10. August 2015
Freelancer, Vermittlung, Arbeitsrecht
Arbeitsrecht

Geschäftsmodell der Freelancer-Vermittlung auf dem Prüfstand

Gestern noch Vermittler – heute schon Arbeitgeber: was bei der Vermittlung von Freelancern und der Vertragsgestaltung zu beachten ist.

Ehe sich ein Personaldienstleister versehen hatte, ergingen bereits zwei Entscheidungen gegen ihn. Sowohl die Deutsche Rentenversicherung (DRV) als auch das Sozialgericht Freiburg bescheinigten ihm ein Arbeitsverhältnis mit einem von ihm vermittelten Freelancer. Dies war so mit Sicherheit nicht geplant. Das Sozialgericht sollte aus Sicht des Personalvermittlers und des klagenden IT-Projektdienstleisters gerade dessen Selbstständigkeit feststellen.

Das Urteil des Sozialgerichts vom 16. Januar 2015 (Az S 15 R 5324/12) macht noch einmal deutlich, dass alle bei einer Vermittlung von Freelancern Beteiligten penibel auf die richtige Vertragsgestaltung und Einsatzdurchführung achten müssen. Beides muss so ausgestaltet sein, dass sich keine abhängige Beschäftigung ergibt. Das gelingt nicht immer und birgt häufig unerwünschte und nicht vorhersehbare Konsequenzen.

Vermittler, Freelancer und Endkunde – Ein Dreiecksverhältnis

Der Personaldienstleister ist auf die Vermittlung von Freelancern für einen bestimmten Bereich spezialisiert. Er hatte mit einem Endkunden ein Service Agreement zur Erbringung einer Dienstleistung abgeschlossen. Die tatsächliche Arbeit erbrachte der Kläger als sog. „Senior Statistical Programmer″ auf Basis eines (weiteren) Dienstleistungsvertrags. Innerhalb dieses Dreiecksverhältnisses war der Status des vermittelten Freelancers gegenüber dem Personaldienstleister zu klären. Das Sozialgericht kam – wie auch die DRV – zum Ergebnis einer abhängigen Beschäftigung.

Abhängige Beschäftigung bei Freelancer Vermittlung? – Eine Prüfung in zwei Schritten

Für die Beurteilung, ob es sich bei einer Tätigkeit um eine abhängige Beschäftigung handelt oder nicht, kommt es insbesondere darauf an, in welchem Umfang der Tätige den Weisungen des „Arbeitgebers″ unterliegt und inwieweit er in dessen Betriebsorganisation eingegliedert ist.

Entscheidend sind immer die Gesamtumstände des Einzelfalls, die nach einer wertenden Betrachtung durch das Gericht mehr oder weniger stark ins Gewicht fallen können. Eine rein schematische oder katalogisierte Prüfung von einzelnen Indizien verbietet sich. Diesen Grundsatz legte auch das Sozialgericht Freiburg seiner zweischrittigen Prüfung zugrunde:

  1. 1. Schritt: Vertragsgegenstand

Ein unbestimmter Vertragsgegenstand ist der erste und ein entscheidender Schritt in Richtung abhängige Beschäftigung. Nach Ansicht des Sozialgerichts Freiburg und unzähliger anderer Gerichte ist eine detaillierte Beschreibung dessen, was zu tun ist, unerlässlich für die Kalkulierbarkeit des Leistungsangebots eines Selbstständigen und umgekehrt unerlässlich für den Auftraggeber zur Kontrolle der Vollständigkeit und Richtigkeit der Leistung. Fehlt eine Leistungsbeschreibung, insbesondere bei einer längeren Beauftragung, seien konkretisierende Weisungen nahezu zwingend und zögen eine abhängige Beschäftigung nach sich, so das Sozialgericht Freiburg. Der Kläger könne daher nicht als Subunternehmer, sondern nur als Arbeitnehmer tätig geworden sein.

Indizien für konkretisierende Weisungen schloss das Gericht u.a. aus folgenden Aspekten:

  • – Mündliche Abstimmungen und fachlich und aufgabenbezogener Austausch zwischen dem Kläger und dem Personal des Endkunden
  • – Absprache der Aufgabenverteilung zwischen Festangestellten und dem Kläger
  1. 2. Schritt: Leistungserbringung

Ein Selbstständiger bestimmt selbst sowohl über die Art und Weise seiner Leistungserbringung als auch über seine Arbeitszeit und seinen Arbeitsort. Der Kläger konnte dies aufgrund folgender Merkmale nach Ansicht des Sozialgerichts Freiburg allenfalls teilweise:

  • – Vertragliche Festlegung des Arbeitsorts
  • – Vereinbarung einer 40 Stunden Woche (= Acht-Stunden-Arbeitstag)
  • – Einhaltung der Arbeitszeit am Einsatzort
  • – Keine Tätigkeit für andere Auftraggeber aufgrund der Vollzeitauslastung
  • – Pauschale Vergütung von Aufwendungen
  • – Nutzen der Betriebsmittel des Endkunden ohne finanzielle Belastung
  • – Ähnliche Tätigkeit durch festangestellte Mitarbeiter des Endkunden
  • – Keine Werbung des Klägers am Markt

Entscheidend war für das Gericht auch die Abgrenzung zwischen dem sog. Unternehmer- und Arbeitsplatzrisiko. Das Unternehmerrisiko zeichnet sich dadurch aus, dass der wirtschaftliche Erfolg und Misserfolg für den Selbstständigen direkt finanziell spürbar wird (z.B. Erfolgsprämie bei besonders schneller Fertigstellung der Leistung). Abhängig Beschäftigte tragen hingegen (lediglich) ein Arbeitsplatzrisiko, dass sich im Erhalt oder Verlust des Arbeitsplatzes äußert. Da der Kläger keine erheblichen wirtschaftlichen Risiken getragen habe und sogar faktisch wie ein Arbeitnehmer pauschal auf Stundenbasis in Vollzeit vergütet worden ist, stellte das Gericht ein Überwiegen des Arbeitsplatzrisikos fest.

In der Gesamtschau der aufgeführten Indizien hat das Sozialgericht Freiburg eine Eingliederung des IT-Projektdienstleisters bei dem Endkunden angenommen.

Bedeutet Eingliederung des Freelancers beim Endkunden automatisch Eingliederung beim „Vermittler″?

Das Geschäftsmodell zahlreicher Unternehmen basiert darauf, qualifizierte Freelancer zu suchen, zu finden und an Dritte zu vermitteln. Regelmäßig fehlt den „Vermittlern″ – wie im entschiedenen Fall auch der Beigeladenen – das fachliche Wissen, um die Leistung beim Endkunden tatsächlich zu erbringen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich häufig die Frage, beim wem ein mögliches Risiko der Eingliederung des Freelancers in die Arbeitsorganisation begründet ist bzw. begründet werden kann. Die Antwort des Sozialgerichts Freiburg lautet: Sowohl bei dem Endkunden (s.o.) als auch bei dem „Vermittler″. Anhand der vertraglichen Leistung soll dann entschieden werden, bei wem aufgrund der Eingliederung ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis begründet wird. Erschöpft sich die Leistung in der bloßen Vermittlung (des Freelancers) könnte es sich um eine Arbeitnehmerüberlassung handeln. Konsequenz wäre (bei fehlender Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 10 AÜG) ein Arbeitsverhältnis zum „Entleiher″, dem Endkunden. Eine (verdeckte) Arbeitnehmerüberlassung lehnt das Sozialgericht Freiburg aber ab, sobald der Vermittler Verantwortung für die Leistung/das Werk übernimmt, wie es in vielen Fällen vertraglich der Fall ist. Dann soll ihn die Arbeitgeberstellung treffen.

Das Urteil des Sozialgerichts wirft viele Fragen auf. Folgt man der Argumentation des Gerichts, würde es bei rechtlich unzutreffend durchgeführten Werk- und Dienstverträgen keine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung mehr geben. Denn in diesen Konstellationen trägt der Werkunternehmer oder Dienstleister (Unternehmer) immer die Verantwortung für das Werk/die Leistung. Ein Endkunde könnte einen vermittelten Freelancer, der z.B. als Subunternehmer im Rahmen eines Werk- oder Dienstvertrags tätig wird, nach Belieben in die eigene Arbeitsorganisation eingliedern. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis würde nie bei ihm, sondern immer beim Unternehmer begründet werden. Die Rechtsfolgen des § 10 AÜG würden in sämtlichen dieser Konstellationen ausgehebelt. Selbst wenn der Endkunde weiß, dass für einen Freelancer keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden, und er ihn dennoch (vorsätzlich) wie einen Arbeitnehmer einsetzt, wäre er u.U. strafrechtlich nicht zur Verantwortung zu ziehen, denn § 266a StGB knüpft für die Strafbarkeit bei Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen an die Arbeitgeberstellung. Ob dem Arbeitgeber in diesem Zusammenhang das vorsätzliche Verhalten des Endkunden zur Begründung seines Vorsatzes zugerechnet werden könnte, ist ebenfalls höchst fraglich. Staatsanwaltschaften und Sozialversicherungsträger sehen dies typischerweise anders als das Sozialgericht.

Ob sich das Sozialgericht Freiburg der möglichen Konsequenzen seiner Entscheidung bewusst war, ist offen. Es bleibt abzuwarten, ob das Landessozialgericht Baden-Württemberg die Entscheidung aufrechterhalten oder korrigieren wird. Berufung ist eingelegt (Az. L 4 R 680/15).

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