Bislang war sich die Rechtsprechung ziemlich einig: Zeitarbeiter dürfen wählen, zählen aber nicht. Dieses Prinzip stellt das Arbeitsgericht Elmshorn aber in Frage. § 7 S. 2 BetrVG sieht vor, dass Zeitarbeitnehmer aktiv wahlberechtigt sind, wenn diese länger als 3 Monate bei dem Kunden eingesetzt sind. Wählbar bleiben sie ausschließlich bei ihrem Arbeitgeber (§ 14 Abs. 2 S. 2 AÜG). Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG sind Zeitarbeitnehmer auch bei der Bestimmung der organisatorischen Schwellenwerte des BetrVG, z.B. bei der Bestimmung der Anzahl der Betriebsratsmitglieder (§ 9 BetrVG) oder der Freistellungen (§ 38 BetrVG) nicht zu berücksichtigen (vgl. nur: BAG v. 10.03.2004 – 7 ABR 49/03). Die Landesarbeitsgerichte sind dieser Auffassung gefolgt (vgl. nur: LAG Schleswig-Holstein v. 02.07.2009 – 4 TaBV 7/09; LAG Hamm v. 15.07.2011 – 10 TaBV 1/11), selbst wenn nach der bis zum 01.12.2011 geltenden Rechtslage grundsätzlich ein zeitlich unbeschränkter Einsatz von einem Zeitarbeitnehmer in einem Betrieb möglich war.
Nach Ansicht des ArbG Elmshorn (Beschl. v. 16.02.2012 – 3 BV 43 d/11) soll das „Wählen, aber nicht Zählen″-Prinzip ab dem 01.12.2011 für die Bestimmung des Schwellenwertes nach § 9 BetrVG anders sein: Seit diesem Zeitpunkt gilt für die Arbeitnehmerüberlassung, dass diese gem. § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG nur noch „vorübergehend“ erfolgen darf. Zwar hat der Gesetzgeber diesen Begriff nicht näher definiert; nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet vorübergehend „zeitlich begrenzt, nicht dauerhaft“. In richtlinienkonformer Umsetzung des § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG könnte demnach auch eine mehrjährige Überlassung „vorübergehend“ sein. Entscheidend ist, dass aber im Zeitpunkt der Überlassung feststeht, dass der Arbeitnehmer (irgendwann) zukünftig seine Arbeit (wieder) in der betrieblichen Organisation des Vertragsarbeitgebers erbringen soll. Insofern könnten dieselben Grundsätze herangezogen werden, die nach § 14 TzBfG geltend; es wäre dann von einer Überlassungshöchstdauer von 2 Jahren auszugehen. Der Wahlvorstand hat dabei im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens entschieden, dass bei Zeitarbeitnehmern ab einer Überlassungsdauer von 2 Jahren auf das Erfordernis einer Vertragsbeziehung zu verzichten sei. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass nur Arbeitnehmer betriebszugehörig sind, die in einem Arbeitsverhältnis zum Kunden stehen, ist demnach jedenfalls dann geboten, wenn die Überlassung nicht nur vorübergehend erfolgt, sondern entgegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG der Zeitarbeitnehmer auf einem Dauerarbeitsplatz eingesetzt wird. Sind die Voraussetzungen erfüllt, sind diese Zeitarbeiter auch bei der Bestimmung des Schwellenwertes nach § 9 BetrVG zu berücksichtigen.
Ob das BAG dieser Auffassung folgen wird, bleibt abzuwarten. Es handelt sich vorliegend um eine Entscheidung aus der ersten Instanz, so dass mit guten Gründen auf Grundlage der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung eine abweichende Ansicht vertreten werden kann, nämlich dass Zeitarbeitnehmer – unabhängig von der Überlassungsdauer – nicht bei den organisatorischen Schwellenwerten des BetrVG mitzuzählen sind. Die weitere Entwicklung sollte aber beobachtet werden, zumal nach Meinung des BAG – aus anderen Erwägungen – Zeitarbeitnehmer bei der Bestimmung des Grenzwertes nach § 111 S. 1 BetrVG zu beachten sind, wenn diese sie zu den „in der Regel“ Beschäftigten gehören (BAG v. 18.10.2011 – 1 AZR 335/10).