22. November 2011
Arbeitsrecht

Park-and-Ride zur außerordentlichen Kündigung

Im Sommer musste sich das Bundesarbeitsgericht mit der Frage auseinandersetzen, wann die Arbeitszeit eines Mitarbeiters beginnt, beziehungsweise was nun eigentlich zur Arbeitszeit gehört. Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass die Suche nach einem Parkplatz jedenfalls nicht mehr zur Arbeitszeit gehört und dass die Erfassung der Zeit für die Eintragen der Parkplatzsuche als Arbeitszeit eine fristlose Kündigung (sogar ohne Abmahnung) rechtfertigen kann.

Es ging um eine Verwaltungsfachangestellte, die seit 17 Jahren beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen beschäftigt war. Nach dem für sie geltenden Tarifvertrag war sie wegen ihrer langen Betriebszugehörigkeit ordentlich unkündbar. Sie arbeitete in Gleitzeit und musste ihre Anwesenheitszeit minutengenau durch Eingabe in ein elektronisches Zeiterfassungssystem am Arbeitsplatz dokumentieren. Der Tarifvertrag regelt, dass ihre Arbeitszeit „an der Arbeitsstelle“ beginnt und endet. Der Medizinische Dienst hatte in der Vergangenheit alle Mitarbeiter in einer Dienstvereinbarung darauf hingewiesen, dass jedes bewusste Unterlassen der Zeiterfassung oder jede sonstige Manipulation eine schwerwiegende Pflichtverletzung darstellt, die arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich zieht.

Im Jahr 2008 erfasste die Mitarbeiterin an sieben Tagen insgesamt 135 Minuten vor Betreten des Dienstgebäudes als Arbeitszeit. Sie argumentierte, dass ihre Arbeitszeit schon mit Durchfahren der dienstlichen Parkplatzeinfahrt beginne. Es habe keine Anweisung gegeben, dass die Uhr im Inneren des Dienstgebäudes maßgeblich sei. Sie habe aufgrund der knapp bemessenen Parkplätze häufig viel Zeit mit der Suche nach einem Parkplatz vergeuden müssen. Wegen Arbeitszeitbetrugs wurde ihr daraufhin fristlos gekündigt. Das Arbeitsgericht gab ihrer Kündigungsschutzklage statt, das Landesarbeitsgericht sowie das Bundesarbeitsgericht wiesen sie ab.

Die Richter des 2. Senats argumentierten, die Verwaltungsfachangestellte habe wiederholt gegen ihre Verpflichtung verstoßen, ihre Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren. Die Mitarbeiterin habe auch nicht versehentlich falsch aufgeschrieben oder fahrlässig gehandelt. Die erheblichen Arbeitszeitdifferenzen erklärten sich zudem selbst dann nicht, wenn man das Durchfahren der Parkplatzeinfahrt zu Tagesbeginn und –ende als maßgeblich zugrunde legen würde. Ein solcher Arbeitszeitbetrug stelle einen schweren Vertrauensmissbrauch und damit einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Das systematische und vorsätzliche Fehlverhalten der Mitarbeiterin wog nach Auffassung der Richter im übrigen so schwer, dass auch eine Abmahnung nicht erforderlich war. (BAG vom 9. Juni 2011 – 2 AZR 381/10)

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