21. Dezember 2012
Arbeitsrecht

Zeitarbeit: Gestern, heute, morgen…

Das Jahr 2012 war für die Zeitarbeitsbranche – erwartungsgemäß – ein höchst turbulentes. Dies lag nicht nur an den zum 01.12.2011 in Kraft getretenen gesetzlichen Änderungen und den davon ausgehenden Unwägbarkeiten, was in der Praxis zu beachten ist (Stichwort: Ausnahmen vom Anwendungsbereich des AÜG), sondern insbesondere an der Einführung tariflicher Branchenzuschläge sowie der nach wie vor problematischen und nicht zuletzt z.T. existenzbedrohenden Folgenbewältigung der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 zur Tarifunfähigkeit der CGZP. Zahlreiche interessante, mitunter aber divergierenden Gerichtsentscheidungen prägten das Jahr 2012, die es aber bislang nicht vermocht haben, der Zeitarbeitsbranche das Gefühl von Rechtssicherheit zu vermitteln.

Änderungen des AÜG

Mit Blick auf den neu eingefügten Satz in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG „Die Überlassung von Arbeitnehmern […] erfolgt vorübergehend.“ ist – für die Praxis höchst misslich – nicht hinreichend geklärt, wann eine Überlassung tatsächlich vorübergehend ist. Muss sich dabei an das TzBfG angelehnt werden mit der Folge, dass ein Sachgrund für den längeren Einsatz eines Zeitarbeitnehmers bei dem Kunden erforderlich ist (so ArbG Cottbus v. 22.08.2012 – 4 BV 2/12)? Oder ist es – wie das LAG Düsseldorf zu Recht meint – ausreichend, wenn sich aus der Planungsabsicht der Einsatz als nicht dauerhaft, jedoch ohne zeitliche Höchstgrenze darstellt (Beschl. v. 02.10.2012 – 17 TaBV 38/12)? Welche Rechtsfolgen werden an einen Verstoß gegen einen nicht nur vorübergehenden Einsatz geknüpft? Darf der Betriebsrat des Kunden der Beschäftigung des Zeitarbeitnehmers widersprechen (ablehnend: ArbG Leipzig v. 23.03.2012 – 5 BV 85/11; a.A. ArbG Cottbus v. 22.08.2012 – 4 BV 2/12)? Und kann in diesem Fall sogar ein Arbeitsverhältnis mit dem Kundenunternehmen zu Stande kommen (ablehnend: LAG Berlin-Brandenburg v. 16.12.2012 – 7 Sa 1182/12; a.A. ArbG Cottbus v. 29.11.2012 – 1 Ca 280/12). Fragen über Fragen…..

Aus arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Sicht ist insbesondere der Umgang mit den Tarifverträgen der CGZP spannend, deren Schicksal das BAG im Mai 2012 endgültig besiegelte, indem der Tarifgemeinschaft endgültig attestiert wurde, zu keinem Zeitpunkt seit ihrer Gründen im Jahr 2002 tariffähig gewesen zu sein.

equal pay-Ansprüche

In zahlreichen equal pay-Verfahren wurde sich inzwischen argumentativ darüber ausgetauscht, ob sich der Personaldienstleister auf einen Vertrauensschutz in die Wirksamkeit der Tarifverträge der CGZP berufen kann und ob die Bezugnahme auf einen an sich unwirksamen Tarifvertrag bzgl. der dort enthaltenen Verfallfristen zum Ausschluss des equal pay-Anspruchs führen. Für die Praxis unbefriedigend ist dabei, dass insbesondere nach wie vor keine einheitliche Tendenz festzustellen ist. Ob z.B. eine Verweisung auf die mehrgliedrigen CGB-Tarifverträge wirksam ist (dafür: LAG Rheinland-Pfalz v. 01.6.2012 – 9 Sa 24/12; dagegen: LAG Niedersachsen v. 21.09.2012 – 6 Sa 33/12) und wann insbesondere arbeitsvertraglich vereinbarte Ausschlussfristen zu laufen beginnen, ist nicht abschließend geklärt.

Nachforderung der Rentenversicherungsträger

Ein aufgrund der zersplitterten Rechtsprechung ähnlich beklagenswerter Zustand ist im Jahr 2012 bei den Sozialgerichten zu erkennen, an die sich CGZP-Anwender gegen die von dem Rentenversicherungsträger geltend gemachten Nachforderungen wenden. Das Meinungsspektrum der Gerichte bildet sämtliche denkbaren Facetten ab:

Das LSG Hessen hält das Vorgehen der DRV für rechtmäßig (Beschl. v. 23.04.2012 – L 1 KR 95/12 B ER) und lehnt die Gewährung von einstweiligen Rechtsschutz ab. Dagegen gehen das Schleswig-Holsteinische LSG und das LSG Niedersachsen-Bremen davon aus, dass das Handeln der DRV in Anbetracht der zahlreichen offenen Rechtsfragen zu den Konsequenzen der Tarifunfähigkeit der CGZP offensichtlich rechtswidrig ist; der Personaldienstleister dringt mit seinem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz in Gänze durch (Beschl. v. 25.06.2012 – L 5 KR 81/12 B ER; Beschl. v. 02.05.2012 – L 1 KR 121/12 B ER). Die gleiche Ansicht vertreten das LSG Rheinland-Pfalz und das LSG Baden-Württemberg, da der Rentenversicherungsträger nicht ohne weiteres berechtigt ist, die für die Berechnung der Nachforderung erforderlichen Grundlagen zu schätzen (Beschl. v. 14.08.2012 – L 6 R 223/12 B ER; Beschl. v. 19.11.2012 – L 11 R 3954/12 ER-B). Differenziert stellt sich das LSG Nordrhein-Westfalen auf: danach kann sich der Personaldienstleister in der Regel zumindest auf eine Verjährung der Nachforderung für die Jahre 2005 und 2006 berufen; im Übrigen sei das Vorgehen der Rentenversicherungsträger zumindest nicht offensichtlich rechtswidrig (Beschl. v. 10.5.2012 – L 8 R 164/12 B ER). Nach Ansicht des LSG Berlin-Brandenburg können zudem auch Ansprüche aus dem Jahr 2007 verjährt sein (Beschl. v. 14.08.2012 – S 73 KR 1335/12 ER).

Was wird das Jahr 2013 bringen?

Im Jahr 2013 dürfte sich der Nebel (hoffentlich) etwas lichten. Es ist zu erwarten, dass die die ersten höchstrichterlichen Entscheidungen etwas Licht in das arbeitsrechtliche Dunkel bringen werden. Am 13.03.2013 wird sich das BAG voraussichtlich dazu einlassen müssen, ob eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die CGB-Tarifverträge wirksam ist (Az. 5 AZR 954/11). Auch wird die Frage eine Rolle spielen, wann Ausschlussfristen gegen equal pay-Ansprüche tatsächlich anlaufen. Eine Klärung durch Erfurt wird hoffentlich auch mit Blick auf die zum 01.12.2011 in Kraft getretenen und neu gefassten Vorschriften das AÜG erfolgen. Die Sozialgerichte dürften sich nunmehr auch in der Hauptsache mit den sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen der CGZP-Entscheidung des BAG befassen müssen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dürften die Aktivitäten einzelner DGB-Gewerkschaften ihre Fortführung finden, die lästige christliche Konkurrenz „aus dem Rennen zu nehmen“, wie dies erst- und zweitinstanzlich im Jahr 2012 bereits mit medsonet, dem BIGD oder ALEB geschehen ist. In diesem Zusammenhang ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Tariffähigkeit der DGB-Gewerkschaften selbst auf den Prüfstand gestellt wird (vgl. LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 03.2012 – 22 Sa 71/11). Außerdem ist zu erwarten, dass sich die Arbeitsgerichte mit der Anwendung und Auslegung der teilweise verunglückt formulierten Tarifverträge zu den Branchenzuschlägen befassen müssen.

Alles in allem steht ein spannendes Jahr bevor, das – unabhängig davon, wie die Gerichte die betreffenden Fragen beantworten werden – ein Stück weit zur Rechtsklarheit betragen wird.

Tags: AÜG Branchenzuschlag CGZP equal pay Nachforderung Rentenversicherungsträger Tarifunfähigkeit vorübergehend Zeitarbeit