12. Februar 2021
Personaldienstleister Vermittlungshonorar Vertrag
Arbeitsrecht

Wirksamkeit einer Klausel zur Zahlung eines Vermittlungshonorars: Klärung durch BGH!

Kann ein Personaldienstleister nach einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Zeitarbeitnehmer eine Vermittlungsprovision von dem Kunden verlangen? Diese streitige Frage hat der BGH jüngst bejaht.

Meinungsverschiedenheiten über die Zahlung einer Vermittlungsprovision durch den Kunden nach der Übernahme eines Zeitarbeitnehmers in Zusammenhang mit einer Überlassung hat zuletzt verstärkt die Zivilgerichte beschäftigt (vgl. zuletzt noch: OLG Celle, Urteil v. 15. Oktober 2020 – 11 U 5/20; dazu: Bissels/Falter, jurisPR-ArbR 50/2020 Anm. 7; Bissels/Falter, BD 10/2018, 3 ff.). 

Streitig war dabei immer wieder die Frage, ob der Kunde eine Vermittlungsprovision leisten muss, wenn das Arbeitsverhältnis zu dem überlassenen Mitarbeiter von dem Zeitarbeitsunternehmen, z.B. durch eine Kündigung, beendet wurde und selbiger nach einer Anschlussbeschäftigung sucht, die er dann oftmals bei dem Kunden, bei dem er eingesetzt war oder immer noch ist, findet. 

In einer aktuellen Entscheidung hat sich nun der BGH dieser Frage angenommen und festgestellt, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch das Zeitarbeitsunternehmen vor der Übernahme durch den Kunden grundsätzlich der Entstehung eines Anspruchs auf die Zahlung einer Vermittlungsprovision nicht entgegensteht (vgl. BGH, Urteil v. 5. November 2020 – III ZR 156/19; vorgehend: LG Tübingen, Urteil v. 25. Oktober 2019 – 1 S 55/19; AG Tübingen, Urteil v. 26. April 2019 – 12 C 893/18).

Arbeitsverhältnis nach Überlassung: Personaldienstleisterin verlangt Zahlung einer Vermittlungsvergütung

Am 30. Oktober 2014 schloss die Beklagte mit der X GmbH (deren Rechtsnachfolgerin ist die hiesige Klägerin), bei der es sich um eine über eine unbefristete Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nach § 1 AÜG verfügende Personaldienstleisterin handelte, einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag. Dieser bezog sich auf die Überlassung des Y an die Beklagte. 

In dem Vertrag findet sich u.a. folgende Regelung: 

Endet das Arbeitsverhältnis des überlassenen Mitarbeiters mit der X und begründet dieser anschließend ein Arbeitsverhältnis mit dem Kunden oder einem mit ihm rechtlich oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, so ist dieses durch Vermittlung bzw. Nachweis von X entstanden. Der Kunde verpflichtet sich in einem solchen Fall, ein Vermittlungs- bzw. Nachweishonorar zu zahlen.

Dieses beträgt zwei Bruttomonatsgehälter und reduziert sich entsprechend der Dauer der erfolgten Arbeitnehmerüberlassung für jeden vollen Monat um ein Zwölftel.

[…]

Für den Fall, dass zwischen der Begründung des Arbeitsverhältnisses und dem Ende der Überlassung eine Zeitspanne von maximal 6 Monaten liegt, wird vermutet, dass die Begründung des Arbeitsverhältnisses auf die Überlassung zurückzuführen ist, so dass der X das vorstehend vereinbarte Vermittlungs- bzw. Nachweishonorar auch zusteht, soweit der Kunde oder das mit ihm verbundene Unternehmen diese Vermutung nicht widerlegt. Diese Vereinbarung endet nach neun Monaten nach Beginn des AÜV.

Y wurde bis zum 31. Dezember 2014 im Betrieb der Beklagten eingesetzt. Die X GmbH beendete das Arbeitsverhältnis mit Y durch eine betriebsbedingte Kündigung zum 23. Februar 2015. Am 6. März 2015 begründete die Beklagte ein Arbeitsverhältnis mit Y. Daraufhin stellte die X GmbH der Beklagten ein Vermittlungs- bzw. Nachweishonorar für Y in Rechnung. 

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat dieser stattgegeben. Die hiergegen von der Beklagten eingelegte Revision wurde vom BGH als unbegründet zurückgewiesen. 

BGH bejaht Vermittlungsprovision für Personaldienstleisterin nach Vertragsauslegung

Der BGH klärt im Grundsatz die in der Praxis hoch umstrittene Frage, ob der Personaldienstleister die vereinbarte Vermittlungsprovision von dem Kunden verlangen kann, wenn der Übernahme des Zeitarbeitnehmers eine arbeitgeberseitige Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist (vgl. den Überblick zur Rechtsprechung bei: Bissels/Falter, jurisPR-ArbR 36/2020 Anm. 6). Dies bejaht der BGH mit einer überzeugenden Begründung und erstreckt damit dessen Rechtsprechung vom 10. November 2011 (Az. III ZR 77/11), nach der die Vermittlungsvergütung der teilweise Ausgleich dafür sei, dass der ungeplante Wechsel zum Kunden erhebliche wirtschaftliche Nachteile für den Personaldienstleister bringen könne, auf den Fall, dass das Zeitarbeitsunternehmen durch einen von diesem selbst begründeten Beendigungstatbestand einen solchen de facto „provoziert″ und zumindest mitveranlasst hat. 

Dem konkreten Fall lag eine ordentliche (betriebsbedingte) arbeitgeberseitige Kündigung zugrunde; die Erwägungen des BGH sind aber auf jeden anderen Beendigungstatbestand, unabhängig davon, auf welche Ursache dieser zurückzuführen ist, zu übertragen, insbesondere auf eine fristlose Kündigung, auf den Abschluss eines Aufhebungsvertrages, eine Anfechtung, eine Befristung oder eine auflösende Bedingung. Gleiches gilt – a maiore ad minus – für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Zeitarbeitnehmer, u.a. durch dessen ordentliche oder fristlose (Eigen-)Kündigung. Die vom BGH herangezogenen Wertungen sind nicht auf die Beendigung des Arbeitsvertrages durch eine (arbeitgeberseitige) Kündigung zugeschnitten, sondern treffen – gerade hinsichtlich des von dem Gericht maßgeblich zur Begründung der Vergütungspflichtigkeit herangezogenen „Klebeeffekts″ und der bei dem Kunden durch die Übernahme eintretenden Vorteile – zwanglos auch bei jedem anderen, das Arbeitsverhältnis auflösenden Tatbestand zu.

In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass der BGH zu dem Ergebnis erst nach einer Auslegung der von den Parteien konkret verwendeten Klausel gelangt ist. Sollte die Regelung in dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag von den jeweiligen Parteien abweichend formuliert sein, ist sehr wohl ein abweichendes Ergebnis denkbar, jedoch auf Grundlage der in der Praxis häufig verwendeten und verbreiteten Bestimmungen nicht sehr wahrscheinlich, freilich aber auch nicht auszuschließen. Aus diesen ergibt sich nämlich regelmäßig nicht, dass zum Zeitpunkt der Übernahme des Zeitarbeitnehmers durch den Kunden noch ein nicht beendetes bzw. nicht gekündigtes Arbeitsverhältnis bestanden haben muss. Vielmehr wird in den Klauseln oftmals nur eine zeitliche Korrelation zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Zeitarbeitnehmer (unabhängig vom Grund) und der anschließenden Neubegründung eines solchen mit dem Kunden vorgesehen. 

Darüber hinaus stellt der BGH klar, dass in einer Regelung über die Zahlung einer Vermittlungsprovision keine Differenzierung nach den Beendigungsgründen stattfinden muss, die darüber entscheiden, ob tatsächlich eine Vermittlungsprovision von dem Personaldienstleister verlangt werden kann. AGB-rechtlich ist es folglich nicht erforderlich, dass ein Anspruch auf ein Vermittlungshonorar ausdrücklich ausgeschlossen werden muss, wenn der Personaldienstleister das Arbeitsverhältnis mit Zeitarbeitnehmer selbst beendet hat, wie dies in der Instanzrechtsprechung mitunter vertreten wurde (vgl. den Überblick auf die Rechtsprechung bei: Bissels/Falter, jurisPR-ArbR 36/2020 Anm. 6). 

Einem Anspruch auf Zahlung einer Vermittlungsprovision steht nicht entgegen, dass der Personaldienstleister das Arbeitsverhältnis mit dem Zeitarbeitnehmer vor der Übernahme durch den Kunden gekündigt hat

Etwas missverständlich dürfte die Leitsätze des BGH formuliert sein, die wie folgt lauten:

Eine in einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag enthaltene Vermittlungshonorarklausel ist wirksam, wenn das Honorar maximal zwei Bruttomonatsgehälter beträgt und sich entsprechend der Dauer der erfolgten Arbeitnehmerüberlassung für jeden vollen Monat um ein Zwölftel reduziert. Daran ändert nichts, dass zunächst der Verleiher das Arbeitsverhältnis mit dem Zeitarbeitnehmer durch Kündigung beendet und dieser anschließend ein Arbeitsverhältnis mit dem (vormaligen) Entleiher begründet (Fortführung von Senat, Urteile vom 7. Dezember 2006 – III ZR 82/06, NJW 2007, 764, vom 11. März 2010 – III ZR 240/09, NJW 2010, 2048 und vom 10. November 2011 – III ZR 77/11, WM 2012, 947).

Aus dem zweiten Leitsatz ergibt sich zunächst klar und eindeutig, dass dem Anspruch auf Zahlung einer Vermittlungsprovision nicht entgegengehalten werden kann, dass der Personaldienstleister das Arbeitsverhältnis mit dem Zeitarbeitnehmer vor der Übernahme durch den Kunden gekündigt hat. Der erste Leitsatz darf hingegen nicht als abschließend verstanden werden – nämlich dergestalt, dass der BGH darin feststellt, dass ausschließlich eine Vermittlungsprovision von maximal zwei Bruttomonatsgehältern sowie eine degressive monatliche Staffelung AGB-rechtlich zulässig sein soll. Das Gericht bestätigt die Wirksamkeit der konkret von den Parteien vereinbarten Konditionen, auf denen die streitgegenständliche Klausel aufsetzt, ohne damit jedoch andere vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten ausschließen zu wollen. Dies gilt insbesondere für die vom BGH gleichfalls schon als wirksam angesehene Bestimmung, die dem Urteil vom 10. November 2011 zugrunde gelegen hat (Az. III ZR 77/11). Dort war bei einer Übernahme innerhalb der ersten drei Monate der Überlassung eine Provision in Höhe von 15% des Jahresbruttoeinkommens bei einer quartalsweisen degressiven Staffelung vorgesehen. Aus der aktuellen Entscheidung ergibt sich – aus einer Zusammenschau des ersten Leitsatzes mit den Gründen – kein Anhaltspunkt dafür, dass der BGH eine Regelung über eine Vermittlungsprovision nur noch nach Maßgabe der streitgegenständlichen Gestaltung akzeptiert. Vielmehr ist das Urteil so zu verstehen, dass der BGH die Klauseln aus den beiden Urteilen als in einem Alternativitätsverhältnis stehend ansieht, die in der Praxis für sich betrachtet jeweils in Abreden zwischen dem Personaldienstleister und dem Kunden verwendet werden können.

Wichtige Klärung für die Praxis bei der Klauselgestaltung

Das Urteil des BGH klärt für die Praxis wesentliche Fragen zur AGB-rechtlich wirksamen Gestaltung von Klauseln zu einer Vermittlungsprovision, wenn und soweit die Übernahme durch den Kunden nach einer (arbeitgeberseitigen) Kündigung oder einem sonstigen (auch vom Zeitarbeitnehmer ausgehenden oder ausgeübten) Beendigungstatbestand erfolgt. Dies schließt einen Anspruch auf die Zahlung einer Vermittlungsprovision nicht aus, es sei denn, aus der konkret verwendeten Klausel lässt sich nach deren Auslegung das Gegenteil ableiten. Personaldienstleister sind vor diesem Hintergrund gut beraten, die von ihnen verwendeten Bestimmungen zur Vermittlungsprovision (insbesondere in den AGB) dahingehend zu überprüfen, ob sich aus diesen – unter Beachtung des konkret verwendeten Wortlautes – Anhaltspunkte dafür ergeben, dass insbesondere eine arbeitgeberseitig veranlasste Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Zeitarbeitnehmer vor einer Übernahme durch den Kunden provisionsausschließend wirken kann. Dies wird allerdings nur ausnahmsweise der Fall sein; in den in der Praxis verwendeten Bestimmungen wird nämlich regelmäßig lediglich auf eine Übernahme während der noch laufenden Überlassung oder im Nachgang zu einer bereits beendeten Überlassung abgestellt. Jedoch gilt hier der Grundsatz: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!

Rechtsunsicherheit allenfalls für Verträge nach der AÜG-Reform 2017

Durch das aktuelle Urteil des BGH werden die Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der Provisionshöhe und der Art der degressiven Staffelung bei einer länger andauernden Überlassung – in Ergänzung zur Entscheidung vom 10. November 2011 (Az. III ZR 77/11) – zudem erweitert und nicht beschränkt, indem nunmehr zwei höchstrichterliche Entscheidungen zur AGB-rechtlichen Wirksamkeit der jeweils verwendeten Klauseln vorliegen, an denen sich die Praxis orientieren kann. 

Durch die AÜG-Reform 2017 wurden ergänzende, aber wohl beherrschbare Rechtsrisiken mit Blick auf eine etwaige AGB-rechtliche Unwirksamkeit einer Bestimmung zum Vermittlungshonorar begründet, die noch nicht abschließend geklärt sind. Vor diesem Hintergrund darf sich ein Personaldienstleister, selbst wenn sich dieser an eine der beiden vom BGH „abgenickten″ Vorlagen hält, nicht in einer Position der vollkommenen rechtlichen Unangreifbarkeit wähnen.

Weitere Einzelheiten dazu entnehmen Sie dabei bitte unserem „Infobrief Zeitarbeit″, in dem wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informieren. Sollten Sie Interesse haben, diesen kostenfrei zu beziehen, schreiben Sie uns bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.com oder kira.falter@cms-hs.com).

Tags: Klausel Kündigung Personaldienstleister Vermittlungshonorar