Ein Zeitarbeitsunternehmen darf nicht auf eine Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung verzichten.
Wirklich überraschend ist es nicht: Die gesetzlichen Regelungen nach § 1 KSchG gelten auch für Personaldienstleister. Sie müssen bei betriebsbedingten Kündigungen im Rahmen einer Sozialauswahl – mangels bestehender Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen – denjenigen Arbeitnehmer identifizieren, der unter Berücksichtigung von sozialen Gesichtspunkten am wenigsten schutzwürdig ist und folglich gekündigt werden kann. Diese Entscheidung liegt beim Dienstleister und nicht beim jeweiligen Einsatzbetrieb.
Zeitarbeit: Sozialauswahl bei der Kündigung kann nicht ausgelagert werden
Das BAG hat zunächst wörtlich festgestellt (20. Juni 2013 – 2 AZR 271/12), dass
die Sozialauswahl auf Arbeitnehmer desselben Betriebs beschränkt ist. Zum Betrieb eines Verleihers gehören alle unter einer einheitlichen Leitung zusammengefassten, zu dem Zweck ihrer Überlassung an Dritte beschäftigten Arbeitnehmer. Der Betrieb umfasst nicht nur die einsatzfreien, sondern auch die im Einsatz befindlichen Arbeitnehmer.
Eine Sozialauswahl ist dabei zwingend und kann von dem Personaldienstleister nicht auf den Kunden „ausgelagert″ werden. Dies hat jüngst das ArbG Lübeck bestätigt (4. September 2013 – 5 Ca 1244/13).
Das Zeitarbeitsunternehmen darf bei einer betriebsbedingten Kündigung nicht auf eine Sozialauswahl verzichten, weil sich dessen Kunden die Letztentscheidung vorbehalten, welche der angebotenen Arbeitnehmer sie einsetzen wollen. Wenn der Personaldienstleister wegen eines Personalüberhangs betriebsbedingte Kündigungen aussprechen muss, ist er verpflichtet, vor Übersendung von Anforderungsprofilen an die Kunden zur Identifizierung der zu kündigenden Arbeitnehmer eine Sozialauswahl unter den vergleichbaren geeigneten Mitarbeitern durchzuführen.
Personaldienstleister muss Sozialauswahl unter den vergleichbaren Mitarbeitern durchführen
Die Entscheidung des ArbG Lübeck ist unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BAG nicht überraschend. Wenn es zu einem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeiten im Rahmen einer Zeitarbeit kommt, muss der Personaldienstleister selbst eine Sozialauswahl unter den vergleichbaren Mitarbeitern durchführen und die Kündigung aussprechen.
Sollte durch die Entscheidungsbefugnis der Kunden, welche Mitarbeiter tatsächlich auf Grundlage der übermittelten Profile noch eingesetzt werden können (diese werden weiterbeschäftigt, während die vom Kunden abgelehnten Arbeitnehmer eine Kündigung erhalten), eine Sozialauswahl durch den Personaldienstleister wegfallen, könnte das Zeitarbeitsunternehmen betriebsbedingte Kündigungen allein aufgrund der Disposition eines Dritten aussprechen.
So würden die zwingenden Vorschriften des KSchG umgegangen. Da dem Personaldienstleister aber letztlich ein Spielraum bei Übersendung der Profile zusteht, kann sich dieser der Sozialauswahl auf diese Art und Weise nicht entziehen.