9. April 2019
Urlaubsanspruch Kürzung
Arbeitsrecht

Erleichterung für Arbeitgeber: Endlich Rechtssicherheit bei der Urlaubskürzung

Ob Arbeitgeber den Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern in der Elternzeit rechtmäßig kürzen dürfen, war bis zu einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts am 19. März 2019 (Az. 9 AZR 362/18) unklar. Nunmehr ist sicher: sie dürfen!

Im vergangenen Jahr musste sich sowohl das Landesarbeitsgericht Hamm als auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit der Kürzungsmöglichkeit nach § 17 Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) befassen. Die jeweils klagenden Arbeitnehmerinnen waren der Auffassung, die Kürzung ihres Urlaubsanspruchs um 1/12 pro vollen Monat der Elternzeit verstoße gegen Europarecht (LAG Hamm, Urteil v. 31. Januar 2018 – 5 Sa 625/17, sowie LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 15. Juni 2018 – 3 Sa 42/18).

Beide Landesarbeitsgerichte konnten keine Europarechtswidrigkeit feststellen, ließen aber die Revision zum Bundesarbeitsgericht zu. Der Fall des Landesarbeitsgerichts Hamm wurde jetzt vom Bundesarbeitsgericht rechtskräftig entschieden.

Grundsätzlich besteht Kürzungsrecht des Arbeitgebers

Der jährliche Urlaubsanspruch nach § 1 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) entsteht auch während der Elternzeit, obwohl das Arbeitsverhältnis in dieser Zeit ruht. Nach § 17 Abs. 1 BEEG kann der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch aber für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 kürzen. Dies geht nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer* während der Elternzeit bei seinem Arbeitgeber Teilzeit arbeitet.

In dem nunmehr entschiedenen Fall ging es um eine Assistentin der Geschäftsführung, die vom 1. Januar 2013 bis zum 15. Dezember 2015 durchgehend in Elternzeit war. Nach der Rückkehr aus der Elternzeit kündigte sie ihr Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 23. März 2016 zum 30. Juni 2016 und beantragte die Gewährung ihres Resturlaubs. Der Arbeitgeber erteilte ihr vom 4. April 2016 bis 2. Mai 2016 Urlaub, lehnte aber die Gewährung des auf die Elternzeit entfallenden Urlaubs ab.

Mit ihrer Klage machte die Assistentin die Abgeltung von 89,5 Urlaubstagen aus 2013 bis 2015, d.h. aus dem Zeitraum ihrer Elternzeit geltend. Wie schon das Arbeitsgericht Detmold in der ersten Instanz und das Landesarbeitsgericht Hamm in der Berufung wies auch das Bundesarbeitsgericht die Klage ab.

Kürzungswunsch muss erkennbar sein

Möchte der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit nach § 17 Abs. 1 BEEG Gebrauch machen, muss er dies dem Arbeitnehmer mitteilen und diese Erklärung muss dem Arbeitnehmer auch zugehen. Die Mitteilung ist an keine bestimmte Form gebunden, eine Dokumentation gegen Empfangsquittung ist indes zu empfehlen. Im Streitfall muss der Arbeitgeber nämlich den Zugang der Erklärung beweisen.

Nicht erforderlich ist, dass sich der Arbeitgeber ausdrücklich auf sein Kürzungsrecht oder gar § 17 Abs. 1 BEEG bezieht. Es genügt vielmehr, wenn der Arbeitgeber in seiner Mitteilung erkennen lässt, dass er von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen will, etwa weil er die Gewährung des auf die Elternzeit entfallenden Urlaubs schlicht ablehnt.

Kürzungsrecht erfasst auch vertraglichen Mehrurlaub

Das Bundesarbeitsgericht stellt ferner klar, dass die Kürzungsmöglichkeit auch den übergesetzlichen Urlaub erfasst. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die Arbeitsvertragsparteien für den vertraglichen Mehrurlaub eine von § 17 Abs. 1 BEEG abweichende Regelung vereinbart haben und eine Kürzungsmöglichkeit für den vertraglichen Mehrurlaub ausschließen oder im Vergleich zu § 17 Abs. 1 BEEG reduzieren. Dies ist jedoch aktuell unüblich. Gleiches dürfte im Übrigen für tariflichen Mehrurlaub gelten.

Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs mit Europarecht vereinbar

Die Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs verstößt nach Auffassung des Bundearbeitsgerichts nicht gegen Europarecht und zwar weder gegen den Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Art. 7 der Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88/EG noch gegen § 15 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 2010/18/EU.

Das Bundesarbeitsgericht bezieht sich auf eine vom Europäischen Gerichtshof ergangene Entscheidung vom 4. Oktober 2018 (Az. C-12/17). Dort ging es um eine Norm aus dem rumänischen Recht, wonach bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs Zeiten des Elternurlaubs (rumänisches Pendant zur deutschen Elternzeit) nicht mit eingerechnet werden. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs ist es europarechtskonform, bei der Berechnung von Urlaubsansprüchen ausschließlich Zeiträume zu berücksichtigen, in denen tatsächlich gearbeitet wurde. Zeiten eines Elternurlaubs seien solchen Zeiten nicht gleichzustellen und unterschieden sich insoweit auch von Zeiten der Krankheit oder des Mutterschaftsurlaubs.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts transferiert die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ins deutsche Recht. Arbeitnehmer, die im Urlaubsjahr wegen Elternzeit nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet waren, müssen daher Arbeitnehmern, die tatsächlich gearbeitet haben, nicht gleichgestellt werden. Ihr Urlaub darf daher gekürzt werden.

Folgen für die Praxis: Kürzung von Urlaubsansprüchen um 1/12 pro Monat möglich

Arbeitgeber, die Urlaubsansprüche um 1/12 pro vollen Monat der Elternzeit kürzen möchten, können dies nun rechtssicher durch entsprechende Erklärung gegenüber dem jeweiligen Arbeitnehmer tun. Mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19. März 2019 sind die Unsicherheiten in Bezug auf dieses gesetzliche Kürzungsrecht nach § 17 Abs. 1 BEEG beseitigt worden. Es ist nicht zu erwarten, dass das Bundesarbeitsgericht in dem noch anhängigen Revisionsverfahren (Az. 9 AZR 432/18) zu einer anderen Entscheidung kommen wird.

Wichtig ist, dass der Arbeitgeber die Kürzungserklärung jedenfalls vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgibt, da § 17 Abs. 1 BEEG auf den Urlaubsabgeltungsanspruch keine Anwendung findet (vgl. BAG, Urteil v. 19. Mai 2015 – 9 AZR 725/13). Unerheblich hingegen ist, ob die Erklärung vor, während oder nach Beendigung der Elternzeit abgegeben wird.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Kürzung Urlaubsanspruch vertraglicher Mehrurlaub