18. September 2020
Kurzarbeit Null
Arbeitsrecht

Zeitarbeit: Bestimmung der Einsatzdauer bei „Kurzarbeit null″

Die Kurzarbeit erfährt durch die Corona-Krise einen historischen Höchststand. Wie wirkt sich selbige aber unter anderem auf die Bestimmung der Überlassungshöchstdauer in der Zeitarbeit aus?

Der Gesetzgeber hat – wie schon in der Finanzkrise im Jahr 2008 – auf die Coronapandemie dergestalt reagiert, dass dieser die Anspruchsvoraussetzungen für die Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld (§§ 95 ff. SGB III) gelockert hat, um die zu erwartenden „arbeitsmarktpolitischen Schockwirkungen″ durch einen sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit begrenzen zu können. Zudem ist vorgesehen worden, dass auch Zeitarbeitnehmer anspruchsberechtigt sein können (vgl. § 11a AÜG i.V.m. § 3 der Verordnung über Erleichterungen der Kurzarbeit, die befristet bis zum 31. Dezember 2020 gilt).

Möglich und zulässig ist dabei auch eine „Kurzarbeit Null″. Der Mitarbeiter erbringt keine Arbeitsleistung mehr und erhält keine Vergütung von dessen Arbeitgeber, sondern Kurzarbeitergeld in Höhe von grundsätzlich 60 bzw. 67% der Nettoentgeltdifferenz (§§ 105 f. SGB III).

Bei Zeitarbeitnehmern stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, wie sich eine Kurzarbeit Null auf die Dauer der Einsatzzeiten auswirkt, die letztlich relevant sind, um bestimmen zu können, wann die Überlassungshöchstdauer oder die Frist für die Gewährung des zwingenden gesetzlichen equal pay abgelaufen sind.

BA gibt Hinweis zur Berechnung der Einsatzdauer bei „Kurzarbeit Null″

Die BA hat auf deren Homepage wörtlich Folgendes veröffentlicht (unter der Frage: „Ist Kurzarbeit Null während der Corona-Krise bei der Arbeitnehmerüberlassung auf die Überlassungshöchstdauer anzurechnen?″):

In der aktuellen Krisensituation hat der Gesetzgeber den Bezug von Kurzarbeitergeld für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer geöffnet. Leiharbeitskräfte haben zeitlich befristet bis Ende 2020 Zugang zum Kurzarbeitergeld. Bis dahin zurückgelegte Zeiten von „Kurzarbeit Null“ werden nicht auf die Überlassungshöchstdauer nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz angerechnet. […] Diese Ausführungen gelten entsprechend für die Dauer der Überlassung im Hinblick auf Equal Pay.

Danach „hemmt″ eine Kurzarbeit Null die Einsatzzeit des Zeitarbeitnehmers bei einem Kunden; die Überlassung kann daher „nach hinten″ entsprechend verlängert werden.

Behörde führt in Zeiten der Coronapandemie einen materiellen Einsatzbegriff ein

Die Feststellungen der BA sind insbesondere vor dem Hintergrund interessant, da diese in den gleichermaßen von der Behörde herausgegebenen FW AÜG die Ansicht vertritt, dass für die Dauer der Überlassung ausschließlich der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen dem Personaldienstleister und dem Kunden erheblich ist. Wörtlich heißt es in den Weisungen der BA (Ziff. 1.2.1 Abs. 2, S. 23):

Für die Bestimmung der Überlassungsdauer ist die vertragliche Vereinbarung der Überlassung zwischen Verleiher und Entleiher maßgeblich. Auf die arbeitszeitliche Ausgestaltung der Tätigkeit des Leiharbeitnehmers im Betrieb des Entleihers kommt es dagegen nicht an.

Während die BA in Nicht-Krisenzeiten von einem formalen Einsatzbegriff ausgeht, der die Überlassungsdauer nach dem geschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag definiert, schwenkt die Behörde in Zeiten der Coronapandemie – zumindest bei einer Kurzarbeit Null – auf einen materiellen Einsatzbegriff um: Unabhängig von den vertraglichen Abreden zwischen Personaldienstleister und Kunden und von einer etwaigen Beendigung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages wird die faktische Nichteinsetzbarkeit des Zeitarbeitnehmers während der Kurzarbeit Null nicht auf die Überlassungshöchstdauer und im Hinblick auf ein zwingendes equal pay angerechnet.

Begründet wird dieser Meinungsumschwung bei der Bestimmung des Einsatzbegriffs freilich nicht. Richtigerweise ist dieser immer materiell zu bestimmen. Maßgeblich sind dabei – unabhängig von Corona und einer Kurzarbeit Null – ausschließlich die tatsächlich vom Zeitarbeitnehmer im Rahmen einer Überlassung bei dem Kunden geleisteten Tage. Herauszurechnen sind – entgegen der wohl überwiegenden Ansicht in der Literatur – u.a. folglich Urlaub, Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, unentschuldigtes Fehlen, Inanspruchnahme von AZK etc. Dies ist bereits an anderer Stelle ausführlich dargelegt und begründet worden (vgl. Urban-Crell/Germakowski/Bissels/Hurst, AÜG, § 1 Rn. 220 ff. – auch mit Hinweisen auf die abweichende, wohl herrschende Meinung, der auch die BA folgt). Nicht nachvollziehbar ist, warum dies – zumindest nach Auffassung der BA – auf einmal nur während einer Kurzarbeit Null gelten soll.

Praxishinweis: Von BA bestätigen lassen, dass während der Kurzarbeit Null die Ausführungen in den FW AÜG nicht gelten

Zunächst ist auf Grundlage der Äußerungen der BA festzustellen, dass deren Meinungsumschwung sowohl für den Personaldienstleister als auch für den Kunden günstig ist, da sich der Ablauf der Überlassungshöchstdauer und der Zeitpunkt, ab dem zwingend equal pay zu leisten ist, entsprechend der geleisteten Kurzarbeit Null nach hinten verschiebt. Unklar ist aber das Verhältnis der schlichtweg auf der Homepage der BA geäußerten Meinung zu den abweichend formulierten FW AÜG. Es dürfte daher empfehlenswert sein, sich vorab von der BA bestätigen zu lassen, dass während der Kurzarbeit Null die Ausführungen in den FW AÜG nicht gelten – dies insbesondere, um im Rahmen einer erlaubnisrechtlichen Prüfung nach der Coronakrise einen Konflikt mit der BA über das Verhältnis der FW AÜG und der Hinweise auf der Homepage ausschließen zu können.

Darüber hinaus muss jedoch insbesondere dem Personaldienstleister klar sein, dass die BA nicht in rechtlich verbindlicher Art und Weise darüber entscheidet bzw. entscheiden kann, ob Zeiten im Rahmen der Kurzarbeit Null für die Bestimmung der Überlassungsdauer (oder beim equal pay) maßgeblich sind oder nicht. Dies ist ausschließlich den Gerichten vorbehalten. Es ist vor diesem Hintergrund nicht ausgeschlossen, dass insbesondere Arbeitnehmer unter Hinweis auf den formalen Einsatzbegriff für sich reklamieren, dass Zeiten während der Kurzarbeit Null „ganz normal“ bei der Bestimmung der Überlassungszeit mitzuzählen sind. Folge kann sein, dass zumindest nach Ansicht des Zeitarbeitnehmers die Frist von neun Monaten für die Einschlägigkeit des zwingenden equal pay-Grundsatzes vorzeitig erreicht ist und entsprechende Nachforderungen verlangt werden. Zudem könnte der Zeitarbeitnehmer wegen der vermeintlichen (vorzeitigen) Überschreitung der Überlassungshöchstdauer ein fingiertes Arbeitsverhältnis gegenüber dem Kunden geltend machen. Um die geschäftlichen Beziehungen zu diesem nicht unnötig zu belasten, dürfte es empfehlenswert sein, dass der Personaldienstleister im Vorfeld mit dem Kunden abstimmt, ob die Einsatzdauer auf Grundlage der Verlautbarungen der BA im Internet um die Zeiten in Kurzarbeit Null gekürzt wird oder ob insoweit der rechtsicherer Weg gegangen wird, indem Zeiten während der Kurzarbeit Null – entgegen der Äußerungen der BA im Internet – bei der Einsatzdauer  berücksichtigt werden.

Interessant ist auch, dass die Tarifvertragsparteien in der M+E-Industrie ebenfalls auf die Coronakrise reagiert haben und einen Ergänzungstarifvertrag zum TV LeiZ geschlossen haben. Dort wird bestimmt, dass Zeiten bei der Berechnung der Höchstdauer eines Einsatzes gem. § 2 Nr. 3 TV LeiZ sowie bei der Berechnung der Dauer der Überlassung gem. § 4 Nr. 1 TV LeiZ, in denen Zeitarbeitnehmer Kurzarbeitergeld beziehen, nicht berücksichtigt werden. Die Ergänzungsvereinbarung endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, am 31. Dezember 2020. Die Nachwirkung ist ausgeschlossen. Die Auslegung und Anwendung dieses Tarifvertrages dürften – auch aufgrund der abweichenden Formulierung im Vergleich zu der Verlautbarung der BA – dabei mit nicht unerheblichen Schwierigkeiten verbunden sein. Darüber hinaus ist zu beachten, dass nach dem bisherigen Kenntnisstand entsprechende Ergänzungstarifverträge nicht einheitlich in sämtlichen Tarifgebieten geschlossen worden sind. Vielmehr scheint es – zumindest bislang – einen „Flickenteppich″ zu geben. Es muss also sorgsam geprüft werden, ob eine Verlängerung der Überlassung aufgrund der lokal geltenden Tarifverträge in der M+E-Industrie zulässig ist.

Tags: Einsatzdauer Kurzarbeit Null Zeitarbeit