Das LAG Berlin-Brandenburg hat die Tariffähigkeit der CGZP (auch) für die Vergangenheit verneint.
Bekanntermaßen hat das BAG mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 (Az. 1 ABR 19/10) festgestellt, dass die CGZP gegenwartsbezogen nicht tariffähig ist (wir berichteten).
In weiteren Verfahren soll nun geklärt werden, ob die Tariffähigkeit auch für die Vergangenheit gefehlt hat: das LAG Berlin-Brandenburg hat dies bereits im Januar 2012 für den 29. November 2004, 19. Juni 2006 und 09. Juli 2008 bestätigt (Beschluss vom 09.01.2012 – 24 TaBV 1285/11 u.a.; vgl. auch: ArbG Berlin, Beschluss vom 08.09.2011 – 63 BV 9415/08: 22.07.2003, nicht rechtskräftig).
Keine Tariffähigkeit der CGZP: das Urteil
Inzwischen liegen auch die Entscheidungsgründe vor: wenig überraschend sind die Ausführungen des Gerichts zur (fehlenden) Eigenschaft der CGZP als Spitzenorganisation i.S.v. § 2 Abs. 3 TVG.
Das LAG Berlin-Brandenburg folgt der Argumentation des BAG, dass die CGZP nicht tariffähig sei, da die Mitgliedsverbände ihr einerseits die Tariffähigkeit nicht vollständig vermittelt hätten, andererseits aber der Organisationsbereich der CGZP über den ihrer Mitglieder hinausgehe.
Die Mängel in der Satzung der CGZP aus dem Jahr 2009, die nach Ansicht des BAG letztlich deren gegenwartsbezogene Tarifunfähigkeit begründeten, bestanden unverändert in der Satzung der CGZP aus dem Jahr 2005, die nunmehr in dem Rechtsstreit vor dem LAG Berlin-Brandenburg entscheidungserheblich war, so dass der Rückgriff auf die Begründung des BAG zur Herleitung die Tarifunfähigkeit der CGZP in der Vergangenheit nicht verblüfft. Diese Argumentation überträgt die 24. Kammer schlichtweg auf die Satzung aus dem Jahr 2003, obwohl in dieser kein (fachlicher) Organisationsbereich festgelegt worden ist.
Fehlende Tariffähigkeit der CGZP mit Auswirkungen auf die Praxis
Für die Praxis interessant ist jedoch die Argumentation des LAG Berlin-Brandenburg zum Vertrauensschutz: Die Beteiligten könnten sich nicht darauf berufen, dass sie in die bisherige Rechtsprechung des BAG vertraut hätten. Die vorliegend relevante Frage zur Ableitung der Tariffähigkeit einer Spitzenorganisation von der Tariffähigkeit der Mitgliedsverbände sei bis zum Beschluss des BAG vom 14. Dezember 2010 noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen gewesen, so dass weder eine Abweichung noch eine Änderung der Rspr. vorliege. Die Begründung des BAG divergiere nicht von einer ganz h.M. im Schrifttum; die Standardkommentare zum TVG hätten sich nämlich mit dem Ursprung der Tariffähigkeit einer Spitzenorganisation zum Zeitpunkt der Gründung der CGZP nicht befasst.
Letztlich handele es sich bei der vergangenheitsbezogenen Feststellung um einen reinen Anwendungsfall der Auslegung von § 2 TVG, nicht aber um einen rückwirkenden Eingriff in bereits abgeschlossene Lebenssachverhalte. Zudem würden weder der CGZP noch deren Mitgliedern noch den beteiligten Arbeitgeberverbänden bzw. den einzelnen Unternehmen durch die Feststellung der Tarifunfähigkeit Handlungspflichten auferlegt. Offen lässt das LAG Berlin-Brandenburg jedoch, ob die verklagten Arbeitgeber in den ausgesetzten Verfahren auf die Tariffähigkeit der CGZP vertrauen durften; dies sei nicht Gegenstand des vorliegenden Beschlussverfahrens.
Unabhängig davon – so das LAG Berlin-Brandenburg – hätten die Verfahrensbeteiligten, die sich auf das Gebot des Vertrauensschutzes berufen hätten, nicht geltend gemacht, warum bei diesen zum Zeitpunkt des Abschlusses der vorliegend maßgeblichen Tarifverträge ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Tariffähigkeit der CGZP entstanden sein solle. Dieses sei schon ausgeschlossen, wenn eine unklare und verworrene Rechtslage – wie durch das BAG geschehen – geklärt werde. Im Übrigen hätten die Beschwerdeführer auch nicht vorgetragen, auf welcher tatsächlichen Grundlage sie nach der bisherigen Rspr. von der Tariffähigkeit der CGZP ausgegangen seien. Als Beispiel führt das LAG Berlin-Brandenburg eine etwaige rechtliche Begutachtung der Satzung der CGZP und/oder der Mitgliedsverbände an.
Dies bedeutet – zumindest auf Grundlage der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg – nichts anderes, als dass es für die Anwender der CGZP-Tarifverträge keinen „pauschalen Vertrauensschutz“ geben kann, sondern dass dieser im Einzelfall nachzuweisen ist. Es ist folglich an jedem Betroffenen in einem equal pay-Verfahren hinreichende konkretisierte Umstände vorzutragen, warum das Vertrauen im Einzelfall tatsächlich schutzwürdig war. Dies gilt auch gegenüber den Rentenversicherungsträgern. Diese können umgekehrt gleichfalls nicht mehr davon ausgehen, dass die Feststellung des BAG vom 14.12.2010 „automatisch“ dazu führt, dass die Personaldienstleister nicht mehr auf die Wirksamkeit der Tarifverträge der CGZP vertrauen durften. Vielmehr kommt es auch in diesem Zusammenhang auf die Einzelfallumstände an.
Das LAG Berlin-Brandenburg hat die Rechtsbeschwerde zum BAG nicht zugelassen. Es bleibt zunächst abzuwarten, ob eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt wird. Sollte dies erfolgen, ist die Tariffähigkeit der CGZP für die streitgegenständlichen Zeitpunkte in der Vergangenheit (noch) nicht rechtskräftig festgestellt. Dies ist der Fall, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde vom BAG zurückgewiesen wird. Sollte das Rechtsmittel dagegen Erfolg haben, wird eine abschließende Klärung der vergangenheitsbezogenen Tarif(un)fähigkeit der CGZP erst durch eine Entscheidung aus Erfurt herbeigeführt werden können. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen die bislang ausgesetzten Verfahren, in denen die Tariffähigkeit der CGZP in der Vergangenheit erheblich ist, nicht wieder aufgerufen und einer Entscheidung in der Sache zugeführt werden.