6. August 2018
Token Vergütung
Arbeitsrecht

Vergütung in Tokens: Gestaltungsspielräume kennen und nutzen

Für die Blockchain-Generation sind virtuelle Aktienoptionsprogramme altmodisch und tokenbasierte Vergütungssysteme keine Zukunftsmusik.

Auch wenn spezifische Vorschriften für Tokens bislang fehlen, besteht für sie kein rechtsfreier Raum. Möchten Unternehmen eine tokenbasierte Vergütung implementieren und Vergütungsstreitigkeiten vermeiden, kommen sie nicht umhin, anhand der aktuellen Gesetze den Rahmen für ihr angestrebtes Vergütungssystem zu ermitteln.

Attraktivität der Tokens

Ein Token ist ein virtuell erschaffener Gegenstand, dem die Allgemeinheit oder zumindest die an der Erschaffung und Übertragung Beteiligten einen Wert zuschreiben. Tokens können als Zahlungsmittel fungieren, Zugang zu einer Dienstleistung oder einem Produkt ermöglichen oder sogar Rechte „verkörpern″. Tokens werden häufig im Rahmen eines ICOs erzeugt und zur Unternehmensfinanzierung an Investoren veräußert.

Tokens sind äußerst reizvoll: Die Grenzkosten für die Emission eines Tokens sind praktisch gleich Null. Ähnlich wie eine Aktie bieten Sie zudem die Chance auf eine immense Wertsteigerung, wenn das Unternehmen mit den Tokens im Rahmen eines ICOs an die Öffentlichkeit geht und damit ein Markt von Angebot und Nachfrage geschaffen wird. Dies ist allerdings nicht garantiert, sodass ein Token potentiell auch wertlos bleiben kann, zum Beispiel wenn der ICO scheitert oder den Tokens niemals eine Funktion zugewiesen wird.

Unternehmen müssen Transparenzgebot wahren

In der Vergütungsvereinbarung sollte in jedem Fall transparent geregelt werden, dass die Wertentwicklung eines Tokens nicht vorhersehbar ist und auch gegen Null gehen kann. Wird die Übertragung von Tokens an eine Bedingung wie den Erfolg des ICOs geknüpft, muss klar sein, dass diese Bedingung gegebenenfalls nicht eintreten kann und das Unternehmen in diesem Fall keine Tokens übertragen oder Ersatz hierfür leisten wird.

Das arbeitsrechtliche „Truckverbot″ gilt auch bei Tokens

Ferner ist das „Truckverbot″ nach § 107 der Gewerbeordnung (GewO) zu beachten: Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer das Entgelt für erbrachte Arbeitsleistungen in Euro zu zahlen und soll sich dieser Verpflichtung grundsätzlich nicht durch ersatzweise Übereignung von Sachbezügen entziehen. Eine reine Vergütung in Tokens ist im Arbeitsverhältnis daher nicht möglich, da Tokens mangels staatlichen Annahmezwangs nicht als Geld, sondern als Sachbezüge zu werten sind.

Jedenfalls der nicht pfändbare Teil des Arbeitsentgelts muss Arbeitnehmern daher in Euro ausgezahlt werden. Auch der Mindestlohn von derzeit 8,84 Euro je Zeitstunde nach § 1 Mindestlohngesetz (MiLoG) ist in Geld zu leisten, sodass jedem Arbeitnehmer ein gewisser Geldsockel in einer staatlich anerkannten Währung verbleibt.

Höchstanteil der Tokens

Erfolgt die Vergütung in Tokens als Gegenleistung für erbrachte Arbeit, muss sie nach § 107 GewO auch dem Interesse des Arbeitnehmers oder der „Eigenart des Arbeitsverhältnisses″ entsprechen. Hierbei ist die Volatilität der Tokens zu beachten: Das LAG Düsseldorf urteilte, dass eine Vereinbarung, nach der über 50 % der Vergütung durch Gewährung von (potentiell wertlosen) Aktienoptionen erfüllt werden sollen, nicht dem Interesse des Arbeitnehmers entspricht und daher unwirksam ist (Urteil vom 30. Oktober 2008 – 5 Sa 977/08). In Anlehnung an die BAG-Rechtsprechung zur Widerruflichkeit von Vergütungsleistungen wird daher überwiegend empfohlen, dass der Token-Anteil bei Arbeitnehmern 25 % bis 30 % der Gesamtvergütung nicht überschreiten sollte, sofern die Tokens als Gegenleistung für die erbrachte Arbeit gewährt werden.

Ob diese Rechtsprechung tatsächlich auf Tokens übertragen werden kann, ist jedoch offen. Ihre Umsetzung stößt auch auf praktische Probleme, da der Wert der Tokens zum Zeitpunkt seiner Übertragung an den Arbeitnehmer bei Abschluss der Vergütungsvereinbarung häufig noch nicht feststeht. Ebenso ungeklärt ist, ob eine Vergütung in Tokens der „Eigenart des Arbeitsverhältnisses″ entspricht, wenn der Arbeitgeber gleichzeitig Emittent der Tokens ist.

Insoweit stehen Unternehmen heute vor der Entscheidung, ob sie den Token-Anteil an der leistungsbezogenen Vergütung des Arbeitnehmers gering halten oder das Risiko in Kauf nehmen, dass der Vergütungsanspruch durch Gewährung von Tokens nicht erfüllt ist und der Arbeitnehmer die Aufstockung auf die für seine Arbeitsleistung übliche Vergütung verlangen kann.

Gestaltungsspielräume des Arbeitgebers

Werden Tokens nicht als konkrete Gegenleistung für erbrachte Arbeit, sondern zusätzlich zum Arbeitsentgelt etwa als Belohnung für Betriebstreue gewährt (Gratifikationscharakter), findet § 107 GewO keine Anwendung. Dies gilt auch, wenn die Tokens den Arbeitnehmer nicht vom Arbeitgeber, sondern von einem Dritten (z.B. einer zu Finanzierungszwecken gegründeten Gesellschaft, die Tokens emittiert) zugewandt werden, ohne dass dies im Arbeitsvertrag geregelt ist.

Denkbar erscheint auch, dass § 107 GewO auf solche Tokens nicht anwendbar ist, die ihrer Programmierung nach Arbeitnehmern nur die Nutzung eines vom Arbeitgeber bereitgestellten Netzwerks ermöglichen. Dies eröffnet Unternehmen Gestaltungsspielraum bei der Mitarbeiterbindung durch Token-Beteiligungsprogramme.

Direktübertragung von Tokens oder Optionslösung

Auch hinsichtlich der konkreten Vertragsgestaltung zur Übertragung von Tokens kommen zahlreiche Varianten in Betracht: Möglich ist beispielsweise eine Vereinbarung, nach der eine bestimmte Anzahl von Tokens zu einem festgelegten Zeitpunkt an den Arbeitnehmer übertragen wird. Denkbar ist auch, eine feststehende Summe bzw. einen feststehenden Gehaltsanteil zu einem Stichtag in Tokens umzuwandeln. Möglich und beliebt ist schließlich die Vereinbarung eines Optionsrechts, mit dem Mitarbeitern das Recht zur zukünftigen Übertragung der Tokens eingeräumt wird.

Welche Variante für das Unternehmen und den Mitarbeiter sinnvoll ist, muss im jeweiligen Einzelfall beurteilt werden und hängt vor allem auch von (lohn)steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Erwägungen ab. Für die Mitarbeiter sollte das Risiko des „dry incomes″, also eine Besteuerungssituation ohne gegenüberstehenden Geldzufluss, minimiert werden. Andernfalls ist das Beteiligungsprogramm nicht attraktiv. 

Mitarbeiterbindung durch Verfallklausel

Bezweckt die Übertragung von Tokens oder die Einräumung eines dahingehenden Optionsrechts nicht die konkrete Vergütung erbrachter Arbeitsleistung, sondern z.B. die Honorierung der Betriebstreue, kann der Anspruch auf Übertragung der Tokens bzw. das Options- und/oder Ausübungsrecht vom (ungekündigten) Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Stichtag abhängig gemacht werden.

Nachdem Tokens in ihrem Wert sehr volatil sind und für den bedachten Arbeitnehmer daher nur eine ungewisse Verdienstchance darstellen, sind an die Wirksamkeit einer derartige Stichtags- bzw. Verfallklausel keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Stellt die Vergütung in Tokens die Gegenleistung für erbrachte Arbeit da, sind Stichtags- bzw. Verfallklauseln unzulässig.

Sperrfrist und Wartezeit

Im Sinne des Unternehmens ist sicherzustellen, dass Mitarbeiter erhaltene Tokens nicht sofort wieder veräußern. Andernfalls drohen frühe Kursschwankungen, die den Erfolg des ICOs gefährden können. Außerdem könnte das Ziel der Mitarbeiterbindung und der Belohnung von Betriebstreue nicht erreicht werden. Dem kann das Unternehmen entweder mit einer technischen Verfügungsbegrenzung (vergleichbar etwa mit der Vinkulierung von Namensaktien) oder auch einem schuldrechtlich vereinbarten Verfügungsverbot – gegebenenfalls gekoppelt an eine Vertragsstrafe – entgegentreten.

Ist zunächst nur ein Optionsrecht auf Übertragung der Tokens vereinbart, kann auch die Ausübung des Optionsrechts von der Erfüllung einer Wartezeit abhängig gemacht werden, flankiert vom Ausschluss der Übertragbarkeit des Optionsrechts.

Mitbestimmung des Betriebsrats

Bei tokenbasierten Vergütungssystemen ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu beachten. Besteht ein Betriebsrat, ist die Verteilung der Token-Vergütung an die Mitarbeiter in einer Betriebsvereinbarung niederzulegen.

Nicht Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist die Frage der Anzahl der Tokens, die an die Mitarbeiter ausgegeben werden sollen. Ein Mitbestimmungsrecht würde außerdem z.B. ausscheiden, wenn die Tokens nicht vom Arbeitgeber, sondern einem anderen Konzernunternehmen übertragen werden und der Arbeitgeber auf die Verteilung der Tokens keinen Einfluss hat.

Besonderheiten bei freien Mitarbeitern

Sind externe Mitarbeiter, beispielsweise ICO-Advisor, auf der Basis eines freien Dienst- oder Werkvertrages tätig, finden arbeitsrechtliche Schutzvorschriften wie § 107 GewO und § 1 MiLoG keine Anwendung. Im Grundsatz ist bei diesen Mitarbeitern daher auch eine Vergütung vollständig in Tokens denkbar. Allerdings ist auch hier darauf zu achten, dass die mit einem ICO und einer Vergütung in Tokens verbundenen wirtschaftlichen Risiken in der entsprechenden Vereinbarung transparent aufgezeigt werden.

Eine vollständige Vergütung in Tokens ist indes nicht möglich, wenn es sich bei den freien Mitarbeitern tatsächlich um abhängig Beschäftigte, d.h. Scheinselbständige handelt. In diesem Fall finden die arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften Anwendung, auch wenn diese Mitarbeiter im Vertrag als Externe bezeichnet werden.

Fazit: Tokens als reizvolle Arbeitnehmervergütung

Eine Vergütung in Tokens ist arbeitsrechtlich möglich und eröffnet aus unternehmerischer Sicht einen Weg, Mitarbeiter am Unternehmenserfolg partizipieren zu lassen. Der Umfang der Gestaltungsspielräume hängt wesentlich davon ab, ob die Tokens für geleistete Arbeit oder zusätzlich zum üblichen Arbeitsentgelt, etwa für die Betriebstreue, gewährt werden.

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