Das BAG sieht Ausgleichsklauseln in einem Vergleich als Schuldanerkenntnisse an. Auch equal pay-Ansprüche seien umfasst.
Das BAG hat mehrfach klargestellt, dass sog. Ausgleichsquittungen, durch die der Zeitarbeitnehmer gegenüber dem Personaldienstleister bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bescheinigt, seine Arbeitspapiere erhalten zu haben, und zudem bestätigt, dass keine Ansprüche mehr bestehen, Nachforderungen aus equal pay in der Regel nicht erfassen (vgl. nur: BAG v. 23.10.2013 – 5 AZR 135/12; dazu: Tschöpe/Bissels, Arbeitsrecht Handbuch, Teil D Rn. 98). Gleiches soll ebenfalls für eine Ausgleichsklausel in einem Aufhebungsvertrag gelten (BAG v. 25.09.2013 – 5 AZR 936/12). Der Zeitarbeitnehmer kann folglich von dem Personaldienstleister weiterhin eine Kompensation für die Verletzung des equal pay-Prinzips verlangen.
Ob diese Grundsätze auch für eine Ausgleichsklausel in einem gerichtlichen Vergleich gilt, war bislang offen.
Ausgleichsklauseln in einem Vergleich sind konstitutive negative Schuldanerkenntnisse
Inzwischen hat der 5. Senats in einer aktuellen Entscheidung geklärt, dass bei einem gerichtlichen Vergleich großzügigere und insoweit arbeitgeberfreundlichere Maßstäbe anzulegen sind (Urt. v. 27.05.2015 – 5 AZR 137/14). Im Leitsatz heißt es wörtlich:
Ausgleichsklauseln in gerichtlichen Vergleichen, die ausdrücklich auch unbekannte Ansprüche erfassen, sind regelmäßig als umfassender Anspruchsausschluss in Form eines konstitutiven negativen Schuldanerkenntnisses zu verstehen.
Das BAG führt dazu aus: Welche Rechtsqualität und welchen Umfang eine Ausgleichsklausel habe, sei durch Auslegung zu ermitteln. Dabei unterliege die Auslegung typischer Klauseln in Prozessvergleichen, die zur Beilegung einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten verwendet würden, selbst wenn der materielle Regelungsgehalt des Vergleichs ausschließlich individuell bestimmt sei, einer vollen revisionsrechtlichen Überprüfung. Dieser halte das angegriffene Urteil stand. Das LAG Nürnberg habe die Ausgleichsklausel zu Recht als konstitutives negatives Schuldanerkenntnis i.S.d. § 397 Abs. 2 BGB ausgelegt.
Wenn in einem gerichtlichen Vergleich eine umfassende, sich auf bekannte und unbekannte Ansprüche unabhängig von ihrem Rechtsgrund erstreckende Ausgleichsklausel aufgenommen und nicht nur der Rechtsstreit erledigt werde, solle in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend umfassend bereinigt und alle Ansprüche erfasst werden, gleichgültig ob die Parteien an diese dachten oder nicht. Jede andere Auslegung würde den angestrebten Vergleichsfrieden in Frage stellen. Der beurkundete Vergleichswille wäre wertlos, wenn über den beurkundeten Inhalt hinausgehende Ansprüche Quelle eines neuen Rechtsstreits sein könnten.
Equal pay-Ansprüche von der Ausgleichsklausel erfasst
Zu den Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis gehörten alle Ansprüche, die die Parteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehungen gegeneinander hätten, ohne dass es auf die materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage ankäme. Dies umfasse auch den Anspruch des Arbeitnehmers nach § 10 Abs. 4 AÜG. Die Ausgleichsklausel in dem Vergleich stehe zudem in Einklang mit den Bestimmungen des AÜG und der Zeitarbeitsrichtlinie 2008/104/EG.
Die Ausgleichsklausel stelle auch keine AGB dar, die einer strengen Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB zu unterziehen sei, so das BAG: Die Bedingungen seien schließlich von beiden Parteien individuell bestimmt und nicht von einer Partei gestellt worden.
Entscheidung des BAG gibt Rechtssicherheit
Die Entscheidung des BAG ist richtig. Wenn sich ein Personaldienstleiser mit einem Zeitarbeitnehmer in einem Rechtsstreit z.B. über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Form eines gerichtlichen Vergleichs verständigt hat, in dem eine Ausgleichklausel enthalten ist, die sich auch auf unbekannte Ansprüche erstreckt, ist ein „Nachkarten″ mit Blick auf in der Vergangenheit (vermeintlich) entstandene equal pay-Ansprüche ausgeschlossen, selbst wenn er diese bei Vergleichsschluss noch nicht „auf dem Schirm″ hatte.
Insoweit gibt das BAG der durch den Vergleich – auch nach dem Willen der Parteien – geschaffenen Rechtssicherheit den Vorzug vor möglicherweise noch bestehenden, aber unbekannten Ansprüchen, die vor diesem Hintergrund nicht mehr „nachgeschoben″ werden können.
Der gerichtliche Vergleich ist vor diesem Hintergrund einer Ausgleichsquittung oder einen Aufhebungsvertrag mit Erledigungsklausel – sofern darstellbar – zumindest mit Blick auf etwaige aus equal pay drohende Zahlungsrisiken aus Sicht des Personaldienstleisters vorzuziehen. Nur über eine vergleichsweise Verständigung mit einer Ausgleichsklausel, die sich auch auf unbekannte Ansprüche bezieht, können diese für die Zukunft rechtssicher ausgeschlossen werden.
Weitere Einzelheiten dazu entnehmen Sie der September-Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit“, mit dem wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informieren. Sollten Sie Interesse haben, diesen zu beziehen, schreiben Sie mir bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.com).