4. Dezember 2022
Temperatur Arbeitsplatz
Arbeitsrecht

Wenn die Luft vor Kälte klirrt, kann sein, dass es bald Winter wird…

Frostige Weihnachten – wenn nicht nur draußen eisige Temperaturen herrschen, sondern auch am Arbeitsplatz im Büro Kälte droht.

Schon 1941 von Bing Crosby sehnsuchtsvoll besungen sind weiße Weihnachten der Traum vieler Menschen. Doch in diesem Jahr wird vieles anders sein. In Zeiten von Krieg, Energie- und Klimakrise ist die Vorstellung von eisigen Temperaturen in den Wintermonaten nicht mehr ganz so romantisch. Und auch viele Beschäftigte fragen sich: Was ist, wenn die Kälte auch am Arbeitsplatz Einzug hält? Jedem ist klar: Frierend kann keine volle Arbeitsleistung erbracht werden. Gleichzeitig ist in puncto Energiesparen aktuell jede und jeder gefragt.

Doch: Wie kalt darf es am Arbeitsplatz eigentlich sein? Gibt es eine bestimmte Temperatur, die eingehalten werden muss? Und wer entscheidet darüber? Und können Beschäftigte dazu berechtigt sein, ihre Arbeit am kalten Arbeitsplatz niederzulegen?

Aktuelle Mindesttemperaturen

Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), die ergänzende Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und die technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) enthalten spezielle Schutzvorschriften für das Klima am Arbeitsplatz. Zusätzlich trat zum 1. September 2022 die Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung (EnSikuMaV) in Kraft. Sie gilt zunächst bis zum 28. Februar 2023 und regelt einige verpflichtende Energiesparmaßnahmen, die auch die Temperaturen am Arbeitsplatz betreffen. Aus dem Zusammenspiel dieser Regelungswerke ergibt sich, ob die eisigen Außentemperaturen im Winter auch am Arbeitsplatz Einzug halten dürfen.

Zunächst einmal regelt das ArbSchG in § 4 Abs. 1 Nr. 1 ganz allgemein, dass der Arbeitgeber die Arbeit so zu gestalten hat, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst geringgehalten wird. Aber auch Temperaturen, die Leben und Gesundheit (noch) nicht gefährden, können am Arbeitsplatz durchaus unangenehm sein und die Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit des Einzelnen erheblich einschränken.

Konkreter wird es in der ArbStättV, die unter Ziffer 3.5 der Anforderungen und Maßnahmen für Arbeitsstätten nach § 3 Abs. 1 ArbStättV vorschreibt, dass in Arbeitsräumen eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur herrschen muss. Eine solche liegt nach den ASR 3.5 wiederum vor, wenn die Wärmebilanz (Wärmezufuhr, Wärmeerzeugung und Wärmeabgabe) des menschlichen Körpers ausgeglichen ist (vgl. Ziff. 4.1 Abs. 2 ASR 3.5).

Raumtemperatur in Büroräumen nicht unter 19°C

Wann dies der Fall ist, ist grundsätzlich in Ziff. 4.2 der ASR 3.5 geregelt, die Mindesttemperaturwerte festlegt. Zu beachten ist jedoch, dass die dort festgelegten Werte derzeit teilweise – bis zum Auslaufen der EnSikuMaV– für private Unternehmen in nicht öffentlichen Gebäuden gemäß der Maßgabe der §§ 12, 6 EnSikuMaV abgesenkt werden.

Danach hat der Arbeitgeber in der Regel mindestens folgende Raumtemperaturen sicherzustellen:

  • bei leichter, überwiegend sitzender Tätigkeit (insbesondere in Büroräumen): 20°C, derzeit laut §§ 12, 6 EnSikuMaV 19°C
  • bei mittelschwerer, überwiegend sitzender Tätigkeit, sowie bei leichter, überwiegend im Stehen oder Gehen erbrachter Tätigkeit (insbesondere in Verkaufsräumen): 19°C, derzeit laut §§ 12, 6 EnSikuMaV 18°C;
  • sonst: 17°C, derzeit laut §§ 12, 6 EnSikuMaV 16°C;
  • bei schwerer körperlicher Arbeit: 12°C (keine Änderungen durch die EnSikuMaV);
  • in Pausen-, Bereitschafts-, Sanitär-, Kantinen- und Erste-Hilfe-Räumen: 21°C (keine Änderungen durch die EnSikuMaV);
  • in Waschräumen, in denen Duschen installiert sind: 24°C (keine Änderungen durch die EnSikuMaV).

Darf im Winter dauergelüftet werden?

Nach den als Anlage zur ArbStättV erlassenen Anforderungen und Maßnahmen für Arbeitsstätten nach § 3 Abs. 1 ArbStättV hat der Arbeitgeber weiter dafür Sorge zu tragen, dass in Arbeitsräumen während der Nutzungsdauer „ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft vorhanden“ ist. Dies gilt auch für Sanitär-, Pausen- und Bereitschaftsräumen sowie für Kantinen, Erste-Hilfe-Räume und Unterkünfte.

Diese Anforderung ist insbesondere auch im Lichte der nach wie vor aktuellen Corona-Situation zu sehen: Mit Blick auf die Gefährdung der Beschäftigten durch das Corona-Virus müssen Arbeitgeber nach wie vor aufgrund der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) ein betriebliches Hygienekonzept festlegen und umsetzen. Im Rahmen dessen ist u.a. das infektionsschutzgerechte Lüften von Innenräumen zu prüfen.

Allerdings führt das Lüften im Winter im Arbeitsalltag zu dem weit verbreiteten Problem, dass die einen sofort über die Kälte klagen, während die anderen am liebsten dauerlüften würden. Insoweit ist zu beachten: Wenn die Räumlichkeiten nicht über eine Klimaanlage verfügen, ist „ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft“ lediglich durch regelmäßiges Lüften zu gewährleisten. Gerade im Winter bedeutet dies jedoch, dass nur stoßweise gelüftet werden darf, damit die Raumtemperatur nicht zu sehr absinkt. Das in der Corona-Pandemie zu ganz neuer Berühmtheit gelangte Stoßlüften ist i.Ü. auch infektionsschutzgerecht im Sinne der Corona-ArbSchV und dürfte daher in jeder Hinsicht das Mittel der Wahl sein.

Gibt es „Kältefrei“ am Arbeitsplatz?

Was ist zu tun, wenn die vorgeschriebenen Raumtemperaturen nicht eingehalten werden (können)?

Werden die Mindesttemperaturen am Arbeitsplatz nicht eingehalten, kann der Arbeitgeber die Beschäftigten nicht ohne weiteres ins Homeoffice schicken. Auch die Beschäftigten sind grundsätzlich nicht dazu berechtigt, ihre Arbeitstätigkeit eigenmächtig ins Homeoffice zu verlagern. Ein Anspruch der Beschäftigten auf „Kältefrei“ besteht nicht.

Stattdessen sollte der Vorgesetzte kontaktiert werden, so dass der Arbeitgeber für Abhilfe sorgen kann. Es liegt sodann in seinem Ermessen, wie er die Vorgaben zur Raumtemperatur umsetzt. Er ist allerdings verpflichtet, so schnell wie möglich zu reagieren. Erst wenn er dies nicht tut und der Arbeitgeber keine Maßnahmen zur Verbesserung der oder zum Schutz vor den niedrigen Temperaturen ergreift, gilt das so genannte „Zurückbehaltungsrecht“ und die Beschäftigten dürfen zu Hause bleiben bzw. nach Hause gehen, ohne dass dies Auswirkungen auf ihren Vergütungsanspruch hat oder arbeitsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen könnte.

Und was gilt bei Arbeitsplätzen im Freien?

Was ist aber bei Arbeiten, die im Freien durchgeführt werden müssen? Dann kann der Traum von der weißen Weihnacht zum wahren Alptraum werden.

Naturgemäß können hier die Vorgaben für Raumtemperaturen nicht angewendet werden. Es bestehen auch sonst keine Vorschriften für Temperaturuntergrenzen.

Vielmehr heißt es diesbezüglich in Ziffer 5.1 der „Anforderungen und Maßnahmen für Arbeitsstätten nach § 3 Abs. 1 ArbStättV“ insbesondere, dass die Arbeitsplätze nach Möglichkeit so einzurichten sind, „dass die Beschäftigten nicht gesundheitsgefährdenden äußeren Einwirkungen ausgesetzt sind“. Auch bei minus 20°C, eisigem Nordwind und Schnee gibt es daher grundsätzlich kein Recht, der Arbeit fernzubleiben.

Der Arbeitgeber ist jedoch – wenn die Arbeit nicht ohnehin, wie dies insbesondere bei Baustellen häufig der Fall ist, witterungsbedingt ruht – verpflichtet, für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer zu sorgen und den Beschäftigten geeignete persönliche Schutzausrüstungen zur Verfügung zu stellen (vgl. Ziff. 5.1 ArbStättV). Darüber hinaus können auch noch weitere Maßnahmen wie z.B. regelmäßige Aufwärmpausen und Zurverfügungstellung heißer Getränke erforderlich sein. Auf Baustellen müssen sich die Beschäftigten zudem gegen Witterungseinflüsse geschützt umkleiden, waschen und wärmen können (vgl. Ziff. 5.2 ArbStättV).

Weiße Weihnachten? Kein Grund zur Sorge am Arbeitsplatz!

Da Arbeitgeber gehalten sind, ihren Beschäftigten am Arbeitsplatz Mindesttemperaturen zu gewährleisten und bei Freiluftarbeitsplätzen Schutzkleidung gegen die Kälte zur Verfügung zu stellen, müssen frostige Zeiten im Büro nicht befürchtet werden.

In diesem Sinne: Eine besinnliche Adventszeit und frohe Weihnachten!

Tags: Arbeitsplatz Kältefrei Temperatur