6. Juli 2016
Ausschlussfrist equal pay
Arbeitsrecht

Vertragliche Ausschlussfrist bei equal pay-Ansprüchen

Vertragstext des unwirksamen Teils einer Verfallsklausel kann zur Auslegung der verbleibenden Regelung herangezogen werden.

Das BAG hat bereits mehrfach entschieden, dass equal pay-Ansprüche insbesondere arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfristen unterfallen können (vgl. nur: Urt. v. 13.03.2013 – 5 AZR 954/11).

Diese müssen allerdings AGB-rechtlich wirksam sein. Je nach Formulierung kann dabei der Teufel im Detail stecken.

Uneinigkeit in der Rechtsprechung

Wir haben in diesem Zusammenhang bereits über eine Klausel berichtet, nach der

Ansprüche auf Zuschläge aller Art sofort, spätestens innerhalb von 4 Wochen nach Abrechnung des Zeitraums, bei dem sie hätten abgerechnet werden müssen; alle übrigen beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von 3 Monaten nach ihrer Fälligkeit

geltend gemacht werden müssen.

Während die 12. Kammer des Hess. LAG diese Regelung als unwirksam angesehen hat (Urt. v. 14.08.2013 – 12 Sa 1015/12; Revision eingelegt unter Az. 5 AZR 934/13, allerdings Vergleich geschlossen), hat die 6. Kammer die Ausschlussfrist AGB-rechtlich „abgesegnet″ (Urt. v. 18.12.2013 – , 6 Sa 358/13, 6 Sa 359/13).

Bestärkung der Entscheidung durch BAG

Zuletzt hat das BAG diese Entscheidungen der 6. Kammer bestätigt und die von den Zeitarbeitnehmern gegen die Urteile des Hess. LAG eingelegten Revisionen zurückgewiesen (Urt. v. 27.01.2016 – 5 AZR 277/14, 5 AZR 278/14, 5 AZR 279/14). Inzwischen liegen die vollständig abgesetzten Gründe dazu vor.

Unangemessene Benachteiligung durch zu kurze Frist

Nach Ansicht des BAG sei die Regelung zur Geltendmachung von Ansprüchen auf „Zuschläge aller Art“ unwirksam. Im Übrigen halte die Klausel aber der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB stand. Die erste Stufe der Frist zur Geltendmachung von Zuschlägen sei unwirksam, weil sie wegen ihrer Kürze den Kläger unangemessen benachteilige. Ihm verbleibe zur Geltendmachung keine Mindestfrist von drei Monaten ab Fälligkeit des nicht erfüllten Anspruchs.

Anwendung des blue-pencil-Tests

Die Unwirksamkeit der Frist zur Geltendmachung von Zuschlägen bedinge aber nicht die Unwirksamkeit der Frist zur Geltendmachung aller übrigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Die Klausel sei nämlich teilbar.

Ohne Verstoß gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion sei bei einer teilbaren Klausel die Inhaltskontrolle jeweils für die verschiedenen, nur formal in einer Allgemeinen Geschäftsbedingung verbundenen Bestimmungen vorzunehmen. Maßgeblich sei dabei die inhaltliche Teilbarkeit. Deshalb könnten inhaltlich trennbare Regelungen in einer Verfallsklausel nach Anwendung des sog. blue-pencil-Tests wirksam sein.

Inhaltliche Teilbarkeit der Bestimmung

Gemessen daran sei die Bestimmung inhaltlich teilbar. Diese enthalte – sprachlich verschränkt und in einer Klausel zusammengefasst – für die erste Stufe der Geltendmachung zwei Ausschlussfristenregelungen.

Zum einen eine Ausschlussfrist für Zuschläge, zum anderen eine für alle übrigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Eine solche Aufspaltung möge bei arbeitsvertraglichen Verfallfristen ungewöhnlich sein. In tariflichen Ausschlussfristenregelungen sei eine unterschiedliche Länge der Geltendmachungsfrist für verschiedene Arten von Ansprüchen jedoch nicht unüblich.

Bei einer Ausschlussfristenregelung müssten nicht zwingend alle Ansprüche einer Ausschlussfrist – noch dazu einer gleich langen – unterworfen werden. Auch ohne Ausschlussfristenregelung für Zuschläge enthalte die Regelung für alle anderen Ansprüche ein sinnvolles, in sich geschlossenes Ganzes.

Transparenz der verbleibenden Regelung eingehalten

Die verbleibende Regelung sei auch hinreichend transparent. Sie regele die Art und Weise der Geltendmachung eines entstandenen Anspruchs und damit zugleich dessen Untergang. Der Arbeitnehmer müsse auch bei Vertragsabschluss erkennen können, was „auf ihn zukomme“.

Es müsse aus der Klausel ersichtlich sein, welche Rechtsfolge der Mitarbeiter zu erwarten habe. Letztlich müsse auch erkennbar sein, was er zu tun habe, um diese Rechtsfolge zu verhindern. Dabei führe die Auslegungsbedürftigkeit der Klausel nicht automatisch zu deren Intransparenz. Diesen Anforderungen genüge die verbleibende Ausschlussfristenregelung.

Gericht stellt auf durchschnittlichen Arbeitnehmer ab

Die gedankliche Prüfung der Teilbarkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führe nicht dazu, dass der unwirksame Teil einer Klausel „unter dem blauen Stift verschwindet“.

Vielmehr könne der Vertragstext weiterhin zur Auslegung der verbleibenden Regelung herangezogen werden. Für den durchschnittlichen Arbeitnehmer sei unbeschadet des späteren blue-pencil-Tests erkennbar, dass mit der Formulierung „alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ all diejenigen gemeint seien, die nicht „Zuschläge aller Art“ zum Inhalt hätten.

Auch über den Rechtsbegriff „Zuschläge“ sei der durchschnittliche Arbeitnehmer nicht im Unklaren. Er wisse, dass es sich dabei um über das Grundentgelt hinausgehende Vergütungen handele. Diese könne etwa für Arbeit zu besonderer Zeit oder unter besonderen Bedingungen vereinbart werden.

Keine allgemeine Unwirksamkeit der gesamten Klausel

Die Entscheidung des BAG ist gleichermaßen richtig wie überzeugend. Die vorliegend zu beurteilende Ausschlussfrist enthält zwei Regelungen, die in einer Klausel zusammengefasst sind.

Die Unwirksamkeit der Teilbestimmung (zu kurz bemessene Frist) zu den Zuschlägen schlägt dabei nicht auf den verbleibenden Rest (mit einer ausreichend bemessenen Frist von drei Monaten) durch.

Das BAG wendet insoweit den sog. „blue-pencil-Test″ an, der vorliegend zu einer Aufrechterhaltung der Regelung führt. Dies ist der Fall, soweit keine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis auf die Zahlung von Zuschlägen betroffen sind.

Einheitliche Verfallfrist empfohlen

Unternehmen dürften aber gut beraten sein, in Arbeitsverträgen eine einheitliche Verfallfrist von 3 Monaten vorzusehen. Gerade in Tarifverträgen und in entsprechenden Bezugnahmen darauf sind grundsätzlich auch kürzere Fristen und auch Differenzierungen für verschiedene Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis denkbar. Der vorliegende Fall zeigt jedoch, dass derartige Vereinbarungen durchaus streitanfällig und damit problembehaftet sein können. Dies gilt auch, wenn – wie vorliegend – verschachtelte Klauseln verwendet werden sollen.

Deutliche Abgrenzung der Fristen durch den Arbeitgeber

Sollten verschiedene Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis tatsächlich einem unterschiedlichen Fristenregime unterworfen werden sollen, sollte  der Arbeitgeber die betreffenden Bestimmungen „entzerren″ und diese deutlich voneinander abgrenzen.

Dies kann z.B. erreicht werden, indem die Fristen in eigenen Ziffern im Arbeitsvertrag Platz finden. In diesem Fall sollten diese weder vom Aufbau noch von der Formulierung (in einem Satz oder Absatz) miteinander zusammenhängen oder aufeinander aufsetzen.

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