Der Gesetzgeber hat rückwirkend die Pflicht zur Beitragszahlung zur SOKA-Bau (wieder) begründet. Das BAG entschied nun über Zinsen wegen der damit (rückwirkend) verspäteten Zahlung.
Dabei hat das BAG die Voraussetzungen der im Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) festgelegten Verzugsverzinsung sowie deren Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz geprüft (Urteil vom 28. August 2019 – 10 AZR 549/18). Es kommt zu dem Ergebnis, dass es den Tarifvertragsparteien trotz der gesetzlichen Regelung zum Verzugszins in § 288 BGB unbenommen ist, einen eigenen (ggf. auch deutlich höheren) Zinssatz festzulegen.
Der im VTV 2014 normierte Zinssatz in Höhe von 1 % der Beitragsforderung für jeden angefangenen Monat des Verzugs ist rechtmäßig. Er verstößt weder gegen Grundrechte noch gegen die guten Sitten gem. § 138 BGB. Auch (nicht-tarifgebundene) Arbeitgeber geraten mit der fehlenden Zahlung von Beiträgen zu den Sozialkassen in Verzug, deren Zahlungsobliegenheit sich erst rückwirkend aus der Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages oder aus dem SokaSiG ergeben haben.
Gegenstand des Verfahrens: Verzugszinsen in Höhe von EUR 58,38
Streitig war zuletzt nur noch der Betrag von EUR 58,38, den die SOKA-Bau als Zinsen vom Beklagten verlangte für Beitragsnachzahlung im Zeitraum vom 21. Februar bis 30. Juni 2015. Der nicht verbandsangehörige Beklagte unterhält einen Gewerbebetrieb, in dem Vollwärmeschutzarbeiten, Maurerarbeiten, Renovierungsarbeiten und sonstige Ausbauarbeiten ausgeführt werden. Nach Auffassung der SOKA-Bau fällt der Beklagte in den Geltungsbereich des VTV 2014 und schuldet Zahlung von Verzugszinsen auf rückständige Beiträge im Verzugszeitraum.
Die Revision des Beklagten blieb erfolglos. Das BAG hat die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.
Der Beklagte hat die verzögerte Zahlung trotz der (erst) rückwirkenden Einbeziehung in den Tarifvertrag zu vertreten
Nach § 286 Abs. 4 BGB kommt der Schuldner mit einer Zahlung nicht in Verzug, solange die Leistung aufgrund eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Der Beklagte hatte argumentiert, dass die Ersetzung der unwirksamen Allgemeinverbindlicherklärung des VTV durch eine gesetzliche Regelung für ihn nicht vorhersehbar gewesen sei und er deshalb nicht damit hatte rechnen müssen, weiterhin fristgerecht Beitragszahlungen zum Sozialkassenverfahren veranlassen zu müssen.
Rückblick: Nachdem das BAG zwischen 2016 und 2017 die Allgemeinverbindlicherklärungen des Bundesarbeitsministeriums der Jahre 2008 bis 2014 für den VTV für unwirksam erklärt hatte, hat der Bundestag mit dem SokaSiG ein Gesetz verabschiedet, das die Regelungen aller Sozialkassentarifverträge rückwirkend für alle Arbeitgeber verbindlich anordnet.
Die Argumentation des Beklagten überzeugte den Senat nicht. Zum einen seien die Verfahrenstarifverträge in der Vergangenheit lückenlos für allgemeinverbindlich erklärt worden, so dass kein schutzwürdiges Vertrauen des Beklagten erkennbar sei. Zum anderen sei es dem Gesetzgeber unbenommen, die Funktionsfähigkeit des Systems der Tarifautonomie mit Hilfe einer gesetzlichen Regelung zu sichern und auf diese Weise eine Erstreckung des Tarifvertrags auf Außenseiter herbeizuführen. Der Beklagte habe daher nicht davon ausgehen dürfen, nicht der Beitragspflicht zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft zu unterliegen.
Rechtmäßigkeit auch der Höhe des Zinssatzes
Der Beklagte hatte zudem versucht zu argumentieren, dass auch die Höhe des Zinssatzes unrechtmäßig sei. Denn nach der Rechtsprechung des BGH liegt eine gegen die guten Sitten verstoßende Zinsvereinbarung vor, wenn ein Vertragszins den marktüblichen Effektivzins relativ um etwa 100 % oder absolut um zwölf Prozentpunkte übersteigt.
Nach Auffassung des BAG kann aber diese Rechtsprechung nicht auf Tarifvertragsregelungen übertragen werden. Denn Tarifverträge bieten nach ständiger Rechtsprechung eine Richtigkeitsgewähr. Anders als beim Abschluss von Darlehensverträgen ginge es bei Tarifverträgen nicht um die Frage, ob sich der Kreditnehmer auf die erhöhten Zinsen einlassen müsse, sondern darum, ob das Risiko einer verspäteten Beitragszahlung angemessen zwischen Arbeitgeber und Sozialkasse verteilt ist. Diese Risikoverteilung sei beim VTV nicht zu beanstanden.
Auch der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt das Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Eine hiergegen verstoßende Ungleichbehandlung liegt jedoch nach Auffassung der Richter nicht darin, dass zwar Arbeitgeber im Fall verspäteter Beitragszahlungen zusätzlich Zinsen zahlen müssten, nicht aber die Sozialkassen auf bestehende Erstattungsansprüche. Diese Ungleichbehandlung sei dadurch gerechtfertigt, dass Arbeitgeber, die geschuldete Beiträge erst verspätet entrichten, gegenüber Mitbewerbern aufgrund finanzieller Vorteile Aufträge günstiger anbieten könnten. Eine vergleichbare Situation bestehe aber bei der Sozialkasse nicht – hier gebe es gerade keinen Wettbewerb untereinander.
Fazit: Pünktliche Beitragszahlung auch durch nicht kraft Verbandsmitgliedschaft tarifgebundene Arbeitgeber
Auch Arbeitgeber, die nicht Mitglied im Arbeitgeberverband sind, sind verpflichtet, die Beiträge zur SOKA-Bau abzuführen, soweit sie dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV unterliegen. Sie können nicht darauf vertrauen, von der Verpflichtung zur Beitragszahlung befreit zu sein. Bei Nichtzahlung droht die Inanspruchnahme zur Zahlung sowie zu Verzugszinsen in Höhe von derzeit 0,9 % (§ 20 Abs. 1 des VTV vom 28. September 2018). Zudem stellt das fehlende Abführen von Beiträgen zur SOKA eine Ordnungswidrigkeit dar.