Auch im Zeitalter flexibler Arbeitszeiten sind die Freiheiten der Mitarbeiter nicht unbegrenzt. So urteilte unlängst das Bundesarbeitsgericht, dass in Fällen, in denen die Dauer der Arbeitszeit eines Mitarbeiters im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich geregelt ist, die betriebsübliche Arbeitszeit als vereinbart gilt – und zwar auch für außertarifliche Angestellte.
Außer Tarif = außer Haus?
Zu entscheiden war der Fall einer Arbeitnehmerin, die als Referentin beim Energiekonzern RWE in Essen beschäftigt war. Ihre Aufgabe war die Strategie der Gas-Vermarktung. Sie wurde als „außertarifliche Mitarbeiterin″ geführt und bezog ein Jahresgehalt in Höhe von 95.000 Euro. Nach dem Wortlaut ihres Arbeitsvertrages sollte sie „auch außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit tätig werden″. Weitere Regelungen zur Arbeitszeit enthielt der Arbeitsvertrag nicht.
Die Referentin wurde aber weder außerhalb noch innerhalb der klassischen Arbeitszeiten aktiv. Vielmehr wies ihr Arbeitszeitkonto im Oktober 2010 700 Minusstunden auf. Seit dieser Zeit forderte der Konzern die Arbeitnehmerin auf, die tägliche Arbeitszeit von mindestens 7,6 Stunden beziehungsweise die betriebsübliche Arbeitszeit von 38 Wochenstunden einzuhalten. Die Referentin kam dem aber nicht nach. Im Dezember 2010 arbeitete sie vielmehr nur 19,8 Stunden, im Januar 2011 gar nur 5,5 Stunden im Betrieb. Der RWE Konzern kürzte daraufhin die Gehälter der Mitarbeiterin bis Januar 2011 um insgesamt 7.000 Euro wegen Nichterfüllung der Arbeitspflicht.
Arbeit, die nicht in Zeiteinheiten messbar ist
Die Arbeitnehmerin wehrte sich dagegen vor Gericht. Sie stellte sich auf den Standpunkt, sie sei vertraglich nicht verpflichtet, 38 Stunden pro Woche zu arbeiten. Sie müsse überhaupt nicht an bestimmten Tagen und zu bestimmten Zeiten im Betrieb sein. Ihre Arbeit sei nicht in Zeiteinheiten zu messen. Sie erfülle ihre Arbeitspflicht schon dann, wenn sie die von ihrem Arbeitgeber übertragenen Aufgaben erledige. Das Gehalt sei ihr jedenfalls in voller Höhe auszuzahlen, unabhängig von der Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden.
Das sahen die Richter des 10. Senats aber anders. Der Arbeitsvertrag zwischen dem Konzern und der Referentin setze als Maß der zu leistenden Arbeit die betriebsübliche Arbeitszeit voraus. Anhaltspunkte für anderweitige Regelungen bestünden nicht. Daher habe der RWE Konzern die Vergütung seiner Mitarbeiterin zu Recht gekürzt. (BAG vom 15. Mai 2013 – 10 AZR 325/12)