7. Dezember 2020
Änderungskündigung Kurzarbeit
Arbeitsrecht

Fristlose Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit

Manchmal müssen Arbeitgeber Kurzarbeit einführen. Bleibt nur eine fristlose Änderungskündigung, hilft ein Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart.

Die Coronakrise trifft viele Arbeitgeber hart. Zur Überbrückung der (nicht nur) wirtschaftlich schweren Zeiten greifen sie häufig zur Kurzarbeit. Das zeigen auch die Zahlen: Die Anzahl der Beschäftigten in Kurzarbeit erreichte im Jahr 2020 neue Rekordstände – die Agentur für Arbeit meldet etwa für April 2020 fast 6.000.000 Kurzarbeiter.

Für einige Arbeitgeber ist Kurzarbeit neu: Die letzten Jahre waren überwiegend wirtschaftlich erfolgreich. Dementsprechend waren die Arbeitsverträge mit den Arbeitnehmern teilweise auch nicht für Krisenzeiten gemacht. Zur Einführung von Kurzarbeit brauchen Arbeitgeber aber eine rechtliche Grundlage. Findet sich diese nicht in Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung – etwa, weil der Arbeitgeber gar nicht tarifgebunden ist und in seinem Betrieb kein Betriebsrat existiert –, sucht er sie im Arbeitsvertrag häufig vergebens (vgl. zu diesem Fall ArbG Siegburg, Urteil v. 11. November 2020 – 4 Ca 1240/20). Manche Arbeitgeber mussten in der Coronakrise daher erstmals mit ihren Arbeitnehmern über Kurzarbeit sprechen – und das unter enormen Zeitdruck. Corona kam völlig überraschend.

Aus der Praxis: Einige Beschäftigte weigerten sich, in Kurzarbeit zu gehen

Nach unseren Erfahrungen verlief die Einführung von Kurzarbeit im Zuge von Corona vor allem in Betrieben mit Betriebsräten in den weit überwiegenden Fällen schnell und einvernehmlich. Gerade in Betrieben ohne Betriebsrat hakte es allerdings immer wieder – teilweise auch nur bei vereinzelten Beschäftigten: Sie weigerten sich, Kurzarbeit zu vereinbaren. Arbeitgeber standen dann vor der Frage: Wie kann ich wirtschaftlich notwendige Kurzarbeit dennoch einführen?

In der Theorie lautet die Antwort: Mit einer Änderungskündigung und im dringenden Fall auch fristlos. In der Praxis weiß man, eine Änderungskündigung hat ihre Tücken: Die Anforderungen sind regelmäßig hoch und die Rechtslage bei der Einführung von Kurzarbeit unklar. 

Einen Beitrag zur Klärung liefert ein Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart (ArbG Stuttgart, Urteil v. 22. Oktober 2020 – 11 Ca 2950/20): Das Arbeitsgericht hielt eine fristlose Änderungskündigung zur Anordnungsberechtigung von Kurzarbeit für gerechtfertigt.

Der Fall: Arbeitgeber von Arbeitsausfall betroffen

Der Arbeitgeber, eine Leiharbeitsfirma, war weder tarifgebunden noch war im Betrieb des Arbeitgebers ein Betriebsrat eingerichtet. Aufgrund der Coronakrise war der Betrieb von einem erheblichen Arbeitsausfall betroffen. Dies bestätigte auch die Agentur für Arbeit.

Die Arbeitnehmerin weigerte sich Anfang April 2020, eine Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit zu unterzeichnen. Als Personaldisponentin im Bereich Kindergärten und Kindertagesstätten war sie vom Arbeitsausfall konkret betroffen. Die Kindergärten und Kindertagesstätten waren vorübergehend geschlossen.

Da sich die Arbeitnehmerin weigerte, eine Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit zu unterzeichnen, sprach der Arbeitgeber eine fristlose, hilfsweise fristgemäße Änderungskündigung aus. 

Durch die Änderungskündigung sollte der Arbeitgeber berechtigt sein, Kurzarbeit anzuordnen,

  • sofern ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht und
  • sämtliche weitere Voraussetzungen für einen Anspruch der Arbeitnehmerin auf Kurzarbeitergeld vorliegen.

Den Beginn und das Ende der Kurzarbeit sowie die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit während der Kurzarbeit würde der Arbeitgeber mit einer Ankündigungsfrist von drei Wochen in Textform mitteilen.

Die Arbeitnehmerin wehrte sich vor dem Arbeitsgericht gegen die Änderungskündigung.

ArbG Stuttgart hält fristlose Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit für gerechtfertigt

Das Arbeitsgericht Stuttgart hielt die fristlose Änderungskündigung für wirksam. In dem erheblichen Arbeitsausfall im Betrieb des Arbeitgebers liege ein dringendes betriebliches Erfordernis.

Der erhebliche Arbeitsausfall entstammt den sozialrechtlichen Regelungen zum Kurzarbeitergeld. Das dringende betriebliche Erfordernis ist eine arbeitsrechtliche Voraussetzung für eine zulässige Änderungskündigung. Die sozialrechtlichen Regelungen und die arbeitsrechtlichen Regelungen sind hier verknüpft: Der Gesetzgeber unterstützt Kurzarbeit sozialrechtlich durch die Zahlung von Kurzarbeitergeld. Zu hohe arbeitsrechtliche Anforderungen an eine Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit würden den Zugang zum Kurzarbeitergeld verbauen. Die vom Gesetzgeber gewünschte beschäftigungspolitische Wirkung von Kurzarbeitergeld könnte nicht erzielt werden. Im schlimmsten Fall droht einem Arbeitgeber Insolvenz, falls er Kurzarbeit aufgrund der Weigerung von Arbeitnehmern nicht einführen kann. Dieses Ergebnis liegt nicht im Interesse der Arbeitnehmer.

Für das dringende betriebliche Erfordernis reicht im Übrigen der erhebliche Arbeitsausfall auf betrieblicher Ebene: Der Arbeitgeber muss nicht warten, bis der jeweilige Arbeitnehmer konkret von Kurzarbeit betroffen ist. Es reicht, den persönlichen Bezug – wie vorliegend – in der Formulierung der Änderungskündigung zu berücksichtigen. Durch die Änderungskündigung schafft der Arbeitgeber zunächst die rechtliche Grundlage für eine Anordnungsberechtigung. Die Umsetzung durch konkrete Anordnung der Kurzarbeit ist erst dann möglich, wenn die Voraussetzungen zum Bezug von Kurzarbeitergeld auch in der Person der konkret betroffenen Arbeitnehmerin vorliegen. 

Verhältnismäßigkeit muss auch bei Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit gewahrt bleiben

Eine Änderungskündigung muss auch darüber hinaus verhältnismäßig sein. Das Arbeitsgericht Stuttgart fordert:

  • einen (erfolglosen) Versuch; die Kurzarbeit mit der Arbeitnehmerin zu vereinbaren;
  • eine Ankündigungsfrist vor Anordnung der Kurzarbeit;
  • die zeitliche Begrenzung der Dauer der Kurzarbeit.

Diese drei Punkte hat der Arbeitgeber in dem vom Arbeitsgericht Stuttgart entschiedenen Fall berücksichtigt.

Fristgemäße Änderungskündigung in der Regel nicht sinnvoll

Der Arbeitgeber musste vorliegend auch nicht die Kündigungsfrist einhalten. Kurzarbeit ist per se eine vorübergehende Maßnahme. Nicht selten entstehen die Gründe für Kurzarbeit zudem ohne längere Ankündigung – wie vorliegend aufgrund der COVID-19-Pandemie. Je nach Länge der Kündigungsfrist könnte der Arbeitgeber die Kurzarbeit gar nicht nutzen. Bis zum Ablauf der Kündigungsfrist wäre die Kurzarbeit bereits überholt.

Die Entscheidung hilft Arbeitgebern in Fragen rund um die Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit

Die Argumentation des Arbeitsgerichts Stuttgart überzeugt. Es bleibt zu hoffen, dass sich andere Gerichte der Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart anschließen. Interessant wäre für Arbeitgeber, wenn in einer anderen Entscheidung gegebenenfalls zu einer kürzeren Ankündigungsfrist Stellung genommen wird. In Krisensituation wie Corona erscheint selbst eine Ankündigungsfrist von drei Wochen als lang.

Gleichwohl hilft die Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart Arbeitgebern bei der Einführung von Kurzarbeit in mehrfacher Hinsicht. Der Verweis auf die Entscheidung erleichtert Gespräche mit Arbeitnehmern über eine Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit. Verlaufen diese dennoch erfolglos, zeigt die Entscheidung, dass eine fristlose Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit erfolgreich sein kann. Schließlich gibt die Entscheidung Orientierung bei der Formulierung der Änderungskündigung – Arbeitgeber müssen hier sorgfältig vorgehen.

Zugleich erinnert die Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart daran, bereits bei Beginn eines Arbeitsverhältnisses über eine Klausel zur Kurzarbeit nachzudenken – auch in künftig wieder ruhigeren Zeiten. Die nächste Krise kommt bestimmt.

Tags: Änderungskündigung Einführung Kurzarbeit