21. Februar 2019
Vergütung Reisezeit
Arbeitsrecht

Vergütung von Reisezeiten – Bestehende Handlungsspielräume nutzen

Das BAG hat nochmals betont, dass gesonderte Vergütungsregelungen für Reisezeiten getroffen werden können. Diese Möglichkeiten sollten genutzt werden.

Mit Urteil vom 17. Oktober 2018 (Az.: 5 AZR 553/17) hatte das BAG entschieden, dass erforderliche Reisezeiten bei vorübergehenden Auslandsentsendungen wie Arbeit zu vergüten sind. Die Entscheidung des BAG wurde nach Bekanntgabe der Pressemitteilung teils „dramatisch″ kommentiert.

Nachdem das Urteil zwischenzeitlich im Volltext vorliegt, ist klar: Die Entscheidung des BAG bewegt sich auf bekanntem Terrain und bezieht sich insbesondere nicht auf das Arbeitszeitgesetz. Für die Praxis wichtig bleiben die nach BAG zulässigen abweichenden Regelungen durch Arbeits- oder Tarifvertrag.

Worum es ging: Mitarbeiter verlangt Vergütung für Reisezeit

Ein technischer Mitarbeiter eines Bauunternehmens wurde von seiner Arbeitgeberin auf eine Baustelle nach China entsandt. Auf Wunsch des Mitarbeiters buchte die Arbeitgeberin für die Hin- und Rückreise keine Direktflüge in der Economy-Class, sondern Flüge in der Business Class mit Zwischenstopp in Dubai.

Die Arbeitgeberin hatte für die Reisetage jeweils für acht Stunden die normale Vergütung in Ansatz gebracht. Mit der Klage verlangte der Kläger Vergütung für 37 weitere Stunden Reisezeit. Das LAG Rheinland-Pfalz hatte der Klage im Wesentlichen stattgegeben.

BAG: Vergütung von Reisezeiten, wenn diese zur Hauptleistungspflicht gehören

Das BAG hat das Berufungsurteil zur näheren Sachverhaltsaufklärung an das LAG Rheinland-Pfalz zurückverwiesen. Der Kläger habe zwar Anspruch auf Vergütung der erforderlichen Reisezeiten. In welcher Höhe die Forderungen begründet seien, müsse jedoch nochmals aufgeklärt werden.

Das Urteil des BAG liegt damit auf der Linie seiner bisherigen Rechtsprechung. Das BAG nimmt bereits bisher u.a. dann eine Vergütungspflicht von Reisezeiten nach § 611 BGB bzw. § 611a BGB an, wenn das Fahren zur auswärtigen Arbeitsstelle zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten gehört. Dies sei dann anzunehmen, wenn das wirtschaftliche Ziel der Gesamttätigkeit darauf ausgerichtet sei, Kunden aufzusuchen (so etwa zu den Außendienstmitarbeitern BAG, Urteil v. 10. Oktober 2006 – 1 ABR 59/05). In diesen Fällen gehöre die zwingende An- und Abreise zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten.

Diese Grundsätze seien auch auf eine vorübergehende Entsendung ins Ausland übertragbar, weil diese in der Regel im alleinigen Interesse des Arbeitgebers sei und in untrennbarem Zusammenhang mit der Arbeitsleistung stünde. Aufgrund dieser Fremdnützigkeit gehörten die Hin- und Rückreise zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten nach § 611 BGB bzw. § 611a BGB. Das BAG stellt hierbei erneut klar, dass die arbeitszeitrechtliche Einordnung der Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz für die Vergütungspflicht keine Rolle spiele.

Mögliche Abweichung durch Arbeits- oder Tarifvertrag

Im Ausgangspunkt sind Reisezeiten mit der für die eigentliche Tätigkeit vereinbarten Vergütung zu bezahlen. Das BAG anerkennt jedoch, dass durch Arbeits- oder Tarifvertrag eine gesonderte Vergütungsregelung getroffen werden kann. Insoweit kann die Vergütungspflicht reduziert und auch vollständig ausgeschlossen werden, wenn hierdurch der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn im Einzelfall nicht unterschritten wird. Der Gestaltung entsprechender Tarif- bzw. Arbeitsverträge kommt damit erhebliche Bedeutung zu. So dürfte beispielsweise in Anlehnung an die Rechtsprechung zur pauschalen Überstundenabgeltung eine Klausel intransparent sein, nach der „sämtliche Reisezeiten, auch außerhalb der regulären Arbeitszeit vollständig mit der Vergütung abgegolten″ sein sollen.

Die Praxis wird sich auch damit befassen, in welchen Fällen abweichende Regelungen durch Betriebsvereinbarung in Betracht kommen. So hatte das LAG Düsseldorf jüngst eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung für wirksam erachtet, die die ersten und letzten 20 Minuten der Reisezeit eines Außendienstmitarbeiters von der Wohnstätte zum ersten Kunden und die ersten 20 Minuten der Rückfahrt vom letzten Kunden nach Hause als nicht vergütungspflichtige Arbeitszeit festlegte. Das LAG Düsseldorf sah hierin insbesondere auch keinen Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG, da die einschlägigen Tarifverträge keine Regelungen zur Vergütung von Wegezeiten enthielten (LAG Düsseldorf, Urteil v. 14. Dezember 2018 – 10 Sa 96/18, Revision zugelassen).

Jedenfalls: Nur „erforderliche″ Reisezeiten sind zu vergüten

Fehlt eine solche Vergütungsregelung für Reisezeiten, bezieht sich die Vergütungspflicht auf die „erforderlichen″ Reisezeiten. Gibt der Arbeitgeber Reisemittel und -verlauf vor, ist die Reisezeit erforderlich, die aus den Vorgaben des Arbeitgebers folgt. Überlässt der Arbeitgeber die Wahl von Reisemittel und -verlauf dem Arbeitnehmer, so ist dieser verpflichtet, das kostengünstigste Reisemittel und den kostengünstigsten Reiseverlauf zu wählen, es sei denn, Reisemittel oder Reisverlauf wären wegen besonderer Umstände nicht zumutbar.

Neben der unmittelbaren Reisezeit sind nach Ansicht des BAG auch Wegezeiten vom und zum Flughafen sowie Zeiten für Einchecken und Gepäckausgabe erforderlich. Eigennütziger Zeitaufwand (Kofferpacken, Duschen, etc.) gilt hingegen nicht als erforderliche Reisezeit. Die Darlegungs- und Beweislast für die Erforderlichkeit von Reisezeiten liegt insoweit beim Arbeitnehmer, wenn diesem die Wahl von Reisemittel und -verlauf überlassen ist. Eine Anrechnung von ersparten Wegezeiten kommt grundsätzlich in Betracht, spielte im entschiedenen Fall aber keine Rolle.

Vergütung von Reisezeiten sollte daher unbedingt geregelt werden

Unternehmen sollten von den durch das BAG gegebenen Gestaltungsspielräumen Gebrauch machen und die Vergütung von Reisezeiten unbedingt regeln. Auf welcher Ebene eine Regelung sinnvoll erscheint, muss im Einzelfall geprüft werden. Eine fehlende Regelung führt aber jedenfalls dazu, dass – sofern die Reisezeiten vergütungspflichtig sind – erforderliche Reisezeiten auf Grundlage der „üblichen″ Vergütung bezahlt werden müssen.

Tags: Arbeitsvertrag Reisezeit Vergütung