer wieder angekündigte Klagewelle ist ins Stocken geraten, bevor sie rollte. Überhaupt scheint die Panik zum Thema CGZP zum Teil auf einer Mischung aus Wunschdenken (Rentenversicherung Bund) und Anwaltsmarketing zu beruhen. Die Rentenversicherung Bund hatte zwar alle Unternehmen zu Nachmeldungen aufgefordert – aber setzt sich jetzt erst mit der Frage auseinander, wie die überhaupt wissen sollen, was genau sie zum 31.5. nachzumelden hatten; ob man überhaupt an die erhofften Beitragsmillionen kommt, wird daher immer zweifelhafter (sehr zweifelnd der ausgezeichnete Beitrag von Rieble/Vielmeier in ZIP 2011, 789). Und die Individualkläger? Der Arbeitgeberverband AMP hatte ein Vertragsmuster mit einer wirksamen Ausschlussfrist empfohlen. Wohl den Unternehmen, die das übernommen hatten: Daran dürfte ein erheblicher Teil der Klagen scheitern, wenn sie je erhoben werden. Ein „Selbstläufer“ sieht anders aus.

Martin Belz
am 24.06.2011 um 12:02:26

Wunschdenken?
Sie betreiben hier wohl AMP-Populismus und versuchen Zeitarbeiter die ihre Ansprüche durchsetzen wollen zu verunsichern!
Der AMP empfahl in der Vergangenheit seinen Mitgliedern:

„Eine Risikobegrenzung ist allerdings dadurch möglich, dass eine im Vergleich zu den Tarifverträgen der Zeitarbeitsbranche günstigere, ihrerseits selbst wirksame, Ausschlussfrist gesondert im Leiharbeitsvertrag vereinbart wird.“

Und :

„Berücksichtigt man, dass die CGZP-Tarifverträge eine zweimonatige, einstufige Ausschlussfrist vorsehen, ist folgende Klausel zu vereinbaren: „§ ..Verfall von Ansprüchen. (1) Der Verfall von Ansprüchen (Ausschlussfrist) richtet sich ausschließlich, d. h. abweichenden von etwaigen Tarifregelungen, nach den nachfolgenden Absätzen. (2) Sämtliche Ansprüche des Leiharbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit beim Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Mit dem Verfall sind die Ansprüche endgültig erloschen und können auch nicht mehr im Wege der Aufrechnung geltend gemacht werden. Dies gilt nicht für Ansprüche aus Haftung wegen Vorsatz. (3) Sämtliche Ansprüche des Arbeitgebers gegen den Leiharbeitnehmer verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Frist von zwei Monat ab Fälligkeit beim Leiharbeitnehmer schriftlich geltend gemacht werden.“

Insbesondere die Vereinbarung von Ausschlussfristen unter drei Monaten ist rechtlich nicht haltbar!

Siehe:

Verfallklauseln bzw. Ausschlussfristen sind im Arbeitsrecht weit verbreitet. Sie finden sich regelmäßig in Tarifverträgen, können aber auch einzelvertraglich vereinbart werden. Inhaltlich bestimmen solche Klauseln, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb regelmäßig kurz bemessener Fristen geltend gemacht werden.Sowohl in Tarifverträgen als auch in Arbeitsverträgen sind dabei sowohl einstufige wie auch zweistufige Verfallklauseln gebräuchlich. Bei einstufigen Ausschlussfristen genügt für die Wahrung des Anspruchs die schriftliche Geltendmachung gegenüber dem Vertragspartner innerhalb der vorgesehenen Frist. Danach muss nur noch die gesetzliche Verjährungsfrist, die drei Jahre beträgt, beachtet werden. Bei zweistufigen Ausschlussklauseln ist es hingegen so, dass zunächst innerhalb einer ersten Frist die schriftliche Anmeldung gegenüber dem Arbeitgeber erfolgen muss. Lehnt dieser den Anspruch ab, muss dann innehalb einer weiteren sich anschließenden Frist die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs erfolgen, wenn dieser nicht verfallen soll.

Bis zum Jahr 2002 bestand an der Wirksamkeit solcher Klauseln selbst dann kein Zweifel, wenn diese Fristen von deutlich unter drei Monaten vorsahen. Seit der 2002 in Kraft getretenen Reform des Schuldrechts unterliegen Ausschlussfristen in Formulararbeitsverträgen allerdings der Kontrolle nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Regelungen im BGB, da diese Normen im Gegensatz zum vorherigen Rechtszustand jetzt auch auf Arbeitsverträge anwendbar sind, wobei allerdings nach einer Ausnahmeregelung weiterhin die Besonderheiten des Arbeitsrechts zu beachten sind.

Als Ergebnisse der neueren Rechtsprechung ist festzuhalten, dass
Ausschlussfristen in Formulararbeitsverträgen weiterhin zulässig sind,
bei einer Dauer von weniger als drei Monaten unwirksam sind
unwirksam sind, wenn sie allein an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfen, ohne die Fälligkeit der Ansprüche zu berücksichtigen und
dies auch für vor dem 01.01.2002 abgeschlossene Arbeitsverträge gilt.

Einstufige einzelvertragliche Ausschlussfrist unter drei Monaten unwirsam

Eine einzelvertragliche Ausschlussfrist, die die schriftliche Geltendmachung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von weniger als drei Monaten ab Fälligkeit verlangt, benachteiligt unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB). Sie ist mit wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechts nicht vereinbar (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und schränkt wesentliche Rechte, die sich aus der Natur des Arbeitsvertrages ergeben, so ein, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

Die Ausschlussklausel ist aufgrund der unangemessen kurzen Frist insgesamt unwirksam. Sie fällt bei Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags im übrigen ersatzlos weg (§ 306 Abs. 1 und Abs. 2 BGB).

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.09.2005 -5 AZR 52/05

Zweistufige einzelvertragliche Ausschlussfrist unter drei Monaten unwirsam – Arbeitsvertrag als Verbrauchervertrag

Der Arbeitnehmer ist bei Abschluss des Arbeitsvertrages Verbraucher im Sinn des § 13 BGB.

Ausschlussfristen können grundsätzlich auch in Formulararbeitsverträgen vereinbart werden. Eine Ausschlussfrist, die eine gerichtliche Geltendmachung verlangt, weicht im Sinn des § 307 Abs. 2 BGB von dem gesetzlichen Verjährungsrecht ab. Zwar lässt § 202 BGB eine Abkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren zu. Eine Klagefrist von 4 Wochen ist aber mit wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechts nicht vereinbar und führt deshalb entgegen den Geboten von Treu und Glauben zu einer unangemessenen Benachteiligung.

Bei der Bemessung der angemessenen Dauer einer Ausschlussfrist ergibt sich aus § 61 B Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz – Frist von 3 Monaten – ein geeigneter Maßstab.

In Formulararbeitsverträgen können zweistufige Ausschlussklauseln vereinbart werden. Die Mindestfrist für die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche beträgt 3 Monate.

Ist die Ausschlussfrist zu kurz bemessen, benachteiligt sie den Arbeitnehmer unangemessen und ist deshalb unwirksam. Die Ausdehnung auf eine zulässige Dauer kommt nicht in Betracht, es gilt dann allein das gesetzliche Verjährungsrecht.

Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts findet bei ausgehandelten Vertragsbedingungen eine Billigkeitskontrolle im Sinne einer allgemeinen, nicht auf die Besonderheiten des Falles bezogenen Angemessenheitsprüfung nach § 242 BGB nicht mehr statt.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.05.2005 – 5 AZR 572/04

Juergen
am 29.07.2011 um 13:57:17

@ Herr Reuter
Die Klagewelle wird noch rollen, denn das die CGZP auch in der Vergangenheit nicht tariffähig und tarifzuständig war, kann ja JEDER bereits in den Randnummern 85,86 und 110 des BAG-Beschluss vom 14.12.2010 nachlesen.Nach meiner Auffassung kann die Klagewelle sich auch auf Zeitsarbeitsunternehmen erweitern, die den BZA- und IGZ-Tarifvertrag angewendet haben bzw. anwenden, da auch die Geltungsbereiche dieser beiden Tarifverträge NICHT auf die Organisationsbereiche (Branchen) der unterzeichneten DGB-Gewerkschaften beschränkt wurde (siehe Randnummer 86, letzter Satz)!
Selbstverständlich betreibt die Rentenversicherung Bund kein Wunschdenken, sonst geht ihrer Arbeit im Sinne aller Beitragszahler und betroffenen Leiharbeitnehmer nach. Sollte betroffenen Leiharbeitnehmern nicht die zustehenden KORREKT ermittelten Differenzen zu den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuern nachgezahlt werden, könnten damit Straftaten im Sinne des § 266a StGB und § 370 AO vorliegen! Den betroffenen Leiharbeitnehmer bleibt also alles Mittel evtl. Anzeigen beim Zoll (FKS) oder den Staatsanwaltschaften.
Zitat: “..aber setzt sich jetzt erst mit der Frage auseinander, wie die überhaupt wissen sollen, was genau sie zum 31.5. nachzumelden hatten.“
Was berechnet werden muss, ergibt sich aus der Definition der wesentlichen Arbeitsbedingungen (siehe dazu die Entscheidung des BAG vom 23.03.2011 = S. 38 der BT-Drucksache 15/25 und Art. 3 f der EU-Richtlinie Leiharbeit). Die Entleiher haben den Zeitarbeitsunternehmen die wesentlichen Arbeitsbedingungen im Überlassungsvertrag mitzuteilen (siehe § 12 Abs.1 AÜG), da die Ausnahmeregelung auf Grund des BAG-Beschluss vom 14.12.2010 nachträglich nicht mehr anwendbar ist.
Laut Bundesregierung werden 500 Mio. Euro/a geschätzt, sprich geschätzte 2 Mrd. Euro für die Verjährungsfrist von 4 Jahren.
Zitat:“Der Arbeitgeberverband AMP hatte ein Vertragsmuster mit einer wirksamen Ausschlussfrist empfohlen.“ Das mag sein, jedoch war die Ausschlussfrist im AMP/CGZP-Tarifvertrag (mit nur 2 Monaten) lange Zeit nicht rechtmäßig, die in Arbeitsverträgen übernommen wurde! Da in Arbeitsverträgen die tarifliche Ausschlussfrist übernommen wurde, sind diese tariflich übernommenen Ausschlussfristen natürlich auch UNWIRKSAM, wenn der Tarifvertrag insgesamt unwirksam ist!
Die Übernahme der tariflichen Ausschlussfrist in die Arbeitsverträge dürfte -denke ich – die Regel sein!
Zitat:“Daran dürfte ein erheblicher Teil der Klagen scheitern, wenn sie je erhoben werden. Ein „Selbstläufer“ sieht anders aus.“
Das denke ich nicht, wie ich oben bereits geschildert habe und hinzu kommt, das die Randnummern 85 und speziell 86, letzter Satz des BAG-Beschluss vom 14.12.2010 nach meiner Auffassung auch auf den BZA- und IGZ-Tarifvertrag übertragbar ist, da auch die Geltungsbereiche dieser beiden Tarifverträge die Organisationsbereiche (Branchen) der unterschreibenen DGB-Gewerkschaften und den Organisationsbereich der nicht-unterschriebenen Transnet ÜBERSCHREITEN und damit laut BAG ins Leere laufen!
Es ist daher abzuwarten, ob auch Leiharbeitnehmer in Bezug auf die BZA- und IGZ-Tarifverträge klagen werden und damit die Klagewlle wesentlich erweitern könnten.

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