27. Juni 2018
Wartezeitkündigung Probezeit
Arbeitsrecht

Wartezeitkündigung: Mitteilung des Werturteils genügt

LAG Mecklenburg-Vorpommern: Der Arbeitgeber ist bei einer Wartezeitkündigung aufgrund Werturteils nicht verpflichtet, dieses gegenüber dem Betriebsrat zu begründen.

Gemäß § 102 Abs. 1 S.1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Infolge dessen hat eine Anhörung des Betriebsrates auch dann zu erfolgen, wenn der Arbeitgeber noch während der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 KSchG kündigt. Zur Erfüllung dieser Anhörungsobliegenheit muss der Arbeitgeber den Betriebsrat über den Grund der Kündigung informieren. Dabei stellt sich die Frage, welchen Anforderungen die Information des Betriebsrats durch den Arbeitgeber im Fall der Wartezeitkündigung zu genügen hat.

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat sich mit dieser Frage auseinandergesetzt. Mit Urteil vom 14. März 2018 (Az.: 3 Sa 196/17) entschied es, dass der Arbeitgeber bei einer auf einem personenbezogenen Werturteil beruhenden Wartezeitkündigung seiner Anhörungsobliegenheit bereits dadurch genügt, dass er dem Betriebsrat sein Werturteil mitteilt. Einer darüberhinausgehenden Begründung bedürfe es hingegen nicht.

Betriebsratsanhörung als zu pauschal gerügt

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt stritten die Parteien in der Berufungsinstanz um die Wirksamkeit einer fristgemäßen Kündigung während der sechsmonatigen Wartezeit gemäß § 1 KSchG. In der Betriebsratsanhörung teilte der Beklagte mit, dass die Kündigung erforderlich sei, weil der Kläger sich aus arbeitgeberseitiger Sicht in der Probezeit nicht bewährt und die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt habe. Der Kläger erhob beim Arbeitsgericht Rostock Kündigungsschutzklage und war der Auffassung, diese Erklärung sei zu pauschal und verstoße gegen § 102 BetrVG.

Bereits das ArbG Rostock hatte als Vorinstanz (Az.: 2 Ca 443/17) entschieden, dass die Mitteilung des Beklagten gegenüber dem Betriebsrat nicht zu beanstanden sei. Dies hat das LAG Mecklenburg-Vorpommern mit seiner Entscheidung bestätigt.

Ob die Mitteilung des Werturteils genügt, hatte BAG bislang offengelassen

Das BAG hatte im Jahr 1978 (Az.: 2 AZR 717/76) darauf verwiesen, dass § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG für die – auch im Fall der Wartezeitkündigung durchzuführende – Betriebsratsanhörung fordert, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe der Kündigung mitteilt.

Zudem entscheid es, dass er mit einer pauschalen Bezeichnung der Kündigungsgründe oder der bloßen Angabe seines Werturteils, ohne auf die für die Bewertung maßgebenden Tatsachen einzugehen, seiner Mitteilungsobliegenheit nicht gerecht wird. Ob die bloße Mitteilung eines Werturteils jedoch ausnahmsweise ausreichen könnte, wenn der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers auf subjektiven Vorstellungen, die nicht durch Tatsachen belegbar sind, beruht, hat das BAG damals ausdrücklich offengelassen.

Bloße Angabe des Werturteils genügt ausnahmsweise

Im Jahr 1988 (Az.: 2 AZR 103/88) musste das BAG hierzu sodann Position beziehen. Über die Bestätigung der Grundsätze aus dem Jahr 1978 hinaus hat es entschieden, dass die pauschale Mitteilung eines Werturteils ausnahmsweise dann den Anforderungen des § 102 BetrVG genügt, wenn der Arbeitgeber nicht in der Lage ist, seinen Kündigungsentschluss mit konkreten Tatsachen zu belegen. Dies müsse als Konsequenz der subjektiven Determinierung im Fall fehlender objektiver Tatsachen zur Erfüllung seiner Mitteilungsobliegenheit ausreichen. Andernfalls würde der Arbeitgeber dazu angehalten, tatsächlich nicht vorhandene, objektive Gründe zu erfinden und vorzuschieben.

Personenbedingtes Werturteil – Bloße Angabe des Werturteils reicht bei Wartezeitkündigung

Diesen Ansatz hat das BAG im Jahr 2013 (Az. 6 AZR 121/12) unter Wiederholung der in den Jahren 1978 und 1988 aufgestellten Grundsätze näher konkretisiert. Zur Bestimmung der Anforderungen der arbeitgeberseitigen Mitteilung gegenüber dem Betriebsrat sei im Fall der Wartezeitkündigung danach zu unterscheiden, ob die Kündigung auf substantiierbare Tatsachen gestützt werden kann oder ob sie auf personenbezogenen Werturteilen beruhe, die sich in vielen Fällen nicht näher belegen lassen. Beruht die Kündigung auf einem personenbezogenen Werturteil, sei die Betriebsratsanhörung bereits dann ordnungsgemäß erfolgt, wenn der Arbeitgeber lediglich sein Werturteil mitteile. Eine Substantiierung oder Begründung dieses Werturteils sei hingegen nicht erforderlich.

In seiner Entscheidung vom 14. März 2018 zitiert das LAG Mecklenburg-Vorpommern die Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2013. Es wiederholt den darin aufgestellten Grundsatz, dass die alleinige Mitteilung des Werturteils ohne nähere Substantiierung und Begründung im Rahmen der Betriebsanhörung den Anforderungen des § 102 BetrVG jedenfalls dann genüge, wenn die Kündigung in der Wartezeit auf personenbezogenen Werturteilen beruhe.

LAG bestätigt die Rechtsprechung des BAG und weitet Rechtssicherheit aus

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern bestätigt mit seiner Entscheidung erfreulicherweise die Rechtsprechung des 6. Senates des BAG vom 12. September 2013 (Az.: 6 AZR 121/12). Dadurch schafft es Rechtssicherheit bezüglich der Frage des Umfangs der arbeitgeberseitigen Mitteilungspflicht gegenüber dem Betriebsrat bei einer Wartezeitkündigung.

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Isabel Meyer-Michaelis