Nach einer neuen und revolutionären Entscheidung des Bundessozialgerichts ist die Höhe des Honorars ein wichtiges Indiz für eine selbständige Tätigkeit.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Urteil vom 31. März 2017 (Az.: B 12 R 7/15 R) entschieden, dass ein Heilpädagoge, der auf der Basis von Honorarverträgen als Erziehungsbeistand im Rahmen der öffentlichen Jugendhilfe weitgehend weisungsfrei tätig wird, als Selbständiger gilt.
Tragender Grund der Entscheidung ist, dass sein Honorar deutlich über der Vergütung eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers liegt.
Allgemeine Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit
Die Einordnung als nichtselbständige Beschäftigung erfolgt grundsätzlich anhand der Abgrenzungsmerkmale der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers. Hierbei stellt sich jedoch die Herausforderung, dass es keinen gesetzlich scharf umrissenen Kriterienkatalog für die verschiedenen Tätigkeitsformen gibt.
Die deutschen Gerichte haben daher in ihrer Rechtsprechung eine Vielzahl von Abgrenzungsparametern entwickelt, um die beiden Kriterien „auszufüllen“ und die Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit vorzunehmen.
Wesentliches Merkmal, welches einer abhängigen Beschäftigung zugrunde liegt, ist vor allem das Direktionsrecht des Arbeitgebers. Hiermit kann er die Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Arbeit und die Eingliederung des Angestellten in die betriebliche Organisation des Weisungsgebers steuern. Demgegenüber wird eine selbständige Tätigkeit insbesondere durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die in der Regel frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit geprägt.
Zu beachten ist, dass für jeden Einzelfall stets eine qualitative Gewichtung aller Abgrenzungskriterien und eine wertende Gesamtbetrachtung erforderlich sind. Die Bezeichnung des Vertrags und sein Inhalt sind dabei immer nur ein erstes Indiz für die rechtliche Bewertung der Kriterien. Im Ergebnis kommt es insbesondere darauf an, wie der Vertrag tatsächlich „gelebt“ wird. Es kommt also nicht allein auf die Bezeichnung und Formulierung des Vertrages, sondern vielmehr auf die tatsächlichen Verhältnisse an.
Honorarhöhe als neues Indiz für Selbständigkeit
Nach der jüngsten Entscheidung des BSG können jedoch nicht nur die Weisungsgebundenheit und die Eingliederung in den Betrieb des Weisungsgebers eine abhängige Beschäftigung begründen. Vielmehr sei auch die Honorarhöhe für die Abgrenzung zur Selbständigkeit von großer Bedeutung.
Insbesondere spreche die Honorarhöhe dann für eine selbständige Tätigkeit, wenn sie im Vergleich zur Vergütung eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmers so hoch ist, dass eine Eigenvorsorge ermöglicht werde. Mit dieser Entscheidung manifestiert das BSG eine Tendenz, die sich in zahlreichen Urteilen der vergangenen Jahre bereits erkennen ließ.
Die Honorarhöhe allein begründe nach dem BSG zwar noch keine Selbständigkeit, allerdings stelle sie aber ein weiteres gewichtiges Abgrenzungsmerkmal dar. Dennoch müsse nach wie vor eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalles vorgenommen werden.
Bislang liegt nur die erwähnte Pressemitteilung des BSG vor, so dass die genauen Erwägungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung abzuwarten bleiben. Dabei wird auch abzuwarten bleiben, wie das BSG den Umstand wertet, dass es überhaupt vergleichbare Arbeitnehmer (zu deren Gehalt eine Relation hergestellt werden konnte) bei der Auftraggeberin gab.
Denn die Vergleichbarkeit der Tätigkeiten dient typischerweise gerade auch als Indiz für eine Eingliederung und gegebenenfalls auch Weisungsgebundenheit beim Auftraggeber. Häufig legt dies nämlich nahe, dass die vom (vermeintlich) Selbständigen besetzte Stelle grundsätzlich im Wege einer befristeten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, d.h. im Rahmen eines Arbeitsvertrages, abzubilden wäre und auch abgebildet wird.
Abgrenzungsschwierigkeiten und Rechtsunsicherheit bleiben bestehen
Die Entscheidung des BSG, die Honorarhöhe als weiteres Indiz für eine selbständige Tätigkeit anzuerkennen, wird bei der Abgrenzung einer freien Beschäftigung von einer sozialversicherungspflichtigen zukünftig in jedem Fall zu berücksichtigen sein.
Bereits gegenwärtig stellt diese oftmals schwierige Frage Unternehmen vor große Herausforderungen, die aufgrund der Risiken und Konsequenzen, die mit dem „falschen Einsatz″ von Fremdpersonal einhergehen, nicht zwingend angegangen werden müssen. So drohen neben der Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen (nebst Säumniszuschlägen) und Steuern vor allem strafrechtliche Konsequenzen (§ 266a StGB) für die verantwortlichen Personen.
Es bleibt abzuwarten, ob und wie schnell bzw. mit welchen Auswirkungen sich die Sozialgerichte und die Deutsche Rentenversicherung der Rechtsprechung des BSG anschließen werden. Und vor allem, inwieweit sich dies auf deren Entscheidungsfindung auswirken wird, das heißt, welchen Stellenwert das Merkmal der Honorarhöhe zukünftig bei der relevanten Abgrenzung einnehmen wird.
Die Frage, ob ein „freier Mitarbeiter″ wirklich frei ist und damit nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt, bleibt daher auch nach dem Urteil des BSG komplex und bedarf einer Prüfung im Einzelfall. Eine solche Prüfung setzt neben den erforderlichen Rechtskenntnissen auch stets eine genaue Analyse und Erfassung des zugrunde liegenden Sachverhaltes voraus.
Nicht nur, aber insbesondere auch aufgrund der Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ist das Thema des Personaleinsatzes für nahezu alle Unternehmer relevant. Diese kommen wohl nicht umher, sich in diesem Bereich eine compliance-gerechte Organisation aufzubauen und vorzuhalten. Zur Erleichterung hat CMS daher eine eigene Website gelauncht.