6. November 2019
Crowdworker Arbeitnehmer
Arbeitsrecht

Sind Crowdworker als Arbeitnehmer zu qualifizieren?

Nach dem LAG Hessen agieren Crowdworker gewöhnlich nicht als Arbeitnehmer - jedenfalls nicht bei nur punktueller Tätigkeit für den Auftraggeber.

Vernetzung und Digitalisierung sorgen für einen stetigen Wandel in der Arbeitswelt. Immer neue Beschäftigungsformen erschweren es, die geltenden Gesetze auf die moderne Arbeitswelt anzuwenden. Eine Ausprägung neuer Beschäftigungsformen ist das sog. Crowdworking.

Zur fundamentalen Frage, ob Crowdworker Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer* sind, hat nun das LAG Hessen Stellung genommen (LAG Hessen, Beschluss v. 14. Februar 2019 – 10 Ta 350/18). Im dem konkret zu entscheidenden Fall verneinte es die Arbeitnehmereigenschaft eines Crowdworkers.

Arbeitnehmereigenschaft bei externen Crowdworkern zu prüfen

Crowdworking bezeichnet die Auslagerung einzelner Arbeitsschritte über digitale Plattformen. Unterschieden werden kann zwischen

  • internem Crowdworking: Hier wird ein Arbeitnehmer mit Zustimmung des Arbeitgebers innerhalb des Unternehmens oder Konzerns als Crowdworker tätig, und
  • externem Crowdworking: Hier werden einzelne Arbeitsschritte über öffentliche Internetseiten ausgelagert.

Die Frage nach der Arbeitnehmereigenschaft stellt sich lediglich beim externen Crowdworking. Hier besteht vor Vergabe des Auftrags regelmäßig keinerlei rechtliches Verhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem ausführenden Crowdworker.

Eine weitere Besonderheit des externen Crowdworkings liegt darin, dass mit dem Plattformbetreiber ein Dritter in den Prozess der Auslagerung eingebunden ist. Auch hier gibt es zwei Gestaltungsmöglichkeiten: Beim indirekten Crowdworking bestehen Vereinbarungen zwischen dem Plattformbetreiber und dem Auftraggeber sowie zwischen dem Plattformbetreiber und dem Crowdworker. Tritt der Plattformbetreiber lediglich als Vermittler zwischen den Vertragsparteien auf und schließen Crowdworker und Auftraggeber eine eigene Vereinbarung, handelt es sich um direktes Crowdworking.

In der Literatur wird die Arbeitnehmereigenschaft von Crowdworkern überwiegend abgelehnt. Dem hat sich das LAG Hessen angeschlossen; gleichzeitig aber auch betont, dass es jeweils einer Entscheidung im Einzelfall bedürfe.

Hintergrund der Entscheidung: Kontakt zwischen Busfahrer und Busunternehmen über eine Crowdworking-Plattform

Das LAG Hessen hatte in zweiter Instanz darüber zu entscheiden, ob ein klagender Busfahrer, der über eine Plattform von einem Busunternehmen beauftragt wurde, als Arbeitnehmer einzuordnen sei. Der Kläger klagte gegen das Busunternehmen auf Zahlung des vereinbarten Honorars, nachdem er im Auftrag des Busunternehmens eine mehrtägige Busreise für dieses durchgeführt hatte. Er war der Auffassung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei.

Der Kontakt zwischen dem Kläger und dem Busunternehmen kam über eine Crowdworking-Plattform zustande. Dort stellte der Kläger Fahrerinformationen zu seiner Person zur Verfügung, wonach er sich als selbstständiger Fahrer bewarb. Die Parteien vereinbarten sodann per E-Mail die Durchführung und die Einzelheiten der Busreise. Weitere Aufträge erteilte das Busunternehmen dem Kläger nicht.

LAG Hessen: Crowdworker gewöhnlich keine Arbeitnehmer, aber Gesamtbetrachtung im Einzelfall erforderlich

Das LAG Hessen führt in Bezug auf die Arbeitnehmereigenschaft zunächst aus, dass ein neuer und modifizierter Arbeitnehmerbegriff für Crowdworker grundsätzlich nicht herangezogen werden müsse. Trotz der Schutzbedürftigkeit dieser Personengruppe liege bei nur punktueller Tätigkeit für den Auftraggeber – insbesondere mangels Eingliederung in dessen Organisation – in der Regel kein Arbeitsverhältnis vor.

Anhand der Entscheidungsgründe des Gerichts lässt sich jedoch erkennen, dass dies nicht ausnahmslos gelten soll. Vielmehr komme es jeweils auf die Umstände des Einzelfalles und damit auf die allgemeinen Kriterien zur Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und (Schein-)Selbstständigen an.

Im konkreten Fall hat das Gericht zwar zu Gunsten eines Arbeitsverhältnisses angeführt, dass der Kläger an sich nur seine Arbeitsleistung eingebracht habe und das wesentliche Arbeitsmittel, nämlich der Omnibus, von dem Busunternehmen zur Verfügung gestellt worden sei. Aufgrund der weitgehenden Weisungsfreiheit in der Durchführung der Busfahrt, der mangelnden Eingliederung in die Organisation der Beklagten sowie der nur auf kurze Dauer angelegten Zusammenarbeit sprachen die Gesamtumstände des Vertragsverhältnisses jedoch letztlich gegen eine Arbeitnehmereigenschaft des Klägers.

Zudem betonte das Gericht, dass der Kläger durch sein Profil auf der Plattform, wo er als „selbständiger Fahrer“ registriert gewesen sei, nicht den Eindruck erweckt habe, dass er ein Arbeitsverhältnis begründen wolle. Ferner habe er den „Auftrag“ durch das Busunternehmen bestätigt und nicht erkennen lassen, dass er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses von der Begründung eines Arbeitsverhältnisses ausgegangen sei.

Hinweise für die Praxis: Weisungen hinsichtlich der Durchführung des Auftrags, dauerhafte Beauftragung und Eingliederung in die Betriebsorganisation vermeiden

Werden Einzelpersonen für ein Unternehmen tätig, stellt sich regelmäßig die Frage, ob diese als freie Mitarbeiter oder als Arbeitnehmer tätig werden. Die Antwort auf diese Frage hat weitreichende Konsequenzen. Arbeitnehmer ist grundsätzlich, wer sich zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Die konkrete Abgrenzung zur Selbstständigkeit ist dabei von ganz erheblicher Bedeutung, vor allem für den Pflichtenkreis des Auftraggebers (u.a. Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Gewährung von bezahltem Urlaub, Geltung des Kündigungsschutzgesetzes etc.).

Insgesamt bestätigt das Urteil des LAG Hessen, dass Crowdworker gewöhnlich – jedenfalls bei kurzweiliger Tätigkeit für den Auftraggeber – nicht als Arbeitnehmer agieren, sodass die arbeitsrechtlichen Regelungen keine Anwendung finden. Da es insoweit jedoch stets auf die Umstände des Einzelfalles ankommt und Crowdworking sehr unterschiedlich ausgestaltet sein kann, verbleibt ein gewisses Risiko mit Blick auf eine Scheinselbstständigkeit. Unternehmen sollten daher sicherstellen, dass Crowdworker keinen Weisungen hinsichtlich der Durchführung des Auftrags unterliegen. Auch die dauerhafte Beauftragung eines bestimmten Crowdworkers sowie dessen Eingliederung in die Betriebsorganisation sollte vermieden werden.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Arbeitnehmer Auftraggeber Crowdworker Scheinselbständigkeit

Isabel Meyer-Michaelis