25. August 2016
rechtsmissbräuchliche Befristung
Arbeitsrecht

Rechtsmissbrauch einer Befristung nach Übernahme eines Zeitarbeitnehmers?

Eine rechtsmissbräuchliche Befristung liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn der gesetzgeberisch gewollte „Klebeffekt“ beim Kunden realisiert wird.

Der Abschluss von befristeten Arbeitsverhältnissen wird von der Rechtsprechung unter bestimmten Umständen kritisch gesehen. Die Gerichte berücksichtigen hierbei insbesondere auch die Grundsätze des Rechtsmissbrauchs, insbesondere wenn ein Arbeitnehmer zunächst von einem Kunden befristet eingestellt und nach Ablauf der zulässigen Höchstbefristungsdauer bei dem Personaldienstleister – wiederum befristet – beschäftigt wird, um wiederum an das Unternehmen überlassen zu werden, in dem er ursprünglich tätig war (vgl. BAG v. 15.05.2013 – 7 AZR 525/11).

Rechtsmissbrauch bei Übernahme des Zeitarbeitnehmers durch den Kunden?

Das Hess. LAG musste sich nun mit einer „spiegelbildlichen″ Fallkonstellation befassen. Nach einer befristeten Tätigkeit als Zeitarbeitnehmer erfolgte die befristete Übernahme durch den Kunden. Im Ergebnis hat das Gericht einen Rechtsmissbrauch abgelehnt und die Wirksamkeit der Befristung bestätigt (Urt. v. 22.01.2016 – 14 Sa 966/15).

Arbeitnehmerüberlassung mit sachgrundloser Befristung

Die A und die Beklagte gehören der B-Gruppe an. Die A fungiert dabei innerhalb des Konzerns als „Personalgestellungsgesellschaft″. Sie besitzt eine Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 AÜG und stellt u.a. für den Bereich der Flugzeuginnenreinigung im Wege der Arbeitnehmerüberlassung Mitarbeiter zur Verfügung.

Der Kläger wurde während seiner Beschäftigung bei der A aufgrund entsprechend befristeter Arbeitsverträge überwiegend an die Beklagte zur Arbeitsleistung überlassen und dort als Flugzeuginnenreiniger eingesetzt. Schließlich wurde der Kläger von der Beklagten sachgrundlos befristet eingestellt. Der entsprechende Arbeitsvertrag wurde schließlich nochmals verlängert und endete sodann mit Ablauf der vereinbarten sachgrundlosen Befristung. Der Kläger hält diese für unwirksam, weil diese rechtsmissbräuchlich im Zusammenwirken mit der A erfolgt sei, um das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG zu umgehen.

Rechtsmissbräuchliche Befristung bei bewusstem und gewolltem Abschluss aufeinander folgender befristeter Arbeitsverträge

Nach Auffassung des Gerichts sei die Befristung vorliegend nicht aufgrund eines Rechtsmissbrauchs unwirksam. Zwar sei höchstrichterlich entschieden, dass die Ausnutzung der durch das TzBfG vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten gegen § 242 BGB verstoßen könne. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn mehrere rechtlich und tatsächlich verbundene Arbeitgeber im bewussten und gewollten Zusammenwirken aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge mit einem Arbeitnehmer ausschließlich deshalb abschlössen, um über das gesetzliche Maß hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können (vgl. BAG v. 24.06.2005 – 7 AZR 452/13; BAG v. 04.12.2013 – 7 AZR 290/12; BAG v. 19.03.2014 – 7 AZR 527/12). Bestehe der Zweck des Arbeitgeberwechsels allein darin, eine nach § 14 Abs. 2 TzBfG unzulässige sachgrundlose Befristung mit demselben Arbeitnehmer zu erreichen, könne sich der unredliche Vertragspartner auf diese nicht berufen.

Keine hinreichenden Anhaltspunkte für Rechtsmissbrauch

Entgegen der Vorinstanz liege jedoch bei Anwendung dieser Grundsätze hier keine rechtsmissbräuchliche Gestaltung vor. Es seien keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Zweck des Arbeitgeberwechsels allein darin bestanden habe, dass die Beklagte oder die A eine unzulässige sachgrundlose Befristung hätten erreichen wollen.

Fehlender Umgehungsaspekt im vorliegenden Fall

Das Berufungsgericht stellte fest, dass das ArbG Frankfurt a.M. nicht ausreichend berücksichtigt habe, dass es bei der vorliegenden Konstellation nämlich an einem Umgehungsaspekt fehle. Dabei sei insbesondere zu beachten, dass sich die hiesige Ausgangslage deutlich von der des umgekehrten Falls unterscheide.

Der durch die Arbeitnehmerüberlassung idealtypisch angestrebte „Klebeeffekt″ realisiere sich gerade. Es werde somit aus einem „doppelt prekären″ sachgrundlos befristeten Zeitarbeitsverhältnis mit dem Personaldienstleister ein nur noch „einfach prekäres″ sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis mit einem Kundenunternehmen. Insbesondere sei die nahtlose Weiterbeschäftigung kein Indiz für eine rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung, weil diese für die Übernahme eines Zeitarbeitnehmers durch den Kunden gerade typisch und erwünscht sei.

Rechtsmissbrauch bei vorheriger Vereinbarung der Befristung denkbar

Ein Rechtsmissbrauch sei allerdings auch in dieser Konstellation grundsätzlich denkbar, z.B. wenn das Kundenunternehmen mit dem Personaldienstleister bereits vor der Einstellung des Mitarbeiters zur Arbeitnehmerüberlassung vereinbare, dass dieser „nur″ befristet beschäftigt werde, um an den Kunden verliehen zu werden, damit dieser ihn dann nach Ablauf der Höchstbefristungsdauer übernehmen und nochmals sachgrundlos befristet einstellen könne.

„Klebeeffekt“ von der Rechtsprechung gewürdigt

Die Entscheidung des Hess. LAG ist richtig. Die ggf. auch nur befristete Übernahme des Zeitarbeitnehmers durch den Kunden ist im Sinne des gesetzgeberisch gewollten „Klebeeffekts″. Ohne besondere Umstände, die für eine rechtsmissbräuchliche Aneinanderreihung von befristeten Arbeitsverhältnissen bei dem Personaldienstleister und dem Kunden sprechen, um die gesetzlich vorgesehene Höchstbefristungsdauer zu umgehen bzw. künstlich zeitlich zu strecken, ist eine befristete Anstellung bei einem Einsatzunternehmen – auch im Konzern – nicht zu beanstanden.

Dies gilt insbesondere für den Fall, dass der Zeitarbeitnehmer bei dem Dienstleister ebenfalls nur in einem befristeten Arbeitsverhältnis stand. Ein Indiz für einen Rechtsmissbrauch können entsprechende Abreden zwischen dem Zeitarbeitsunternehmen und dem Kunden darstellen. Wird der Mitarbeiter absprachegemäß bis zur Höchstbefristungsdauer überlassen, um ihn dann – erneut befristet – einzustellen, kann eine rechtsmissbräuchliche Befristung angenommen werden. Diese Fälle dürften aber eine seltene Ausnahme sein.

Abgesehen davon dürfte der für einen Rechtsmissbrauch darlegungs- und beweisbelastete Zeitarbeitnehmer regelmäßig nicht über das Hintergrundwissen über derartige Abreden verfügen, das es ihm ermöglichen würde, überhaupt entsprechende Indizien vortragen zu können.

Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass es sich um einen „netten Versuch″ des Zeitarbeitnehmers gehandelt hat, sich in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bei dem Kunden einzuklagen, der aber auf Grundlage der vom Hess. LAG angeführten Erwägungen zu Recht „mit Bausch und Bogen″ gescheitert ist.

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