5. August 2024
Arbeitsrecht Kündigung politische Äußerung
Arbeitsrecht

Politische Äußerungen von Mitarbeitenden und Reaktionsmöglichkeiten der Arbeitgebenden

Parolen auf Sylt, Solidarität mit Palästina oder die Teilnahme am „Potsdamer Treffen“ – Geht das Arbeitgebende etwas an? Und wann ist eine Kündigung gerechtfertigt?

In den vergangenen Monaten sind in der Presse mehrere Vorfälle berichtet worden, die für die Beteiligten auch arbeitsrechtliche Folgen hatten: Feiernde Gäste des „Pony“ auf Sylt skandieren ausländerfeindliche Parolen und das Video gelangt in die sozialen Medien. Ein Auszubildender des Springer-Verlags äußert sich in einem Video mit dem Titel „Wie entsteht eine Lüge“ zur Berichterstattung seines Arbeitgebers über den Angriff der Hamas auf Israel und bekundet auf der Kommunikationsplattform Teams „I don’t stand with Israel“. Eine Mitarbeiterin der Stadt Köln nimmt am sog. Potsdamer Treffen teil, bei dem ein führendes Mitglied der „Identitären Bewegung“ über die Abschiebung deutscher Staatsbürger referiert, und das Recherche-Kollektiv „CORREKTIV“ berichtet darüber. 

Gerade in den medial besonders präsenten Fällen wird schnell auch der Ruf nach arbeitsrechtlichen Konsequenzen laut, zumeist der nach einer sofortigen außerordentlichen Kündigung. Arbeitgebende sehen sich dann nicht nur dem Druck der Öffentlichkeit und der Belegschaft ausgesetzt. Sie müssen sich auch fragen, ob die politische Einstellung des/der MitarbeiterIn im Einklang mit der eigenen Unternehmenskultur stehen kann. Allerdings stellt weder der Druck von Dritten (sog. Druckkündigung) noch ein offener Widerspruch zur Unternehmenskultur in der Regel einen ausreichenden Kündigungsgrund dar. Wer nicht Repräsentant/In des Unternehmens ist, also z.B. dessen Pressesprecher/in oder Teil des höheren Managements, kann im Privatleben regelmäßig tun und lassen was er/sie will, ohne Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis befürchten zu müssen. Nicht einmal das Strafrecht setzt hier – in Bezug auf das Arbeitsverhältnis – Grenzen. Denn wer sich privat strafbar macht, verletzt damit für gewöhnlich nicht zugleich auch Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis.

Aber: Keine Regel ohne Ausnahme. Was also können Arbeitgebende tun, wenn politische Bekundungen ihrer Mitarbeitenden plötzlich Gegenstand der medialen Berichterstattung werden?

Während der internen Ermittlung vorläufige Maßnahmen ergreifen

Zunächst einmal gilt es, Ruhe zu bewahren und herauszufinden, was wirklich geschehen ist. Dies kann jedoch einige Wochen dauern, auch wenn die internen Ermittlungen zügig vorangetrieben werden müssen. In dieser Zeit müssen Arbeitgebende nicht tatenlos abwarten, sondern können das Unternehmen und den/die MitarbeiterIn durch vorläufige Maßnahmen schützen. Insbesondere die vorübergehende Freistellung des/der MitarbeiterIn kann die Lage vorerst beruhigen und ist zumeist im beiderseitigen Interesse. Im Einzelfall kann auch eine Versetzung angezeigt sein, zum Beispiel von einer Tätigkeit mit Kundenkontakt auf eine rein interne Stelle oder, falls der Vorfall lediglich lokal brisant ist, an einen etwas entfernteren Arbeitsort.

Zugleich kann es insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen geboten sein, sich bei der Unternehmenskommunikation durch externe Kommunikationsberatende unterstützen zu lassen. Diese sind vielfach auf Krisensituationen spezialisiert und können bei der Bewältigung derartiger medialer Ereignisse auf vielfältige Erfahrungen zurückgreifen.

Ermitteln, was wirklich geschehen ist

Zuletzt zeigte der Fall „Gil Ofarim“ eindrücklich, dass trotz schnell aufkommenden medialen Echos die sorgfältige Prüfung einer im Raum stehenden Pflichtverletzung zwingend geboten ist. Bevor weitere (arbeitsrechtliche) Maßnahmen ergriffen werden, gilt es daher zunächst, die Fakten so genau wie möglich zu prüfen. Arbeitgebende unterliegen im bestehenden Arbeitsverhältnis einer Fürsorgepflicht für den/die MitarbeiterIn. Das heißt, sie haben sich zunächst schützend vor den/die MitarbeiterIn zu stellen und sämtliche aussichtsreiche Ermittlungs- bzw. Aufklärungsmaßnahmen durchzuführen.

Die Erkenntnisquellen des/der Arbeitgebenden können im Einzelfall begrenzt sein. Jedenfalls muss aber der/die betroffene MitarbeiterIn zu den Vorwürfen befragt werden. Gegebenenfalls sollten auch weitere beteiligte KollegInnen oder Dritte befragt werden.

Hierfür ist die Unterstützung durch erfahrene Rechtsberater sinnvoll. Zum einen wird durch gebotene Ermittlungsmaßnahmen Externer die Frist zur Erklärung der Kündigung müheloser gehemmt, bis das Ermittlungsergebnis dem/der Kündigungsberechtigten mitgeteilt wird. Zum anderen ist die Befragungssituation häufig neutraler, wenn Dritte beteiligt sind. Dies ermöglicht erfahrungsgemäß ausführlichere Stellungnahmen der Befragten und damit einhergehend eine umfassendere Aufklärung des Sachverhaltes.

Arbeitsrechtliche Bewertung

Nach Abschluss der Ermittlungen stellt sich die Frage, ob und welche arbeitsrechtlichen Maßnahmen geboten sind. Diese kommen aber nicht nur in Betracht, wenn erwiesen ist, dass die Vorwürfe zutreffen. Auch bereits ein dringender Tatverdacht kann eine Kündigung rechtfertigen, wenn alle Erkenntnisquellen ausgeschöpft sind und dennoch Restzweifel bestehen (sog. Verdachtskündigung). Hierfür muss der/die MitarbeiterIn aufgrund der ermittelten Tatsachen und Indizien dringend verdächtig sein, die schwerwiegende Pflichtwidrigkeit tatsächlich begangen zu haben (hohe Wahrscheinlichkeit).

Eine größere Hürde stellt die eingangs aufgeworfene Frage dar, ob privates Fehlverhalten überhaupt einen Verstoß gegen arbeitsrechtliche Pflichten darstellen kann. Denn nur, wenn das Fehlverhalten auch einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat, können darauf Maßnahmen wie eine Abmahnung oder gar Kündigung gestützt werden. Ein solcher Bezug liegt u.a. vor, wenn der/die MitarbeiterIn die vorgeworfene Handlung unter Nutzung von Betriebsmitteln, betrieblichen Einrichtungen oder der betrieblichen Stellung begangen hat. Im Fall des Auszubildenden des Springer-Verlags setzte sich dieser in seinem Video „Wie entsteht eine Lüge“ mit der Berichterstattung seines namentlich genannten Arbeitgebers auseinander und stellte den Bezug zum Arbeitsverhältnis so selbst her.

Anders sowohl beim „Sylt-Video“ als auch beim „Potsdamer Treffen“: Die Gäste des „Pony“ auf Sylt waren auf dem viral gegangenen Video zunächst nicht identifiziert. Erst als die Beteiligten von einigen Medien unverpixelt und mit Vornamen dargestellt bzw. genannt worden, konnten deren Klarnamen, Anschrift und Arbeitgebende ermittelt werden. Beim „Potsdamer Treffen“ war den Beteiligten wohl noch weniger daran gelegen, dass ihre Teilnahme öffentlich bekannt wurde. Das Treffen fand in der Villa Adlon am Lehnitzsee und damit hinter verschlossenen Türen statt. Das Treffen selbst und die dabei besprochenen Inhalte sowie die Namen der Beteiligten wurden erst durch eine Investigativ-Recherche des Recherche-Kollektivs „CORREKTIV“ bekannt.

Die Beteiligten haben also nicht selbst veröffentlicht, wo sie arbeiteten. Vielmehr wurde der Bezug zum Arbeitsverhältnis erst durch Dritte hergestellt. Ob dies arbeitsrechtliche Maßnahmen rechtfertigen kann, wird zurecht differenziert gesehen: Denn letztlich hängt es in diesem Fall nicht von dem/der MitarbeiterIn ab, ob das mediale Schlaglicht auch auf den Arbeitgebenden fällt und hierdurch ein Bezug des privaten Geschehens zum Arbeitsverhältnis hergestellt wird, sondern von unbeteiligten Dritten. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urteil v. 21. März 2019 – 13 Sa 371/18) vertritt hierzu die Auffassung, es könne maßgeblich sein, ob für den/die betroffene MitarbeiterIn vorhersehbar war, dass der Name des Arbeitgebenden später durch Dritte herausgefunden und mit dem Fehlverhalten in Verbindung gebracht werden kann. Wenn eine solche bloße Vorhersehbarkeit bereits genügen sollte, schließt sich die Frage an, welche konkreten Entwicklungen der/die MitarbeiterIn im Einzelnen vorhersehen muss – gerade weil jede/r ein Smartphone in der Tasche hat und Videos binnen Sekunden durch Social Media publiziert werden können. Dies führt zu erheblicher Unsicherheit in der Rechtspraxis – sowohl für Arbeitgebende als auch die von einer etwaigen Kündigung bedrohten Mitarbeitenden.

Jedenfalls im privaten Raum wie beim „Potsdamer Treffen“ muss der/die MitarbeiterIn nicht damit rechnen, dass Äußerungen aufgenommen und später veröffentlicht werden; dies untersagt bereits das Strafrecht (§§ 201201a StGB). Auch ist es eher überraschend, sich plötzlich als Gegenstand von Investigativ-Recherchen zu sehen. Das mit dem Fall befasste Arbeitsgericht Köln hat sich – zumindest nach der bisher veröffentlichten Pressemitteilung – freilich nicht näher hiermit befasst. Es stellte sogar fest, dass die Mitarbeiterin keine Pflichten aus ihrem Arbeitsverhältnis verletzt habe. Denn der Mitarbeiterin obliege nach ihrer Tätigkeit keiner gesteigerten politischen Treuepflicht. Die einfache, jedem Arbeitsverhältnis innewohnende Treuepflicht sei nicht verletzt worden, da dies auch bei öffentlichen Arbeitgebenden erst bei der aktiven Förderung oder Verwirklichung verfassungsfeindlicher Ziele gegeben sei.

Wer hingegen im quasi-öffentlichen Raum, wie einer Bar auf Sylt, ausländerfeindliche Parolen ruft und den „Hitler-Gruß“ andeutet, muss in Zeiten von Social Media schon eher damit rechnen, dass dies gefilmt und veröffentlicht wird bzw. werden kann. Doch diese Argumentationslinie könnte zu einer völligen Entgrenzung des eigentlich zwingend notwendigen Bezugs zum Arbeitsverhältnis führen. Zudem stellt die Veröffentlichung der Handlungen als solche noch keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis her. Ob der/die MitarbeiterIn wirklich damit rechnen muss, dass unbeteiligte Dritte den/die Arbeitgebenden herausfinden und diese/n in den Vorfall einbeziehen, ist jedenfalls fraglich. Zumal diese persönlichen Daten im „Sylt-Fall“ wiederum rechtswidrig unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorgaben veröffentlicht wurden (vgl. § 42 BDSG).

Privates bleibt privat

Der Schutz der Privatsphäre bleibt ein elementarer Grundpfeiler des deutschen Arbeitsrechts. Kündigungen auf Grundlage privaten Verhaltens können nur schwer gerechtfertigt werden, da diese hohen Hürden unterliegen. Hierbei sind die von der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmen im Blick zu behalten. Insofern bleibt mit Spannung abzuwarten, wie der Schutz der Privatsphäre angesichts des stetig wachsenden Einflussbereichs sozialer Medien zukünftig von den Gerichten ausgelegt werden wird.

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