Nachdem das BAG am 14.12.2010 festgestellt hatte, dass die CGZP gegenwartsbezogen nicht tariffähig ist (Az. 1 ABR 19/10), haben zahlreiche Personaldienstleister, die die von der Tarifgemeinschaft abgeschlossenen Tarifverträge angewendet haben, verstärkt versucht, die Arbeitsverträge mit den von ihnen beschäftigten Zeitarbeitnehmern auf einen neuen Tarif „umzustellen“. Dies bedeutet nichts anderes, als dass das jeweilige Arbeitsverhältnis zukünftig nicht mehr dem tariflichen Regime der CGZP bzw. der CGB-Gewerkschaften, sondern der DGB-Tarifgemeinschaft (BZA/IGZ) unterstellt werden sollte.
Dass eine derartige „Umstellung“ mit erheblichen arbeitsrechtlichen Herausforderungen verbunden sein kann, wenn der Arbeitnehmer der Anwendung eines anderen Tarifvertrages nicht zustimmt, verdeutlicht eine jüngst veröffentlichte Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz. Die 9. Kammer musste sich dabei mit der Frage befassen, ob ein Personaldienstleister durch eine einseitige Erklärung einen Tarifwechsel herbeiführen kann (Urt. v. 02.03.2012 – 9 Sa 627/11).
In dem mit dem Zeitarbeitnehmer geschlossenen Arbeitsvertrag aus dem Jahr 2005 wurden die zwischen dem INZ und der CGZP vereinbarten Tarifverträge in Bezug genommen. Zudem war dort folgende Klausel vorgesehen:
„Der Arbeitgeber ist berechtigt, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Mitarbeiter die vorgenannten Tarifverträge jeweils für die Zukunft durch solche zu ersetzen, die von einem anderen für den Arbeitgeber zuständigen Arbeitgeberverband geschlossen wurden (Tarifwechsel kraft Inbezugnahme). Dies gilt insbesondere bei einer Fusion der INZ. In diesem Fall treten die von diesem anderen Arbeitgeberverband geschlossenen Tarifverträge hinsichtlich sämtlicher Regelungen dieses Arbeitsvertrages an die Stelle der vorgenannten Tarifverträge.“
In einer Zusatzvereinbarung aus dem Jahr 2010 wurden die jeweils gültigen Tarifverträge des AMP und der Einzelgewerkschaften des CGB für anwendbar erklärt. Anfang Juni 2011 teilte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer schließlich schriftlich mit, dass nunmehr ab dem 01.05.2011 die zwischen dem BZA und der DGB-Tarifgemeinschaft abgeschlossenen Tarifverträge gelten sollen. Mit Schreiben vom 20.06.2011 sprach der Personaldienstleister eine (vorsorgliche) Änderungskündigung aus. Darin hieß es:
„Gleichzeitig bieten wir Ihnen an, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzusetzen. Hierbei finden künftig durch einzelvertragliche Inbezugnahme die zwischen dem BZA und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit geschlossenen Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung, derzeit bestehend aus Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag und Entgelttarifvertrag Anwendung auf unser Arbeitsverhältnis. Hierbei erfolgt eine Eingruppierung nach Maßgabe des Entgeltrahmentarifvertrages in die Entgeltgruppe E 4. Zur Wahrung des sozialen Besitzstands wird eine etwaige Differenz zu Ihrem bisherigen Lohn über die Zahlung einer Zulage ausgeglichen.″
Der Arbeitnehmer nahm die Änderungskündigung unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an und erhob Klage. Das LAG Rheinland-Pfalz bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung und stellte fest, dass die Änderungskündigung unwirksam ist.
Die Klage sei nicht bereits deshalb abzuweisen, da sich die Änderung der Arbeitsbedingungen bereits aufgrund anderer Umstände ergebe (sog. überflüssige Änderungskündigung). Der Arbeitgeber könne sich in diesem Zusammenhang nicht auf den vertraglichen Vorbehalt, die anwendbaren Tarifverträge durch eine einseitige Erklärung auszuwechseln, berufen. Diese Klausel sei gem. § 304 Nr. 4 BGB unwirksam. Durch die Vertragsgestaltung werde nicht nur vom Grundsatz „pacta sunt servanda“, sondern auch vom Inhaltsschutz nach §§ 2, 1 KSchG abgewichen. Der Änderungsvorbehalt sei dem Arbeitnehmer nicht zumutbar. Dies folge nicht bereits daraus, dass die Klausel Voraussetzungen und Umfang der Leistungsänderung völlig unbestimmt lasse und diese ohne Grund ermögliche.
Der Arbeitgeber habe zudem keine Gründe vorgetragen, die die Änderungskündigung sozial rechtfertigen könnten. Dass der Arbeitnehmer keine finanziellen Nachteile erleide, reiche in diesem Zusammenhang nicht aus. Die Frage, ob und in welchem Ausmaß die geänderten Arbeitsbedingungen ungünstiger seien, sei erst nach der Prüfung, ob ein Grund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG vorliege, von Relevanz. Erst dann sei überhaupt zu prüfen, ob sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt habe, dem Arbeitnehmer nur solche Änderungen vorzuschlagen, die dieser billigerweise hinnehmen müsse.
Der Hinweis des Arbeitgebers darauf, dass 99 % der Mitarbeiter mit einer Umstellung der Tarifverträge einverstanden gewesen seien, könne die Änderungskündigung sozial ebenfalls nicht rechtfertigen. Ein Interesse an der Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen reiche nicht aus, um ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Änderungskündigung darzulegen.
Soweit der Arbeitgeber geltend macht, dass die zuständige Regionaldirektion die Erteilung bzw. Aufrechterhaltung der Genehmigung zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung davon abhängig gemacht habe, dass unternehmensweit ein einheitliches Tarifwerk gelte, sei dies unbeachtlich. Lägen weder in der Person noch im Verhalten des Arbeitnehmers Gründe für eine Drucksituation vor, die im Zweifel auch eine Kündigung rechtfertigen könne, dürfe der Arbeitgeber einem von dritter Seite ausgeübtem Druck nicht ohne weiteres nachgeben, sondern müsse zunächst versuchen, auf den den Druck Ausübenden einwirken. Vorliegend fehle es schon an einem substantiierten Sachvortrag zu den näheren Einzelheiten, wann und in welcher Form die Regionaldirektion einen Widerruf oder eine Rücknahme der Erlaubnis in Aussicht gestellt habe. Dies sei mit einer derartigen Begründung zudem offensichtlich rechtswidrig. Sollte die Regionaldirektion tatsächlich eine derartige Forderung erhoben haben, müsse der Arbeitgeber zunächst gegebenenfalls auch durch eine entsprechende Beschwerde bei der Bundesagentur versuchen, diese dazu zu bewegen, von dieser Forderung Abstand zu nehmen. Dass dies geschehen sei, sei nicht ersichtlich.
Das LAG Rheinland-Pfalz hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen.
Die Entscheidung verdeutlicht, wie hoch die Anforderungen für die (einseitige) Änderung der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifverträge sind, sofern sich der Arbeitnehmer nicht zum Abschluss eines entsprechenden Änderungsvertrages bereit erklärt. Allein die Darlegung eines (betriebsbedingten) Grundes zur sozialen Rechtfertigung einer Änderungskündigung stellt den Arbeitgeber vor fast unüberwindliche Voraussetzungen. Dies gilt jedenfalls, wenn sich der Personaldienstleister nicht auf einen weggefallenden oder verringerten Beschäftigungsbedarfs aufgrund eines Auftragsmangels und veränderter Marktrahmenbedingungen berufen kann. Eine solche Begründung ist bei der beabsichtigten „Herauskündigung“ von Tarifverträgen jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden (vgl. dazu: auch BAG v. 15.01.2009 – 2 AZR 641/07). Die Begründung des LAG Rheinland-Pfalz zur AGB-rechtlichen Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Wechselklausel wirkt etwas dünn. Da über die Zulässigkeit einer derartigen Regelung – soweit bekannt – zum ersten Mal entschieden wurde, wäre es wünschenswert gewesen, diese Frage höchstrichterlich klären zu lassen, indem das Gericht die Revision gestatte hätte. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass diese Klauseln eine weite Verbreitung im Markt gefunden haben.